Gefühlte Entmündigung
Autor: Michael Busch
Münchaurach, Montag, 11. Januar 2021
Ein Eintrag durch die Gemeinde in die Grundbücher zweier Immobilien verwundert deren Eigentümer. Denn statt Transparenz und entsprechender Information entstand bei den Bürgern der Eindruck der Geheimniskrämerei.
Michael Busch
Das Grundbuch ist für Hausbesitzer wichtig. Denn, so die Bundesnotarkammer, bietet der Grundbucheintrag beim Hauskauf optimale Sicherheit, ist er doch fast wie eine Biografie des Hauses. Der Eintrag ist verlässlich und zeigt in rechtsverbindlicher Form Eigentum an einer Immobilie an.
Umso überraschter zeigten sich ein paar Aurachtaler aus der Langen Straße, die Ende September im vergangenen Jahr "aus heiterem Himmel vom Amtsgericht einen Brief erhielten, mit einem Auszug aus unserem Grundbuch, in das die Gemeinde ohne Vorwarnung, ohne vorherige Information einen Sanierungsvermerk eingetragen hat". Hintergrund sei die Sanierungssatzung vom 12. Februar 2020 für den Ortskern Münchaurach. Bereits 2017 fand dazu ein Spaziergang im Ort und 2018 Workshops mit der Bürgerschaft statt, aber mit keinerlei Hinweis auf diesen erfolgten Eintrag.
Fehlende Infos
Unzufrieden sind die betroffenen Bürger, die diesen neuen Eintrag fanden, mit den Erklärungen seitens der Gemeinde. "Nachdem einige betroffene Bürger ihren Unmut erst gegenüber dem Grundbuchamt und dann der Gemeinde geäußert haben, kam tags darauf ein Brief von Bürgermeister Klaus Schumann, in dem er den Sanierungsvermerk lediglich als Vorkaufsrecht deklariert." Doch mit einem Sanierungsvermerk, das wurde auch von Sachbearbeitern im Grundbuchamt bestätigt, bringt diese Eintragung einige Vorgaben mit sich, die eben auch die Eigentümer der Immobilie betreffen können.
Ein Sanierungsvermerk wird eingetragen, wenn das Grundstück in einem Sanierungsgebiet liegt. Diese Gebiete werden ausgewiesen, wenn städtebauliche Maßnahmen durchgeführt werden sollen, um Missstände zu beseitigen. Finanziell hat solch eine Ausweisung aber auch Auswirkungen: Der Eigentümer eines im Sanierungsgebiet liegenden Grundstücks hat zur Finanzierung der Sanierung einen Ausgleichsbetrag an die Gemeinde zu entrichten. Und es gilt: Die Gemeinde hat ein Vorkaufsrecht, sollte es zu einer Veräußerung kommen. Der Vermerk wird meist nicht automatisch gelöscht. Die Löschung kann vom Eigentümer bei der Gemeinde beantragt werden.
Genau diese Vorgaben irritieren einen Teil der Anwohner allerdings, denn laut dem rechtskräftigen Erläuterungsbericht "sind unsere Häuser in der Langen Straße nicht sanierungsbedürftig, sie stellen weder ein Baudenkmal dar, noch sind sie als erhaltenswert, orts- oder strukturprägend gekennzeichnet". Laut dem kommunalen Denkmalkonzept besteht auch kein denkmalpflegerisches Interesse an diesen Häusern. Die Gemeinde saniert das Haus Königstraße 28, plant die Begrünung eines Platzes an der Einmündung Fürther Straße - Königstraße, die Straße "Im Kloster" soll verkehrlich verbessert werden. Keine Baumaßnahme betrifft die Lange Straße, also bestehe dort auch kein Sanierungsziel.
Auf telefonische und auch schriftliche Anfragen bei der Gemeinde bekamen die Anwohner jedoch die Infos, dass es sich um Sanierungen im öffentlichen Bereich handeln würde. Mit der Eintragung ins Grundbuch, so teilte die Gemeinde mit, könnten die Eigentümer Fördermittel oder steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen. Da aber kein Sanierungsziel die Lange Zeile betreffe, sei dieses Angebot obsolet. Abgesehen davon sei nach einem Telefonat mit der Regierung von Mittelfranken festgestellt worden, dass die Grundstücke mit etwa 1000 Quadratmeter keinerlei Einfluss auf eventuelle Fördergelder hätten.
Die fehlenden Infos hinterlassen Fragen und Sorgen. "Will die Gemeinde auf unseren Grundstücken Parkplätze bauen oder uns teilweise enteignen, um eine Rechtsabbiegespur in die Königstraße anzulegen?" Es bleibe die Frage, wie in Zukunft mit solch einem Vermerk umgegangen werde, denn: "Wir reden hier nicht von der derzeitigen Regierungsperiode, der Sanierungsvermerk verbleibt uns mindesten 15 Jahre, eher 25 bis 30 Jahre, also für uns generationsübergreifend. Ein Bürgermeister und auch die Gemeinderäte kommen und gehen, aber was machen die nächsten Gremien?"
Blauäugige Unterschrift
Aber auch über das Vorgehen der Gemeinde machen die Betroffenen sich Gedanken. An dem Beispiel Weisendorf sehe man, dass eine Sanierungssatzung auch ohne Eintrag in das Grundbuch funktioniere. Im Aurachtal habe der Rat aber nicht einmal über das Vorgehen Bescheid gewusst. "Auf der Ratssitzung im Oktober stellten wir dann zu unserem Erstaunen und auch Entsetzen fest, dass kein Gemeinderat irgendetwas von dem Vermerk im Grundbuch wusste und auch Bürgermeister Schumann gab sich unwissend. Laut Planer war er aber sehr wohl darüber informiert." Am 18. November habe er eingeräumt, den Eintrag ins Grundbuch "blauäugig" unterschrieben zu haben. "Sind Alleingänge eines Gemeindeoberhauptes überhaupt zulässig?", fragen sich die Betroffenen. Zumal die Räte scheinbar keine Kenntnisse über die Folgen für die Hauseigentümer haben. Und: "Wir konnten vor dem Sanierungsmerk als mündige und voll geschäftsfähige Bürger über unser Eigentum selbstbestimmt verfügen, zum Beispiel eine Grundschuld oder Grunddienstbarkeit eintragen. Dieses Recht wird uns durch die Lage in dem Sanierungsgebiet beschränkt und muss uns dann durch diesen Sanierungsvermerk von der Gemeinde wieder genehmigt werden, nur weil wir gezwungen werden, in einem Sanierungsgebiet sein zu müssen. Das ist doch ein schlechter Witz. Es fühlt sich wie eine Entmündigung an."