Bewährungsstrafe für Faustschläge und Fußtritte

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"Es ist nur dem Glück zu verdanken, dass keiner tot ist", rief Richterin Ulrike Barausch nach der Urteilsverkündung dem 21-jährigen Hauptangeklagten ins Gewissen. In dem Schöffenprozess am Amtsgericht...

"Es ist nur dem Glück zu verdanken, dass keiner tot ist", rief Richterin Ulrike Barausch nach der Urteilsverkündung dem 21-jährigen Hauptangeklagten ins Gewissen. In dem Schöffenprozess am Amtsgericht ging es am Mittwoch um eine ausgesprochen brutale Tat, die im Vollrausch begangen wurde und laut Staatsanwalt Johannes Tränkle nahe am "vorsätzlichen Totschlag" lag.

Der Morgen des 19. August 2017 wird wohl allen Beteiligten des Vorfalls noch lange im Gedächtnis bleiben. Gegen 2 Uhr bemerkten in Burgkunstadt zwei Männer, wie der 21-Jährige und sein ein Jahr jüngerer Kumpel Verkehrsschilder umtraten. Dann fiel der verhängnisvolle Satz eines der Beobachter: "He, ihr Stricher, was soll das?" Wenig später lag der 40-jährige Rufer am Boden und wurde vom Burgkunstadter Hauptangeklagten mit Fußtritten bearbeitet.

Von über 30 Tritten sprach die Anklageschrift, ausgeführt gegen den rücklings am Boden liegenden Mann und wuchtig und gezielt geführt gegen das Gesicht, den Hinterkopf, das Gesäß, den gesamten Oberkörper und die Arme. Damit soll der alkoholisierte 21-Jährige erst aufgehört haben, als der Begleiter des Opfers aus einer nahen Gaststätte Hilfe holte. Zu dem Zeitpunkt hatte er den unter ihm Liegenden schon für mehrere Wochen Krankschreibung malträtiert.

Ruhig und gefasst saßen die Angeklagten neben ihren Verteidigern. Besonders der 21-Jährige vermittelte den Eindruck, ein ruhiger und besonnener Mann zu sein. Doch ein psychiatrisches Sachverständigengutachten bescheinigte ihm sehr wohl, unter Alkohol eine erhöhte Aggression zu besitzen. An jenem Morgen lag der Alkoholgehalt des Mannes bei rund 1,8 Promille. Das ließ auf gewohnheitsmäßiges Trinken schließen.

Enthemmt durch Alkohol

Überdies zeichnete das Gutachten von dem 21-Jährigen das Bild einer gehemmten, introvertierten Persönlichkeit, die durch Alkohol enthemmt würde. Eine psychische Krankheit hingegen sei nicht auszumachen, eine Abkehr vom Alkohol und eine ambulante Psychotherapie hingegen sinnvoll.

Umso mehr, als gegen den jungen Mann noch eine zweite Anklage verlesen wurde, die davon sprach, im März 2018 gegen 0 Uhr einem anderen jungen Mann in einer Altenkunstadter Gaststätte ohne rechtfertigenden Grund einen Faustschlag verpasst zu haben. Die Folge: blaues Auge, Kieferbandriss und Riss der Nasenwand. Wertete die Staatsanwaltschaft die erste Anklage als Vollrausch, so sah sie hier eine vorsätzliche Körperverletzung gegeben. Auch die, wie sich herausstellte, unter Alkoholeinfluss begangen.

Gespannt sein durfte man auf die Erinnerungen des 40-jährigen Opfers, das zusammengetreten wurde. Im Zeugenstand verblüffte der Lkw-Fahrer aber mit milden Worten für seinen Peiniger. "Ihr Stricher hätte ich nicht sagen müssen, sagt man ja normal net", so der Mann, der zum Tatzeitpunkt selbst 1,74 Promille intus hatte. Und er zeigte sich weiter nachsichtig: "Ich bin net ganz unschuldig (...) ich war auch mal jung." Dann plädierte er darauf, dass der Hauptangeklagte "net allzu hart bestraft wird".

Tatsächlich sah sich der Mann während seiner Zeugenaussage nicht in der reinen Opferrolle, denn immer wieder betonte er, dass auch er selbst der körperlichen Auseinandersetzung kampfbereit auf halbem Wege entgegenging. "Angriff ist die beste Verteidigung."

Weniger versöhnlich standen sich der Beschuldigte und das Opfer aus der Altenkunstadter Gaststätte gegenüber. Aus ihrer Abneigung machten sie trotz Entschuldigungen keinen Hehl. Als Grund für den Schlag gegen den Kopf des 30-Jährigen, zu dem es zeitweilig hieß, er sei mittels eines Bierkrugs ausgeführt worden, nannte der Angeklagte, dass dieser seine Freundin belästigt habe. Ein Umstand, den die in den Zeugenstand gerufene junge Frau so bestätigte.

Nach Sicht von Rechtsanwalt Jochen Kaller, der den Beschuldigten vertrat, sei der 30-Jährige "selbst auf Krawall gebürstet" und auf Provokation aus gewesen sein. Allerdings traf er dabei auf einen jungen Mann, der mal wieder getrunken hatte: diesmal 1,5 Promille.

Hohe Auflagen

Die Urteile selbst sollten nach halbstündiger Beratungspause fallen und wurden von den beiden Männern gefasst aufgenommen. Wegen Vollrausch und Körperverletzung erging an den 21-Jährigen eine 15-monatige Haftstrafe zur Bewährung. Allerdings mit geballten Auflagen. Ein sechsmonatiges soziales Engagement nebst 40 Arbeitsstunden wird der Mann zu bewältigen haben, überdies zwei Jahre lang unter Bewährungszeit stehen und sich vier Drogentests unterziehen. Auch erwarten ihn als Verurteilten vergleichsweise hohe Gerichtskosten.

Doch auch der Mitangeklagte, der zum Tatgeschehen rund 0,9 Promille intus hatte, wurde wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Seiner Einlassung, wonach er sich an der Misshandlung des Lkw-Fahrers so gar nicht beteiligt habe, schenkte das Gericht keinen Glauben. Auch für ihn stehen Drogentests an, zudem 30 Arbeitsstunden, ein Kurs für suchtfreie Lebensführung sowie eine sechsmonatige Teilnahme an sozialen Trainingsmaßnahmen.