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Ärztemangel: Besonders große Gefahr für drei fränkische Kreise


Autor: Robert Wagner

Franken, Donnerstag, 18. Juli 2024

Die Prognose ist dramatisch: Der Ärztemangel soll sich weiter verschärfen. Deutschlandweit steht Franken besonders schlecht da: Drei fränkische Landkreise sind in einem Aspekt bundesweit die Schlusslichter.
Gerade auf dem Land wird die medizinische Versorgung immer problematischer. Gerade in Franken ist die Lage schlecht - hier gibt es besonders viele alte Ärzte, die kurz vor dem Ruhestand stehen.


Es war ein Schock für die Gemeinde Oberhaid (Landkreis Bamberg): Über Ostern war der letzte verbliebene Hausarzt, Dr. med. Christoph Saring, im Ort überraschend gestorben. Es sei der "letzte verbliebene Anlaufpunkt für allgemeinärztliche Versorgung in der Gemeinde" gewesen, so Bürgermeister Carsten Joneitis (SPD). Eigentlich hatte Joneitis seit Jahren versucht, wieder eine zweite Hausarztpraxis im Ort zu etablieren - vergeblich, wie unsere Kollegen vom Fränkischen Tag berichten (Plus)

Nun hat sich die Versorgungslage nochmals verschlechtert und zahlreiche Patienten müssen hoffen, in umliegenden Praxen unterzukommen. Längere Fahrtwege und Wartezeiten inklusive. Oberhaid steht damit beispielhaft für eine Entwicklung, die vielen Regionen Deutschlands und insbesondere auch in Franken droht. Vor einem "Praxiskollaps" und einem Zusammenbruch vor allem der ländlichen Bevölkerung warnen Ärzteverbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen seit Jahren. 

Kaum Hausärzte auf dem Land: Versorgung könnte noch schlechter werden

Oberhaid steht dabei laut Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns (KVB) gar nicht mal so schlecht dar: Bei immerhin 91,10% soll der Versorgungsgrad in der Region Hallstadt liegen, zu der auch Oberhaid gehört. Allerdings eben vor dem überraschenden Tod von Dr. Saring. Damit liegt das Gebiet Hallstadt im regionalen Vergleich im Mittelfeld. 

Mit 55,7 Jahren sind die hier ansässigen Hausärzte auch nur minimal älter, als im bayerischen Durchschnitt (55 Jahre). Schlusslicht in dieser Statistik ist der Kreis Hof. Mit 57,7 Jahren sind die niedergelassenen Vertragsärzte in dem oberfränkischen Landkreis die ältesten in ganz Deutschland. Als Vertragsärzte zählen dabei nicht nur Hausärzte, sondern auch Fachärzte, die gesetzlich Krankenversicherte ambulant behandeln dürfen. 

Der Blick auf die Altersverteilung macht dabei klar, welch große Herausforderungen Franken in den kommenden Jahren bevorstehen: Ein großer Teil der ansässigen Ärzte wird in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Im Kreis Hof war im vergangenen Jahr fast ein Drittel (31,5 Prozent) der Ärzte bereits über 65 Jahre alt. Auch hier nimmt Hof damit eine traurige Spitzenposition in Deutschland ein. 

Deutschlands Landkreise mit den ältesten Ärzten liegen alle in Franken

Doch Hof ist nicht allein: Von den 401 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland, liegen die drei Kreise mit dem höchsten Anteil über 65-jähriger Ärzte alle in Franken. Neben Hof (Kreis) sind dies noch die Kreise Rhön-Grabfeld (25,2%) und Kronach (23,9%). Mit Bad Kissingen (22,6%) und Ansbach (Stadt, 21,8%) sind zwei weitere fränkische Kreise in den "Top 10" Deutschlands zu finden. 

Der Blick auf die Karte zeigt zudem, dass vor allem der ländliche Raum schon jetzt unterversorgt ist. Im Landkreis Ansbach kommen statistisch auf 100.000 Einwohner 54 Hausärzte. Anders ausgedrückt: Jeder Hausarzt muss rund 1850 Patienten versorgen. Auch in den Kreisen Schweinfurt, Bamberg, Coburg, Bayreuth und Wunsiedel sieht es kaum besser aus. 

In den Städten hingegen ist die Lage auf den ersten Blick entspannter. In Würzburg kommen statistisch sogar 96 Hausärzte auf 100.000 Einwohner bzw. muss ein Hausarzt statistisch gesehen "nur" knapp 1040 Patienten versorgen. 

Bald fast die Hälfte der Landkreise unterversorgt?

Die Gründe für die besorgniserregende Lage in Franken und ganz Deutschland sind vielschichtig. Warnungen gibt es laut "Bundesverband Verrechnungsstellen Gesundheit" seit Jahren. So sei laut der Interessensvertretung eine Studie im Jahr 2021 zu dem Schluss gekommen, dass bis zum Jahr 2035 rund 40 Prozent aller Landkreise ambulant unterversorgt oder von Unterversorgung bedroht sein werden. 

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In vielen Bereichen auf dem Land und in ärmeren Stadtteilen werde es künftig nicht möglich sein, einen Hausarzt zu finden, hatte auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach im März gewarnt. Der SPD-Politiker will unter anderem die Vergütungs-Obergrenzen (Budgets) abschaffen, die die Arbeit der Hausärzte laut Kritik der Ärztevertretungen unrentabel machten. Außerdem sollen in Regionen mit vielen sozial benachteiligten Menschen Gesundheitskioske als leicht zugängliche Beratungsstellen für Behandlung und Prävention entstehen.

Ob dies jedoch etwas an der Lage im ländlichen Raum ändern würde, bleibt zweifelhaft. Denn neben harten ökonomischen Überlegungen stehen oft auch "softe" Faktoren einer Ansiedlung im ländlichen Raum im Weg. Laut KBV-Vize Stephan Hofmeister sei es mit den derzeit schlechten Rahmenbedingungen schwierig, junge Kolleginnen und Kollegen zu gewinnen. Dazu zählten überbordende Bürokratie und nicht funktionierende Digitalisierung.

Lauterbach hatte deshalb zuletzt für schnelle Reformen geworben - und war dabei auch bereit, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Schließlich müsse man jetzt handeln: "Wenn wir in ein paar Jahren keine Hausärzte mehr haben, dann sinken die Kosten", sagte Lauterbach. Das durch eine Unterversorgung zu erreichen, könne aber nicht im Sinne der Bürger sein. Dies können die Bürger und Bürgerinnen nicht nur in Oberhaid sicher unterschreiben. rowa/mit dpa