Eiserne Hochzeit Anton (86) und Anna (84) Hager haben eine ganz besondere Adresse in Kulmbach: Sie wohnen seit fast 25 Jahren im Bahnhof.
von unserer Mitarbeiterin Sonja Adam
Kulmbach — Dass Anna (84) und Anton (86) Hager eine besondere Beziehung zur Bahn haben müssen, liegt auf der Hand. Denn sie haben eine Wohnung im Kulmbacher Bahnhof und müssen tatsächlich durch den Haupteingang des Bahnhofs gehen, um in ihre knapp über 80 Quadratmeter große Wohnung im Obergeschoss des Bahnhofes zu gelangen.
"Aber dass wir im Bahnhof leben, ist doch klar. Mein Mann war schließlich bei der Bahn", lacht Anna Hager. "Jeder Bub träumt doch davon, Lokführer zu werden - ich auch", erzählt Anton Hager (86).
Allerdings hat das Leben für Anton und Anna Hager erst andere Wege vorgesehen. Anton Hager lernte in jungen Jahren nämlich eigentlich den Beruf des Schmieds. "Aber in diesem Beruf habe ich nie gearbeitet", sagt Anton und erzählt von der Vertreibung aus dem Sudetenland, von schlechten Zeiten.
"Aber wir beide haben uns schnell getroffen. Meine Frau saß damals mit meiner Schwester auf einer Wiese", erzählt Anton Hager. Und auf den ersten Blick hat es zwischen beiden gefunkt. Anna Hager war gelernte Schneiderin. Noch heute repariert und bessert sie gerne Sachen aus. "Ein bisschen etwas muss man ja tun", sagt Anna Hager bescheiden.
Arbeit bei der Deutschen Bahn "Ich hab eigentlich alles gemacht, vom Bauhilfsarbeiter bis zum Bergbau. Ich war in einem Steinkohlebergwerk im Rheinland", erzählt Anton Hager. Doch 1957 kam er seinem Lebenstraum dann schon ein bisschen näher.
Er wurde von der Deutschen Bundesbahn eingestellt, arbeitete sich bis zum Bundesbahnobersekretär empor und ist heute noch glücklich, dass er bei der Bahn sein durfte.
Anton Hager kennt noch die alten Dampflokomotiven, kann tolle Geschichten erzählen - von Lokführern, die mit weißen Handschuhen ihren Dienst verrichtet haben und als Respektpersonen mit "Sie" angesprochen worden sind.
Anton Hager erinnert sich an die Schwerstarbeit, die die Heizer verrichten mussten und an kleine Pannen. "Es hat sich einmal eine Treibstange gelöst und hat sich während der Fahrt in den Schotter gebohrt. Die konnte man nicht mehr einfach so wegbekommen", erzählt Hager. Wenn der Heizer zu wenig Dampf auf dem Kessel hatte, und die Bahn musste stehenbleiben, war der Teufel los, erinnert sich Hager noch haargenau.
Unverständnis für Streiks "Früher hat für uns bei der Bahn jede Sekunde gezählt, jetzt ist das nicht mehr so. Die Züge warten nicht mehr auf Anschlusszüge", sagt Hager.
Und für die Schlagzeilen, die die Bahn durch die vielen Streiks macht, hat er überhaupt nichts übrig.
"Ich war so viele Jahre bei der Bahn, aber einen Streik haben wir nicht gebraucht. Wir hätten ja auch gar nicht streiken dürfen, wir waren ja Beamte", erzählt Hager und gibt offen zu: "Die Bahn ist halt auch nicht mehr so, wie sie einmal war. Es waren schon schöne Zeiten bei der Bahn", erzählt Hager.
Nach Kulmbach kam das Ehepaar eigentlich erst durch die Tochter. "Sie ist der Liebe wegen nach Kulmbach gekommen", erzählt Anton Hager. Als dann 1986 im Kulmbacher Bahnhof die Wohnung frei wurde, hat sich das Ehepaar die Wohnung gleich gesichert. "Aber eingezogen sind wir erst 1991", sagt Hager. "Hier gehen wir nicht mehr weg", sagt Anton Hager.
Dass der Schwiegersohn und die Tochter in der alten Bahnmeisterei gleich nebenan wohnen, gefällt dem Ehepaar natürlich besonders.
Auch nach 65 Ehejahren ist die Liebe noch frisch wie eh und je. "Wir fahren nicht mehr so weg, aber wir sind gerne zusammen. Und wir wollen gesund bleiben", sagt Anna Hager.
Ihr Mann Anton hat ihr sogar eine eigene Alarmanlage gebaut. Mit einer Fernbedienung kann sie ein Radio, das im Nebenzimmer steht, auslösen. "Ich habe einen guten Schlaf. Aber das Radio höre ich", sagt Anton Hager. Er hat noch viele Eigen-Konstruktionen, die er in seinem Keller zusammengezimmert hat. Sogar sein erstes Autoradio, ein Riesenkasten, funktioniert noch. Es wird von einem Trafo angetrieben.
Gemeinsam möchten die Hagers noch viele Jahre verleben. "Bei uns hat's nie was gegeben. Wir leben noch nach dem Motto ,bis dass der Tod uns scheidet‘, sind sich Anna und Anton Hager wieder einmal einig.