Der ehemalige Geschäftsleiter Kiefer erinnert sich noch an turbulente gemeinsame Tage. Zum Beispiel, als die Stadt 1970 endlich den Titel eines Kurbades erhielt. Dies sei der letzte große Wunsch von Egid Trost als Bürgermeister gewesen.
Rieß arbeitete wesentlich daran mit, dass dieser Wunsch im April 1970 Wirklichkeit wurde - wenige Wochen vor Trosts Amtsübergabe an seinen Nachfolger im Mai. "Da war ein Riesentrubel und 'Happy Hour' im Vorzimmer des Bürgermeisters", erinnert sich Kiefer. Überhaupt sei Trost so etwas wie Rieß' Mentor gewesen. Er habe ihn sehr verehrt.
Die 1970er-Jahre waren nach Kiefers Worten eine sehr aufreibende Zeit für Edgar Rieß. Sie begannen mit einem sehr hohen Arbeitspensum, weil der eigentliche Kämmerer nach einem Unfall fast zwei Jahre lang ausfiel.
Das schwierige Projekt "Große Verwaltungsgemeinschaft" begleitete Rieß als deren Kämmerer seit der Gründung 1978. Nach nur zwei Jahren beendete er diese Tätigkeit wieder, weil die Stadt und Motten zum 1. Januar 1980 aus dem Verbund ausscherten.
Anton Kiefer berichtet über jährlich wiederkehrendes Ritual aus technisch eingeschränkterer Zeit: Rieß war für die Erstellung des Haushaltes zuständig. Doch musste der auch vervielfältigt, geheftet, in Ordner gepackt und per Bote an die Stadträte ausgeliefert werden. Gar nicht so einfach, wenn man nur eine Maschine ohne Möglichkeit des doppelseitigen Druckes hat. "Am Ende sind fünf Mann auf dem oberen Stockwerk von Papierstapel zu Papierstapel gerannt. Und Edgar verbreitete eine kleine Aufregung, dass alles klappt."
Unter Bürgermeister Hans Rohrmüller leistete "der liebe Edgar" seinen Beitrag, dass die Umgehungsstraße endlich gebaut wurde. Nach ihrer beider Ausscheiden habe Kiefer vor allem bei den Stadtratssitzungen Kontakt zu seinem Ex-Kollegen gehalten.
Leo Romeis trat 1973 in die Stadtverwaltung ein, wurde 1992 Rieß' unmittelbarer Nachfolger als Kämmerer. Der Unterleichtersbacher kannte den Verstorbenen als "sehr korrekten Menschen. Für ihn gab es nur Recht und Gesetz. Ein Beamter, wie man ihn sich vorstellt." Rieß habe "gelebt für die Stadt, hat Herzblut für sie aufgebracht, wollte alles Gute für sie tun." Dennoch habe er auch das Wohl der Bürger im Sinn gehabt - und das seiner Mitarbeiter.
"Für mich als Lehrbub war er sehr kollegial und bedacht, sein Wissen weiterzugeben." Selbst, als Romeis selbst schon Kämmerer war, habe er ihn noch um Rat fragen können. Er sei auch für das Gesellige zugänglich gewesen. Romeis nennt die Gemeindegebietsreform, bei der Volkers zur Stadt kam, aber auch die frühere Sanierung des Freizeit- und Erholungsbades (heute Sinnflut) als große gemeinsame Projekte.
Doch Edgar Rieß steckte nicht nur viel Zeit in die Verwaltung, sondern auch in einige städtische Vereine. Besonders am Herzen lagen ihm das Bayerische Rote Kreuz, die Schützen und der FC Bad Brückenau. Mehr als 50 Jahre fuhr er selbst im Rettungsdienst mit. Und er baute die Rettungswache in der heutigen Form mit auf. "Für mich haben Begriffe wie Offenheit, Aufrichtigkeit und Kameradschaft einen ganz hohen Stellenwert", sagte er einmal dieser Zeitung.
Der leidenschaftliche Motorradfahrer hat sogar einem Biker das Leben gerettet - als Mitglied einer Motorradstreife des BRK, die er in den 1980er-Jahren ebenfalls selbst mit aufgebaut hatte.
1996 hörte Rieß an der Autobahnauffahrt Volkers, wie der Motorradfahrer verunglückte. Er eilte dorthin und sah, dass der Mann stark aus dem Bein blutete. Offensichtlich war die Hauptschlagader getroffen. Rieß stoppte die Blutung; der Biker überlebte. "Der Mann hätte ohne meine Hilfe keine Chance gehabt und wäre innerhalb weniger Minuten gestorben", erzählte Rieß später. Das Gefühl, einem Menschen definitiv das Leben gerettet zu haben, beschrieb er als "zufriedene und tiefe Dankbarkeit". 2014 wurde Edgar Rieß für sein Engagement im Bayerischen Roten Kreuz mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt.