Heute hält Seniorchefin Ganß inne

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"Wir haben die beste Mutter, Oma und Uroma der Welt", sagt Tochter Alexandra und drückt sie herzlich.
"Wir haben die beste Mutter, Oma und Uroma der Welt", sagt Tochter Alexandra und drückt sie herzlich.
Das Originalschild hängt noch im Flur. Fotos: Gabi Bertram
Das Originalschild hängt noch im Flur.  Fotos: Gabi Bertram
 

Johanna Ganß wird heute 90 Jahre alt. Die Rohrbacher Firmengründerin blickt auf ein erfülltes, arbeitsreiches Leben zurück. Zum Fest versammelt sich die ganze Familie.

Heute, 2. November, feiert Johanna Ganß in Rohrbach im Kreise ihrer Familie ihren 90. Geburtstag. In Dankbarkeit blickt sie auf die neun Jahrzehnte und sagt: "Ich hatte und habe ein schönes Leben."
Johanna Ganß sitzt in ihrem Sessel, das Strickzeug neben sich. Warme Strümpfe für den Urenkel in Kanada strickt sie, und die braucht er sicher auch in dem kalten Land. Ihre Hände können auch im Alter nicht still bleiben. Sie bügelt die Wäsche und kocht auch noch. Nein, Johanna Ganß fühlt sich alles andere als aufs Altenteil abgeschoben. Ihre Familie braucht sie, und wenn sie die Töchter zum Einkaufen oder zu Arztbesuchen braucht, steht schon das Auto vor der Tür. In der Familie können sich alle aufeinander verlassen. "Unsere Mutter war und ist so, wie man sich eine Mutter eben vorstellt und wünscht. Die Familie stand immer über allem", sagt Tochter Alexandra und erinnert sich gern an ihre Kindheit. Die Mutter hat genäht, gekocht, gewaschen, den Garten bewirtschaftet, die Tiere versorgt, mit in der Polstermöbel-Firma ihres Mannes Karl gearbeitet, die Poststelle im Ort und später einen kleinen Landhandel betrieben. Das Originalschild hängt noch im Flur. Arbeit gab es immer genug. "Ja", winkt die Jubilarin ab, "von nix kommt auch nix."
In Schlesien wurde Johanna am 2. November 1927 geboren. Die Flucht vor den Russen führte sie 1945 als junges Mädchen nach Grub am Forst, mit nichts als ein paar Habseligkeiten im kleinen Koffer. In einer Polsterei fand sie Arbeit und begann als Sesselflechterin. Als sie auf einem Bauernhof in Rohrbach mitarbeiten musste, lernte sie Karl kennen, den sie 1949 heiratete. Karl hatte vor dem Krieg das Polsterhandwerk erlernt. Damit und mit viel Fleiß begannen die Ganß', sich ihr Leben aufzubauen, zunächst in einem Zimmer, später in der Werkstatt. Johanna nähte die Polstersessel, alles mit der Hand freilich. Früh um vier Uhr begann ihr Tagwerk mit der Heimarbeit, setzte sich fort mit der Versorgung der drei Kinder, mit Haushalt und Wäsche. "Wenn wir abends heimkamen", erzählt Alexandra lachend, "war der Wäschekorb schnell voll. Nicht selten ist einer von uns in den Teich gefallen. Mutter hat nicht geschimpft. Ja, wir waren schon eine verwöhnte Bande." Eine Waschmaschine gab's damals nicht, alles wurde noch "gerumpelt", weiß Johanna Ganß noch. Dazu kamen der große Garten, wo Gemüse angebaut wurde, der Teich, in dem die Karpfen gehalten wurden, Enten, Hasen und Schafe. Und einmal im Jahr wurde ein Schwein geschlachtet. Alles bio und Natur und gesund, schwärmt die Tochter noch heute, und erzählt, wie sie als Kind mit der Milchkanne beim Bauern Milch geholt habe.
Ja, Arbeit gab es immer zuhauf, und wenn in der Polstermöbelfirma Karl Ganß, die mit den Jahren zu einem renommierten Unternehmen mit gutem Ruf gewachsen war, zum Feierabend geläutet wurde, hat Johanna auch noch die Büros geputzt. "Ohne Fleiß kein Preis," sagt Alexandra, "das haben wir Kinder gelernt und sind auch immer bodenständig geblieben."
Fleiß, Ordnung, Disziplin und Bescheidenheit, diese Tugenden hat Johanna Ganß weitergegeben, vor allem aber auch viel Liebe an die Kinder, inzwischen auch an die vier Enkel und fünf Urenkel. Klagen und Jammern gab es bei ihr nie. Im Jahr 2000 haben sich Karl und Johanna Ganß zur Ruhe gesetzt. Die Firma führen die Töchter Gertraud und Alexandra weiter.
Seit 2003 ist Johanna Ganß Witwe, aber nicht allein. Sie wird gebraucht, das hält sie fit und ist ein schönes Gefühl im Alter. Da, zeigt sie in die Ecke, steht schon wieder der Bügelkorb.


Nachmittag für Familie reserviert

Die Beine wollen nicht mehr so, aber mit 90 Jahren hat man eben das eine oder andere Zipperlein, meint die alte Dame. Die Hände sind schließlich noch flink bei der Sache, und der Kopf ohnehin. Nur, wenn ihre Lieblingsserien im Fernsehen laufen, hat die Arbeit für die eine oder andere Stunde mal Pause.
Gefeiert wird heute Nachmittag in der Familie. Gratulanten sind am Vormittag willkommen.