Baby-Igel müssen immer öfter sterben - Helfer aus Franken brauchen jetzt selbst Hilfe
Autor: Diana Fuchs
Würzburg, Mittwoch, 24. Juli 2019
Immer mehr Igel verenden jämmerlich. Sie werden von der Mutter verlassen, weil diese nicht ausreichend Nahrung finden. In Unterfranken rettet die Familie Martin die kleinen Babys. Aber auch sie haben es immer schwerer - und brauchen jetzt Hilfe.
Frisches Wasser und ein bisschen Katzenfutter hätten ihn gerettet. Doch jetzt ist es zu spät. Gudrun Martin beißt sich auf die Lippen. Sie schüttelt den Kopf. "Er ist tot", sagt sie, ebenso enttäuscht wie der Mann, der ihr den kleinen Igel gerade gebracht hat. Er hat ihn am Straßenrand liegend gefunden. "Ich hab' gedacht, vielleicht schafft er es, wenn ich ihn hierher fahre", murmelt der Mann. Er sieht selbst, wie unterernährt das Stacheltierchen ist. "Er hat nichts zu fressen gefunden. Weil es nichts gibt!", sagt Gudrun Martin. "Die Trockenheit in Verbindung mit dem eklatanten Schwund an Insekten, Käfern, Würmern und Schnecken ist verheerend."
Über 80 Prozent der Igel haben es nicht geschafft
55 Igel hat man ihr und ihrem Mann heuer schon als Notfälle in die Auffangstation nach Gerbrunn bei Würzburg gebracht. "45 davon sind schlicht und einfach verhungert. In den 29 Jahren, in denen wir die Auffangstation betreiben, haben wir so etwas nicht ansatzweise erleben müssen." Und jeden Tag kommen noch mehr kranke, oft todgeweihte Tiere, manche bereits von Maden befallen und von Fliegeneiern bedeckt. In diesen Fällen kann man die Igel nur noch vom Leiden erlösen. Jeder kann etwas tun, dass es den Igeln besser geht. Und sie sich bald auf ihren Winterschlaf vorbereiten können.
"In normalen Jahren konnten wir immer 75 bis 80 Prozent der Tiere retten, die uns gebracht wurden", berichtet Gudrun Martin. Dann kam das Trockenjahr 2018 - und mit ihm eine Sterberate von fast 50 Prozent. "Schon letztes Jahr fanden die Igel oft weder Wasser noch Insekten. Knapp die Hälfte der Notfälle war so geschwächt, dass wir sie nicht durchgebracht haben." Und nun droht der Sommer 2019 noch schrecklicher zu werden - zahlreiche Anrufe jeden Tag und die große Zahl abgegebener kranker Tiere lassen das erahnen. "Wir haben Angst", sagt Gudrun Martin.
Bauch und Schließmuskel müssen massierte werden
Denn jetzt, Mitte Juli, beginnt bei den Igeln die Setzzeit. "Wenn die Weibchen ihre Jungen bekommen, ist ein gutes Nahrungsangebot erst recht lebensnotwendig. Finden die Tiere nichts zu fressen, verlassen sie auf der Suche nach Nahrung ihre Brut. Und die stirbt dann." Einige Igelbabys werden von Menschen gefunden und in eine Auffangstation gebracht, wo Menschen wie die Martins sie tags wie nachts immer wieder mit einer Pipette füttern, ihnen Bauch und Schließmuskel massieren, damit sie lernen zu koten, sie hegen und pflegen.
Gudrun und Herbert Martin tun das seit drei Jahrzehnten mit viel Liebe, aber heuer graut es ihnen vor einer besonders schweren Zeit: "Wie sollen wir das zu zweit schaffen, wenn immer mehr Waisenkinder kommen?" Zudem hat Gudrun Martin erst kürzlich eine schwere OP hinter sich gebracht und ist noch nicht wirklich fit.
Doch wer Igelbabys retten will, muss sie alle zwei Stunden füttern und pflegen. "Wir brauchen ganz, ganz dringend liebe Menschen, die uns helfen, die Babys großzuziehen", sagt Herbert Martin. Ideal wären Menschen, die Zeit haben, Rentner etwa.