Bambergs menschliches Gesicht

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In der Wärmestube gibt es Gratis-Essen und – menschliche – Wärme.
In der Wärmestube gibt es Gratis-Essen und – menschliche – Wärme.
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Gründungsvater Norbert Engel gestaltete den Festakt in der Wärmestube auch musikalisch mit seiner Gitarre.
Gründungsvater Norbert Engel gestaltete den Festakt in der Wärmestube auch musikalisch mit seiner Gitarre.
 

Jubiläum  Vor 30 Jahren gründeten Ehrenamtliche das Bündnis „Mt 25 – Menschen in Not“. Daraus entwickelte sich der Treffpunkt für Obdachlose, Wohnungslose, Strafentlassene und von Armut Betroffene in der Siechenstraße.

Marion Krüger-Hundrup Bei den frostigen Temperaturen draußen wird die Wärmestube in der Siechenstraße 11 ihrem Namen vollauf gerecht. Durchgefrorene Menschen tauen buchstäblich darin wieder auf. Und doch: „Der Name Wärmestube kommt nicht von der Heizung, sondern von den Haupt- und Ehrenamtlichen, die den Gästen menschliche Wärme und Freundlichkeit schenken, sich für sie Zeit nehmen, ihren Sorgen zuhören, mit ihnen Karten spielen“, stellt Norbert Engel klar und erntet Beifall von der Festversammlung in eben dieser Wärmestube für Obdachlose, Wohnungslose, Strafentlassene und von Armut Betroffene. Norbert Engel steht stellvertretend für die derzeit 17 ehrenamtlichen Männer und Frauen am Rednerpult, ohne die diese ökumenische Einrichtung in Rechtsträgerschaft der Bamberger Wohlfahrtsverbände Caritas und Diakonisches Werk nicht so effektiv laufen würde.

Aus St. Martin heraus gegründet

Engel blickt zurück auf die nunmehr 30-jährige Geschichte von „Mt 25 – Menschen in Not“, die auf seine Initiative als damaliger Pfarrgemeinderat von St. Martin zurückgeht. Er regte einen Arbeitskreis an, der sich um die vielen Obdachlosen um St. Martin kümmern sollte. Mit den drei Gleichgesinnten Christiane Dederra, Thomas Hörner und Lisa Dietzel startete Gründungsvater Norbert Engel im März 1995 mit einem monatlichen Sonntagskaffee in einem kleinen Raum im Pfarrhaus von St. Martin, den der damalige Pfarrer Hans Hübner inklusive Startkapital für Essen und Trinken zur Verfügung gestellt hatte.

Weitere freiwillige Helfer und Helferinnen stoßen hinzu. Es entwickelt sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Bamberger Gefängnisseelsorger Hans Lyer und der Gemeinde der Baptisten – vertreten durch Rainer Popp – sowie der Diakonie und Caritas. Das Bündnis wird enger und sucht einen Namen, der die christlich motivierte Sozialarbeit widerspiegelt. Auf Anregung von Pfarrer Lyer einigt sich die Gruppe 1997 auf „Mt 25 – Menschen in Not“. „Das Matthäusevangelium ist das Fundament unserer Arbeit“, erklärt Norbert Engel und zitiert daraus Jesus: „Was ihr einem der geringsten meiner Schwestern und Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“

Die Ehrenamts-Initiative „Mt 25 – Menschen in Not“ – kurz MIN – arbeitet seit dieser Zeit als gleichberechtigter Partner in einem Kuratorium mit den Trägern Caritas und Diakonie zusammen. Im Juni 2016 schloss sich der Bayerische Landesverband für Gefangenenfürsorge und Bewährungshilfe e.V. dem Bündnis an. Erster hauptamtlicher Angestellter und Streetworker wird im Oktober 1998 Martin Weiß-Flache. Durch ihn kommen Einzelgespräche, Beratung und aufsuchende Sozialarbeit hinzu. Das Projekt MIN etabliert sich in Bamberg, Zuschüsse von Stadt, Staat und Kirche sowie Spenden nehmen zu. Die Zahl der Arbeitsfelder wächst wie die Zahl der Gäste: „Der Raum in St. Martin platzt aus allen Nähten“, so Norbert Engel.

In ehemaliger Bäckerei untergekommen

Auf einen Aufruf hin bietet Reinhold Gramß die Räume seiner ehemaligen Backstube in der Unteren Königstraße 30 an, die dann auch im März 2000 bezogen werden: als täglich geöffnete Wärmestube. Ein weiterer Umzug erfolgte 2003 in den jetzigen Treffpunkt in der Siechenstraße mit Zimmern im Haus für betreutes Wohnen. Nach den Sozialpädagoginnen Sandra Dötschel und Kathrin Giel übernimmt ab 2008 Sozialpädagoge Peter Klein die Leitung von MIN. Unter ihm wächst die Initiative für Menschen in Not weiter: Besuchten 2008 noch rund 13.000 Gäste die Wärmestube, sind es 2014 schon 17.000, ähnlich wie dann 2025. Täglich kommen rund 50, manchmal bis zu 85 Besucher. Damit ist die Kapazität der Wärmestube für die Grundversorgung, in der es montags bis freitags ein kostenloses Mittagessen gibt, voll ausgelastet.

Einrichtungsleiter Klein berichtet der Festversammlung von inzwischen ausdifferenzierten und vielfältigen Angeboten für Menschen in Not: „Für Menschen, die nirgendwo mehr einen Platz finden, die in anderen Einrichtungen und Institutionen Hausverbote haben, die oftmals psychische Auffälligkeiten zeigen.“ Peter Klein berichtet von der Beratungsstelle für Obdachlose und Strafentlassene mit steigendem Bedarf, vom Kooperationsprojekt „Übergangswohnen Plus“ mit der Stadt Bamberg und der Stadtbau GmbH, welches bisher 30 Personen einen dauerhaften Ausweg aus der Obdachlosigkeit ermöglicht hat. „Fast hundert Prozent aller Beteiligten haben einen unbefristeten Mietvertrag bekommen“, freut sich Peter Klein.

Vorausschauend verweist er auf das neue Frauenwohnprojekt „Rückzugsraum“, welches aktuell für 2026 in den Startlöchern steht. Allesamt Angebote für betroffene Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, Nationalität, ihrem Geschlecht oder den Ursachen ihres Hilfebedarfs. „Die Armut hat sich verschärft“, bündelt Klein die täglichen Herausforderungen an den Treffpunkt Menschen in Not.

Für das Kuratorium würdigt Caritas-Vertreter Peter Ehmann die Ehrenamtsinitiative Mt 25, die „aus der Mitte der Gesellschaft gekommen ist“. Heute sei das Projekt „das menschliche Gesicht der Stadt Bamberg“. Die Haupt- und Ehrenamtlichen wirkten vertrauensvoll zusammen, „was Stabilität ausmacht“, sagt Ehmann. Oberbürgermeister Andreas Starke überbringt den Dank an die Ehrenamtlichen und an Leiter Peter Klein im Namen seiner Bürgermeisterkollegen und des Stadtrates: „Wir sind froh und erleichtert, dass es diese Einrichtung gibt!“ Starke spricht von den vielen Weihnachtsfeiern für Bedürftige im „Immerhin“ in der Dr. von Schmitt-Straße, die er gern besucht habe und dies auch in diesem Jahr tun werde.

„Hut ab vor 30 Jahren!“

Einen emotionalen Doppelpunkt hinter den Festakt setzt Petra stellvertretend für die Menschen, für die der Treffpunkt existiert. Die Frau kämpft mit Tränen, als sie sich bei den Ehrenamtlichen bedankt, ohne die es die Wärmestube so nicht geben könnte. „Hut ab vor 30 Jahren!“, ruft Petra in die Stube und dankt „dem besten Leiter Peter Klein, er bleibt mein Stern!“

Zu guter Letzt gab es noch einen symbolischen Scheck über 500 Euro von sozial engagierten Frauen: Anna Scherbaum und Dorothea Hubert, Präsidentin und Vizepräsidentin vom Inner Wheel Club Bamberg, überreichten ihn Peter Klein für die laufenden Kosten. Der Treffpunkt „Menschen in Not“ ist zu 70 Prozent spendenfinanziert. Das heißt: Es müssen im Jahr 100.000 Euro aufgebracht werden.