Eine Witwe klagt gegen das Klinikum Lichtenfels: Dort wurde die Krebserkrankung ihres Mannes weder erkannt noch behandelt. Der vom Landgericht Coburg bestellte Gutachter gibt der Frau recht
Hans G. ist tot. Schon seit März 2015. Aber er hätte vielleicht nicht so früh sterben müssen, mit gerade mal 59 Jahren. "Er wollte so gern noch 60 werden", sagt seine Witwe. Die Diagnose lautete am Ende Bauchspeicheldrüsenkrebs. Als das im Henneberg-Klinikum in Hildburghausen erkannt wurde, hatte Hans G. keine Chance auf Heilung mehr.
Die war womöglich im Frühjahr 2014 im Klinikum Lichtenfels vertan worden. Dort war G. als Patient aufgenommen worden, weil ein Radiologe auf dem Bild eines Computertomografen ein Problem an der Bauchspeicheldrüse gesehen hatte. Ein Karzinom sei nicht auszuschließen, so hatte es der Radiologe noch gesagt.
"In Hildburghausen haben sie uns damals gefragt: Warum seid ihr nicht nach Coburg?", sagt die Witwe. Im Klinikum Coburg gibt es ein Pankreaszentrum, spezialisiert auf Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse. Im Lichtenfelser Klinikum indes tippten die Ärzte nicht auf Krebs, sondern auf eine Autoimmunpankreatitis, also eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse aufgrund einer Fehlfunktion des Immunsystems. Die körpereigenen Abwehrzellen greifen dann Körpergewebe an - in diesem Fall das der Bauchspeicheldrüse (Pankreas).
Entsprechend wurde Hans-Dieter G. dort behandelt. Zwischen zwei Aufenthalten im Regiomed-Klinikum wurde er nach Kutzenberg eingewiesen, um dort Lymphknoten entnehmen zu lassen. Krebsgewebe wurde dabei nicht gefunden. Auch eine Punktion am Lichtenfelser Klinikum blieb ohne Befund. Am Ende wurde G. entlassen mit der Empfehlung, eine Cortisontherapie zu beginnen und sich nach sechs Monaten wieder vorzustellen. Cortison wird bei Erkrankungen des Immunsystems häufig verabreicht.
Zu spät erkannt
Im August 2014 wurden G.s Beschwerden so schlimm, dass er das Klinikum in Hildburghausen aufsuchte, nahe seinem Wohnort. Dort wurde dann der Krebs diagnostiziert, aber eine Behandlung war nicht mehr möglich. G. erhielt lediglich Medikamente zur Schmerzlinderung. Im März 2015 erlag er der Krankheit.
Nun wurde seine Geschichte vor der Zivilkammer des Landgerichts Coburg wieder aufgerollt. Seine Witwe hatte auf Schmerzensgeld und Schadenersatz geklagt: Wäre der Krebs rechtzeitig diagnostiziert worden, hätte ihr Mann eine Überlebenschance gehabt, sagt sie.
Das bestätigte Gutachter Professor Robert Grützmann. Der Chefarzt der Chirurgie am Uniklinikum Erlangen hatte sein Gutachten im Auftrag der Kammer vor dem Verhandlungstermin fertiggestellt; es lag allen Beteiligten schriftlich vor. "Grobe Behandlungsfehler" wirft Grützmann dem Klinikum Lichtenfels vor. Für Juristen eine wichtige Feststellung: Wenn ein grober Behandlungsfehler vorliegt, kehrt sich die Beweislast um. Nicht die Witwe muss beweisen, dass ihr Mann noch leben könnte, sondern die Klinik muss beweisen, dass er auch bei korrekter Behandlung nicht überlebt hätte.