Feuerschein bis Herzogenaurach

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Nürnberg lag 1945 unterhalb der Burg in Trümmern. Foto: imago
Nürnberg lag 1945 unterhalb der Burg in Trümmern. Foto: imago

Nürnberg stand am 2. Januar 1945 nach einem Fliegerangriff in Flammen. Der Hobby-Historiker Fritz Spieß erinnert sich daran, wie er aus weiter Entfernung über das Ausmaß der Zerstörung gerätselt hat.

Heute vor 72 Jahren sind große Teile Nürnbergs bei einem Fliegerangriff in Schutt und Asche gelegt worden. Der Herzogenauracher Fritz Spieß hat den Angriff als 14-Jähriger aus der Ferne erlebt und schildert nachfolgend seine Erinnerungen:
"Am Abend des 2. Januar 1945 war wie so oft in den letzten Jahren Fliegeralarm. Diesmal war es höchste Zeit. Meine Mutter, meine beiden Schwestern und ich haben ganz schnell das Elternhaus in der Hirtenbuckstraße 1 verlassen, um im Luftschutzkeller an der Bamberger Straße Schutz zu suchen. Auf dem Weg dorthin sahen wir, wie feindliche Flugzeuge Fallschirmleuchtbomben, die sogenannten Christbäume, abwarfen und damit ihr Angriffsziel absteckten.
Wir waren im Luftschutzkeller Nr. 6. Es ging dort mehrere Treppen nach unten, er war dadurch vielleicht etwas sicherer. Jede Familie hatte dort ihren festen Platz. Wir waren mit der Familie Schaufler von der Noppengasse in einer Nische auf der linken Seite. Zur Beleuchtung dienten uns Kerzen und eine Petroleumlampe. Dieser schreckliche Bombenangriff auf Nürnberg dauerte etwa eineinhalb Stunden.
Unser Luftschutzkeller hatte keine Türe, deshalb konnten wir die Detonationen der Sprengbombe bis in unseren Keller hinein hören. Nach der Entwarnung verließen wir den Luftschutzkeller. Eine Frau sagte zu uns, dass man vom Zehleinsgarten aus das brennende Nürnberg sehen könne. Wir gingen die Bamberger Straße hoch und sahen vom Zehleinsgarten aus, zusammen mit etwa 25 weiteren Personen, das brennende Nürnberg liegen.
Es wurde nicht viel gesprochen, nur einer fragte, wie viele Menschen in dieser Nacht ihr Leben lassen mussten. Heute wissen wir, dass es 1794 Menschen waren, die in dieser Nacht den Tod fanden.
Unsere Sorge galt auch den Verwandten, die in Nürnberg wohnten. Wir waren sehr erleichtert, als alle am nächsten Tag vor unserer Haustüre standen. Es waren meine Tante Berta, meine Großmutter und meine Cousins Manfred und Erich (sechs Monate). Tante Berta sagte zu meiner Mutter: ,Ihr müsst uns aufnehmen, wir sind ausgebombt.‘ Meine Verwandten richteten sich im Dachzimmer mit etwa zwölf Quadratmetern in unserem Haus notdürftig ein. Es war Winter und wir hatten nichts zu heizen.
Meine Tante erinnerte sich, dass im Keller ihres zerbombten Hauses noch Kohlen lägen. Am anderen Morgen sind deshalb meine Tante Berta, Manfred und ich mit Taschen und Rucksack mit dem Zug nach Nürnberg gefahren. An einer Haltestelle zwischen Bruck und Nürnberg konnte der Zug nicht weiterfahren, da er überfüllt war und am Bahnsteig noch Fahrgäste standen. Im Abteil, in dem wir waren, war auch ein SA-Mann in Uniform. Meine Tante Berta konnte sich aufgrund ihrer Erlebnisse der letzten Tage nicht mehr beherrschen und schrie laut: ,Der mit der braunen Uniform soll sich nicht so breitmachen und rücken, dass andere Leute auch noch mitfahren können.‘
Der SA-Mann in Uniform mit einem Hakenkreuz am Arm wollte zu meiner Tante durch, aber die Menschen im Zugabteil hielten ihn zurück. Es lag eine große Spannung in diesem Waggon, bis wir in Nürnberg am Bahnhof aussteigen konnten. Dieser SA-Mann ist uns in Nürnberg noch einmal über den Weg gelaufen; wir hatten alle drei große Angst.
Als wir am Obstmarkt ankamen, sahen wir, dass alles in Schutt und Asche lag und Rauch aus den Schuttmassen emporstieg. Mein Cousin Manfred, der zwei Jahre älter war als ich, stieg als Erster durch das Kellerfenster. Ich folgte ihm und wir machten alle unsere Taschen mit Kohlen voll. Ich fand auch einen Stahlhelm, der seitlich eingedrückt war. Meine Tante sagte mir, dass er dem Luftschutzwart gehörte. Der Mann war durch die Stahltüre des Kellers erdrückt worden, als diese durch den Luftdruck einer Bombe aus den Angeln gehoben wurde.
Eine Woche später waren die Kohlen verheizt, so dass wir noch einmal nach Nürnberg fuhren, um Heizmaterial zu holen. Als wir ankamen, sahen wir, dass der Schutt des ehemals vierstöckigen Wohnhauses den Keller zum Einsturz gebracht hatte. Meine Verwandten wohnten noch mehrere Jahre in Herzogenaurach, aber später zogen sie wieder nach Nürnberg. Heute verbringt meine Tante ihren Lebensabend als 90-Jährige im Rot-Kreuz-Heim in Nürnberg."