"Es lag mitten im Urwald, bei Kilometer 11 auf der Straße nach Lambarene", erzählt Helga Stößel, die noch regelmäßig ihre alte Heimat besucht. Zusammen mit Hans Meister hielt sie damals durch regelmäßige Berichte die Herzogenauracher über die Lokalpresse auf dem Laufenden: "Nur durch Transfusionen und Medikamente können die todkranken Kinder in den ersten Wochen überleben," heißt es im Sommer 1969 in einem Zeitungsartikel, und weiter "bis zum Jahresende sollen noch weitere 1300 todkranke Kinder hier ankommen".
Im Oktober 1969 ist die Herzogenauracherin auf Heimaturlaub, hält Vorträge an Schulen und berichtet von ihrem nächsten Ziel: Zusammen mit Pater Ruhlmann, dem Leiter des Kinderdorfs in Libreville, will sie mitten ins Kriegsgebiet, wo rund zehn Millionen Menschen auf einem immer kleiner werdenden Gebiet von Nigerias Armee eingeschlossen sind.
Im "Kessel von Biafra", wird unter schwierigsten Bedingungen in der ehemaligen Missionsstation Iheoma ein Versorgungszentrum für 800 Kinder unterhalten, mit Unterkünften und einem Hospital zur Notversorgung. Die Lebensbedingungen sind katastrophal, "einmal hat man mir ein Krankenhaus gezeigt wo verwundete Soldaten lagen, unter schrecklichen Bedingungen, das waren zum großen Teil 14 bis 15-jährige Jungs, Kindersoldaten," berichtet Stößel. Bombardierungen sind an der Tagesordnung und die Versorgungsflüge von den Westafrika vorgelagerten Inseln São Tomé ein gefährliches Unterfangen. Es gibt nur eine provisorische, unbeleuchtete Landebahn und die Flüge finden aus Sicherheitsgründen bei Nacht statt.
Flugzeuge brachten Hilfsgüter
Jeden zweiten Tag landete ein Flugzeug mit Hilfsgütern. "Viel Wein und Käse war in den Lebensmittellieferungen", erinnert sich Stößel, die lieber Brot oder zumindest Mehl erhalten hätte, "doch das wurde damals von den Franzosen organisiert". "Und einmal waren im Flieger nur riesige Mengen von tiefgefrorenen Hähnchen", Stößel muss im Nachhinein über die oft absurden Hilfslieferungen lachen.
Das letzte Hilfsflugzeug landete im Kessel am 12. Januar 1970, einen Tag nachdem sich Biafra-Führer Odumegwu Ojukwu mit Familie und großem Gepäck abgesetzt hatte. Als die nigerianischen Truppen den Buschflugplatz überrennen und Biafra kapituliert, schafft es Helga Stößel gerade noch mit der letzten Maschine auszufliegen.
Noch häufig in Afrika
Auf die Frage nach einer persönlichen Bilanz ihrer Zeit in Afrika meint Stößel: "Ich habe damals im Endeffekt ein Jahr meines Lebens investiert, aber ich habe dabei gewonnen - neue Blickpunkte und vor allem auch ein Gefühl dafür, was möglich ist, auch was ich selbst schaffen kann". Ihr beruflicher Werdegang brachte Helga Stößel in den folgenden Jahren noch häufiger auf den afrikanischen Kontinent, nach Kamerun, Kenia, Tansania, Sudan und Senegal.
Auch Hans Meister ist der kirchlichen Entwicklungsarbeit treu geblieben, sein Weg führte ihn 1970 nach Peru, wo er in der Diözese Cajamarca in der Lehrerausbildung und bei Alphabetisierungskampagnen arbeitete.