Jäger aus Franken rettet Rehkitz vor Mähdrescher - doch nächstes Jahr wird er es vielleicht erlegen
Autor: Diana Fuchs
Kitzingen, Freitag, 07. Juni 2019
Wie Jäger Timo Markert es miteinander vereinen kann, heuer Rehkitze vor dem Mähtod zu retten und sie nächstes Jahr vielleicht zu erlegen.
Der kleine rote Punkt, das ist das Rehkitz. Ich versuche, die Wärmebildkamera, durch die ich starre, mit den Händen zu fixieren, um ein unverwackeltes Bild zu bekommen. Neben dem kleinen Fleck ist ein größerer zu sehen. Jetzt bewegt er sich! "Das ist die Mutter, die Geiß", flüstert Timo Markert neben mir auf dem Hochsitz.
Es ist 4.45 Uhr. Am Horizont wird es langsam hell. Vor einer Stunde, als ich mit dem Kitzinger Jäger losgezogen bin, war die Nacht noch rabenschwarz. Jetzt zeichnen sich die Umrisse der Büsche und Bäume in der Nähe bereits ab. Vier Meter über dem Boden, mit dem Rücken an einen Baumstamm gelehnt, hat man einen Hang und zahlreiche Felder im Blick. Und die Geräusche der Nacht im Ohr: Vögel singen, ein sanfter Sommerwind haucht Äste an und streicht wie ein Riesenflügel über Getreidefelder. Im Unterholz rascheln Mäuse, Schafe blöken.
Still schauen wir in die Dämmerung. Da - eine schattenhafte Bewegung. Timo Markert nimmt das Gewehr in die Hand. Mein Herz schlägt schneller. Wird er schießen? Nein. Markert stellt die Büchse wieder neben sich ab. Ein Blick durch den Feldstecher zeigt, dass da keine Wildsau unterwegs ist und auch kein Fuchs. Wahrscheinlich war nur ein Kaninchen auf Tour.
Wenig später ein Stups mit dem Ellbogen, der Dachdeckermeister deutet nach Osten. Im Fernglas erkenne ich nicht viel - es ist noch zu düster - , aber durch die Wärmebildkamera zeichnen sich am gegenüberliegenden Hang eine Rehgeiß und ihr Junges ab. "Dieses Kitz haben wir gerettet. Dort drüben lag es drin", sagt der 41-Jährige leise und zeigt auf eine frisch gemähte Wiese nebenan.
Am Abend vor Christ Himmelfahrt hatte der Bauer, dem die Wiese gehört, bei den Markerts angerufen und mitgeteilt, dass wetterbedingt am nächsten Tag gemäht werden müsse. "Also haben wir zu dritt aufgemacht und mit zwei Vorstehhunden drei Felder abgesucht. Erst um Mitternacht ging's heim." Am nächsten Früh ab 5 Uhr dasselbe Spiel: Weitere drei Ackerflächen waren abzusuchen - diesmal halfen Timo Markerts Frau Nina und die drei Kinder dabei, das Grün in Schlangenlinien zu durchkämmen und Rehkitze, die geduckt im Gras liegen, sanft an den Rand des Ackers zu legen. "Wir fassen sie nicht direkt an, sondern wickeln Gras um unsere Hände, damit die Jungtiere keinen menschlichen Geruch annehmen. Später fiepen die Kleinen, so dass die Mütter sie wieder finden."
Vielfacher "Kindstod"
Bis Ende Juli kommen allein in Franken jährlich hunderte von Rehkitzen und bodenbrütenden Vögeln durch die Mahd zu Tode oder werden durchs Schneidwerk verstümmelt, auch junge Igel, Füchse und Hasen sind in Gefahr. Denn die Ernte fällt mit der Brut- und Setzzeit zusammen. Um den "Kindstod" auf dem Feld verhindern, sind Landwirte grundsätzlich verpflichtet, Wildtieren die Flucht zu ermöglichen. Das kann mit Hilfe bestimmter Mähzeiten und -verfahren, mit Wildscheuchen und akustischen Warnlauten am Mähwerk geschehen - oder indem man die Fläche vor dem Mähen begeht. "Es braucht halt es einen guten Draht zwischen Landwirt und Jagdpächter. Wenn wir informiert werden, suchen wir gerne ab", spricht Markert auch für seine Jägerkollegen.