Fürth: Klinikdirektor räumt mit Corona-Mythos in sozialen Medien auf
Autor: Daniel Krüger
Fürth, Mittwoch, 29. Dezember 2021
Der Pandemiebeauftragte und Fürther Klinikdirektor, Dr. Manfred Wagner, gibt im exklusiven Interview bei inFranken.de eine Einschätzung zur Gefährlichkeit von Omikron - und erklärt, was er von Söders Quarantäne-Plänen hält.
- Fürth: Klinikdirektor Manfred Wagner im Exklusivinterview zu Omikron und Corona-Mythen
- Inzidenzen werden "steil ansteigen": Pandemiebeauftragter gibt Prognose für Januar
- "Selbst bei weniger Krankenhauseinweisungen": So gefährlich ist die Omikron-Variante laut Wagner
- "Unsinn": Klinikdirektor widerspricht weit verbreitetem Mythos zu Corona und Personalnot
Der Pandemiebeauftragte des Klinikums Fürth, Dr. Manfred Wagner, ist in der Region und weit darüber hinaus, durch seine klaren Aussagen zur Corona-Lage in den Krankenhäusern bekannt geworden. In regelmäßigen Facebook-Videos rechnet er mit unseriösen Schlagzeilen ab, schießt gegen Impfgegner und benennt Missstände in der Politik. Im November war Wagner sogar bei "Maischberger" in der ARD zu Gast, um dort über die Situation in Fürth zu sprechen. Im exklusiven Interview mit inFranken.de erklärt der Arzt, wie gefährlich Omikron für den Einzelnen und die Versorgung in den Kliniken werden könnte - und räumt mit einem weit verbreiteten Mythos zu Corona und Pflegemangel auf.
"Wissen noch viel zu wenig": So schätzt der Fürther Klinikdirektor die Omikron-Gefahr ein
Herr Wagner, gibt es schon Omikron-Fälle unter Patienten oder beim Personal am Klinikum Fürth?
Wir untersuchen alle stationär aufgenommenen Patienten mit einem Corona-PCR-Test und alle positiven Fälle auch auf die Omikron-Variante, und hatten bisher einen Fall vor Weihnachten, allerdings war dieser nur ambulant. Was interessant ist: Derzeit hat der Postleitzahlenbereich 9 die deutschlandweit niedrigste Omikron-Rate mit unter zehn Prozent. In Schleswig-Holstein sind es schon über 50 Prozent aller untersuchten Corona-Fälle.
Sie stehen als Pandemiebeauftragter mit vielen medizinischen Einrichtungen im Kontakt. Was erwarten Sie anhand dieser Erfahrungen für unsere Region?
Eine seriöse Aussage ist aufgrund der bislang vorliegenden Daten und Studien noch nicht möglich. Was wir sehen ist, dass wir uns in Fürth etwa 12-14 Tage hinter dem deutschlandweiten Omikron-Anstieg befinden. Wir erwarten am 30. Dezember den niedrigsten Inzidenzwert des Winters und gehen davon aus, dass die Inzidenzen dann bis Mitte/Ende Januar steil ansteigen, auf über 500. Aber wie gesagt, da ist vieles noch mit vielen Fragezeichen belegt. Ich denke, der Verlauf der Ausbreitung wird dann – bis auf den zeitlichen Versatz - so sein wie in anderen Landesteilen.
Derzeit wird viel über die Gefährlichkeit von Omikron diskutiert. Wie schlimm ist die Variante wirklich?
Dazu gibt es ganz widersprüchliche Aussagen. Aus den USA kennen wir Daten von vermehrten Krankenhauseinweisungen von Kindern. Andere Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass die Hospitalisierungsrate etwa 25 Prozent niedriger ist als bei Delta. Ich gehe schon davon aus, dass Omikron bei Ungeimpften zu relevanten Krankenhauseinweisungen führt und weiterhin die Gefahr des schweren Verlaufs birgt. Für Geimpfte allerdings dürfte der Verlauf abgeschwächt sein. Wir wissen allerdings noch viel zu wenig über Omikron. Und selbst bei weniger Krankenhauseinweisungen ist es so, dass die Mutante durch hohe Inzidenzen zu einer merklichen Belastung für die Kliniken führen würde.
"Markt an Fachpersonal ist abgegrast": Klinikum Fürth will ungelernte Hilfskräfte auf Corona-Stationen einsetzen
Das Klinikum Fürth geht davon aus, dass durch Omikron die Personalnot noch größer wird und sucht jetzt sogar Helfer ohne medizinische Vorbildung. Wie soll das funktionieren?
Die Helfer sind in einer der letzten Eskalationsstufen gedacht. Derzeit verschieben wir nicht-dringliche Operationen und setzen das frei gewordene Personal in den Covid-sensitiven Bereichen ein. Tumoroperationen können wir aktuell noch zeitnah durchführen. Ein nächster Schritt wäre es, Personal aus administrativen Bereichen wie dem Controlling mit medizinischer Vorbildung zur Unterstützung einzusetzen.
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Wir gehen nicht davon aus, dass wir von außerhalb viele Helfer bekommen, die medizinische Vorbildung haben. Der Markt an medizinischem Fachpersonal ist abgegrast. Wenn die Personalnot größer wird, ginge es darum, Hilfsarbeiten zu verrichten wie beim Lagern zu helfen, Betten abzuziehen oder Dinge zuzureichen. Denn dann muss das medizinische Personal von all diesen Aufgaben entlastet werden, um sich voll auf die hoch spezialisierte Versorgung zu konzentrieren. Wir schulen ab Anfang Januar aber auch Helfer, um sie gut vorbereiten zu können.
Das heißt, Sie haben bereits Helfer und Sie gehen fest davon aus, dass die Corona-Lage durch Omikron „eskaliert“?
Es geht nicht um Spekulationen, sondern darum, möglichst viele Stellschrauben zur Verfügung zu haben. Ich halte nichts von Horrorszenarien, wir müssen aber flexibel bleiben, um auf alle Szenarien vorbereitet sein. Schon jetzt haben wir auf dem Flur auf der Corona-Intensivstation Personal, dass Dinge wie etwa Bettwäsche, Lagerungshilfen, eine Bettpfanne etc. zureicht, weil sich eine Schwester, die sich um Corona-Patienten kümmert, immer be- und entkleiden müsste, wenn sie den Bereich betritt oder verlässt. Es haben sich seit dem 27. Dezember bereits um die zehn Helfer gemeldet, die wir Anfang Januar schulen werden.