Eine völlig neue Bedeutung erhielt das Wort "Richterskala" während einer Verhandlung am Kronacher Amtsgericht. Normalerweise wird mit ihr die Erdbebenstärke beziffert, Richter Christoph Lehmann nutzte...
Eine völlig neue Bedeutung erhielt das Wort "Richterskala" während einer Verhandlung am Kronacher Amtsgericht. Normalerweise wird mit ihr die Erdbebenstärke beziffert, Richter Christoph Lehmann nutzte die Zahlen von eins bis zehn, um den Grad der Trunkenheit von Angeklagtem und Geschädigtem zu bestimmen.
Die Mitwitzer Kirchweih im letzten Jahr war Schauplatz einer tätlichen Auseinandersetzung von zwei Monteuren aus Sachsen. Um festzustellen, welcher Alkoholpegel unter anderem zur Tat geführt habe, griff der Richter zu einer etwas ungewöhnlichen Methode. Dabei hatte er es aber erst einmal ganz klassisch versucht: "Wie viele Biere haben Sie denn getrunken?", fragte er den Angeklagten. Der mittlerweile arbeitslose Monteur, der zuletzt als Laborant gearbeitet hatte, schaute etwas irritiert, als er versuchte, diese zusammenzuzählen.
Bier, flankiert von Obstlern
"Waren es denn Halbe oder Maßen?, " hakte Lehmann erstmal nach. Diese Frage verwirrte ihn noch viel mehr, aber er tendierte eher Richtung Halbe. Als dann klar wurde, dass die Biere von einigen Obstlern flankiert worden seien, schlug Richter Lehmann endgültig neue Wege ein: "Auf einer Skala von eins bis zehn - also eins bedeutet stocknüchtern und zehn stockbesoffen - wie betrunken waren Sie denn?" Nach längerem Überlegen meinte er: "sechs." "Und ihr Kumpel, also der Geschädigte?" "Der lag auch so zwischen sechs und sieben."
Nachdem diese Frage grundsätzlich geklärt zu sein schien, widmete sich das Gericht dem Tathergang. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, seinem damaligen Kumpel und Arbeitskollegen ins Gesicht geschlagen zu haben, worauf dieser zu Boden gegangen sei und sich dabei eine Platzwunde am Hinterkopf zuzog. Diese brachte eine leichte Gehirnerschütterung mit sich.
Weshalb es zu dieser Reaktion kam, wurde allerdings unterschiedlich von beiden beantwortet. Die Version des Angeklagten lautete etwa so: "Wir hatten am Bierwagen was getrunken. Ich bin dann in die Gaststätte und habe was gegessen. Mein Kumpel hat weitergetrunken. Als ich wieder rauskam, stänkerte er rum, machte rechtsradikale Äußerungen. Ich habe versucht, ihn zu beruhigen. Daraufhin fing er an, mich zu beschimpfen. Als er meinte: ,Dein Sohn ist genauso bescheuert wie...‘ bin ich ausgerastet und habe ihm ins Gesicht geschlagen. Dann habe ich mich umgedreht und dachte, er kommt mir gleich nach. Das ist nicht passiert und jemand hat mich festgehalten und zu Boden gedrückt."
Der Anwalt des Angeklagten sah in dieser Äußerung über den Sohn sogar so etwas wie Notwehr, er habe einfach nur seine und die Ehre seines Kindes verteidigen wollen. Ähnlich sah es auch der Richter, der Verständnis zeigte für die Reaktion, aber sofort klarstellte, dass man nicht jedem, der einen als A... bezeichnet, einfach eine scheuern könne.
Auch der Zeuge hilft nicht weiter
Ein Zeuge, der im Bierwagen ausgeschenkt hatte, stellte den Sachverhalt allerdings etwas anders da. Zwar räumte er ein, nicht allzuviel mitbekommen zu haben, aber von rechtsradikalen Äußerungen habe er nichts gehört. Auch sei die Aggression eher vom Angeklagten ausgegangen. "Und ein Schlag mit der flachen Hand war das auf keinen Fall. Er muss schon die Faust benutzt haben."