Nicht jeder gehandicapte Mensch hat einen Arbeitsplatz wie Beate H., die als Buchhalterin tätig ist. Dabei gibt es 569 Pflichtarbeitsplätze für Schwerbehinderte im Landkreis Forchheim. Nur 485 sind allerdings besetzt. Warum?
Die 60-Jährige Beate H. hat Bankkauffrau gelernt. Heute arbeitet sie als Buchhalterin bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Das sieht nach einem geradlinigen beruflichen Lebensweg aus. Doch so einfach war ihre Karriere nicht, denn seit 1987 ist Beate H. schwerbehindert.
Als Mutter von zwei Kleinkindern hatte sie sich eine Arbeit gesucht, die sie ausführen konnte, wenn ihr Ehemann die Kinder betreute. Sie fuhr deshalb Taxi. Bis sie in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt wurde. "Die Feuerwehr musste mich aus dem Taxi rausschneiden", erzählt sie. Mit vielen schweren Verletzungen wurde sie in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht.
"Mein linkes Bein war nur noch Matsch", beschreibt Beate H. die Verletzungen. "Dazu ein gebrochener rechter Fuß und diverse Rippenbrüche." Nahezu vier Jahre musste sie immer wieder in Kliniken, in Forchheim, in Erlangen und zuletzt in der Unfallklinik Murnau.
Die Hüfte war so kaputt, dass ihr 1999 eine künstliche Hüfte eingesetzt werden musste. Geblieben ist zudem eine Beinverkürzung von zehn Zentimetern.
Der Weg zurück ins Leben "Ein Jahr lang lag ich nur unbeweglich", berichtet Beate H. weiter. In Murnau erhielt sie orthopädische Schuhe und lernte an Krücken wieder zu laufen. Ihr wurde ein Behinderungsgrad von 60 Prozent attestiert.
Der Verein für Unfallopfer (Sitz in Kempten) half ihr, ihre Rechte durchzusetzen - auch gegen den Schädiger. Und bahnte ihr den Weg zurück ins Arbeitsleben. Am schlimmsten war für Beate H. die Phase, als ihr kein Krankengeld mehr gezahlt werden sollte und sie von Sozialhilfe hätte leben sollen.
Der Verein verhalf ihr zu einer Umschulung durch das BFZ. In einem dreijährigen Kurs wurde sie zur Finanzbuchhalterin ausgebildet. Und fand danach eine Stelle.
Bei der Firma Schmetterlingreisen in Geschwand. Wegen des weiten Weges allerdings wechselte sie fünf Jahre später nach Forchheim.
"Arbeiten können, arbeiten dürfen - das ist ein Stück Lebensqualität", betont Beate H. Ihre Aussage würde eine ganze Reihe von Menschen in ähnlicher Lage unterschreiben. Trotzdem ist im Landkreis Forchheim die Schwerbehindertenquote nur zu 4,3 Prozent erfüllt.
Branchen unterscheiden sich Das ist ein Durchschnittswert. Tatsächlich sind die Quoten recht unterschiedlich verteilt, erläuterte Hermann Zeis, Pressesprecher bei der Agentur für Arbeit. "Die öffentlichen Arbeitgeber haben 61 Pflichtplätze, haben aber 95 schwerbehinderte Mitarbeiter. Ihre Quote liegt bei 7,3 Prozent." Dagegen gebe es im Baugewerbe und im Handwerk aufgrund der Firmengrößen überhaupt keine Pflichtplätze.
In den Branchen Textil, Bekleidung und Leder seien es zehn Pflichtplätze, von denen allerdings nur die Hälfte besetzt sei.
"Menschen mit Behinderungen sind Fachkräfte ohne Wenn und Aber", betont Michael Waasner, der Vorsitzende des Industrie- und Handelsgremiums Forchheim (IHG), gleichzeitig Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Oberfranken (IHK). Er sieht aber auch die Probleme: "Viele Unternehmen, gerade in der Industrie, tun sich aber trotzdem oft schwer, sie in ihre Produktionsprozesse einzubinden, etwa aufgrund beengter räumlicher Verhältnisse. Oft fehlt - gerade in kleineren Unternehmen - die Zeit, sich im Alltagsgeschäft mit dieser Thematik intensiv und konstruktiv auseinanderzusetzen."
Solche Lösungen versucht Wolfgang Badura zu finden. Dem Leiter der Lebenshilfewerkstatt Forchheim untersteht auch die Firma Integra. Sie vermittelt Arbeitsplätze auf dem freien Markt.
"Integra ist ein Sprungbrett", sagt er. Denn zuerst hat der Arbeitnehmer einen Vertrag mit ihr; Integra übernimmt gewissermaßen die Risiken für den eigentlichen Arbeitgeber.
Lebenshilfe-Gruppe bei Piasten Als Beispiele nennt Badura einen Gärtner beim Landratsamt oder einen Maschinenbauer, der eine Hirnblutung erlitt und nach Therapie-Erfolgen langsam in einen Arbeitsplatz hineinwächst. Waasner nennt die Außenarbeitsgruppe der Lebenshilfe bei Piasten. 25 schwerbehinderte Personen verpacken hier die Produkte.
"Es findet ein Umdenken statt: Noch nie haben so viele Menschen mit anerkannten Schwerbehinderungen in deutschen Unternehmen gearbeitet wie heute. Ich bin mir sicher, vor dem Hintergrund der steigenden Fachkräftelücke wird sich hier in den kommenden zehn Jahren viel bewegen", ist sich Waasner sicher.
Andere Form der Kompensation Die Firmen, die nicht alle Pflichtplätze besetzen, sind für Badura keineswegs "böse Buben". Er erinnert daran, dass zum Beispiel die Lebenshilfe-Schreinerei viele Aufträge erhält, die "eine Kompensation der Abgabe" für nicht besetzte Schwerbehinderten-Arbeitsplätze sind. "Auch sie geben Behinderten Arbeit, auch wenn in der Statistik der Platz als unbesetzt erscheint."
Daran erinnert auch Waasner die Firmen und empfiehlt die Lebenshilfe als Partner: "Ich erinnere aber auch daran, dass Unternehmen mit 20 und mehr Beschäftigten, die eine Ausgleichsabgabe entrichten, bei Erteilung von Aufträgen an Werkstätten für behinderte Menschen 50 Prozent der Arbeitskosten auf die Abgabe anrechnen können."