Berechtigte Fragen aus der Bürgerschaft

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Karikatur: Christiane Pfohlmann
Karikatur: Christiane Pfohlmann
 

Ob sich You Xie wirklich aus Facebook zurückzieht, wie er es diese Woche angekündigt hat - als Konsequenz nach den Irritationen um s...

von unserem Redaktionsmitglied 
Michael Wehner

Ob sich You Xie wirklich aus Facebook zurückzieht, wie er es diese Woche angekündigt hat - als Konsequenz nach den Irritationen um seine umstrittenen schwulenfeindlichen Beiträge, möglicherweise auch als Zeichen der Selbstläuterung und einer gewissen Einkehr?
Einem wie ihm, der es in dem sozialen Netzwerk zu einiger Meisterschaft und weit über 4000 sogenannten Freunden gebracht hat, traut man einen solchen Schritt erst einmal nicht zu. Die Leichtigkeit der digitalen Selbstinszenierung, die sich hier anbietet, ist einfach zu verlockend, als dass sich ein auch auf Wirkung bedachter Mensch über Nacht von ihr lossagen könnte.
Andererseits hat der beliebte Bamberger Exilchinese nun auch die Schattenseiten seines riesigen Verteilers kennengelernt.

Das Netz vergisst nicht nur nicht, es kann auch ein erbarmungsloser Ankläger sein.
Doch hat You Xie deshalb Mitleid verdient, weil überraschte Bürger ihm nun unbequeme Fragen stellen und ihn damit konfrontieren, dass er in einem äußerst fragwürdigen Umfeld als Kolumnist tätig ist? Und um Zustimmung buhlt? Klare Antwort: Nein. Ein Bürgervertreter, ein sehr gut gewählter zumal, dessen Anhänger sicher nicht nur in der CSU zu Hause sind, muss Fragen aushalten. Er kann sich nicht darauf berufen, dass er eine Privatperson sei, dessen Meinungen zwar gepostet, aber nicht öffentlich hinterfragt werden dürfen. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Xie trägt in der immerhin noch stärksten politischen Kraft Bambergs zur Willensbildung bei und deshalb sind seine Aussagen in einem hohen Maße bedeutsam und natürlich auch kritikwürdig - positiv wie negativ.


Das widerspricht auch nicht dem Postulat der Meinungsfreiheit, wie einige argumentiert haben. Das Recht zur freien Meinungsäußerung schließt die kritische Auseinandersetzung mit gewählten Repräsentanten ausdrücklich ein. Es schützt Bürger vor daraus resultierenden möglichen staatlichen Repressionen. Es schützt aber nicht die Träger der Verantwortung vor dem Diskurs mit Andersdenkenden, vor der demokratischen Auseinandersetzung. Sie sollte ehrlich, auf der Basis von Respekt für andere Anschauungen und möglichst ohne Schaum vor dem Mund geführt werden.
Ob Facebook dafür die richtige Plattform ist, darf bezweifelt werden. Selbst in der kleinen Bamberger Szene kam es in der Vergangenheit immer wieder zu Entgleisungen. Und es wächst die Zahl derer, die sich deshalb aus dem Netzwerk fernhalten.