Trauern im sozialen Netz

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Die Kerzen leuchten zwischen zahlreichen Blumen zur Erinnerung an den 19-Jährigen, der in der Silvesternacht bei einem Verkehrsunfall hier in Forchheim auf der Theodor-Heuss-Allee tödlich verunglückte. Foto: Nikolas Pelke
Die Kerzen leuchten zwischen zahlreichen Blumen zur Erinnerung an den 19-Jährigen, der in der Silvesternacht bei einem Verkehrsunfall hier in Forchheim auf der Theodor-Heuss-Allee tödlich verunglückte. Foto: Nikolas Pelke
Florian L. Mayer von der Uni Bamberg sagt: Die Qualität von Öffentlichkeit hat sich durch das Internet schon extrem gewandelt.
Florian L. Mayer von der Uni Bamberg sagt: Die Qualität von Öffentlichkeit hat sich durch das Internet schon extrem gewandelt.
 
Engagiert sich im Trauernetz Consolare: Cornelia von und zu Aufseß.
Engagiert sich im Trauernetz Consolare: Cornelia von und zu Aufseß.
 

Nach dem Unfalltod des 19-Jährigen in der Silversternacht diskutiert die Community, ob Beileidsbekundungen auch auf Facebook angemessen sind. Wir haben dazu mit Experten gesprochen.

Ein junger Mensch stirbt. Nicht die Welt, aber eine ganze Region schaut zu und ist schockiert vom tödlichen Unfall des 19-Jährigen in der Silvesternacht. Eine Boulevard-Zeitung verkündet:"Franken Rapper ist der erste Tote 2013!" Auch die seriöse Tageszeitung bringt die schockierende Nachricht. Natürlich nicht reißerisch. Im Internet drücken viele junge Menschen ihre Anteilnahme und Trauer aus.

Der Fränkische Tag Forchheim schreibt im sozialen Netzwerk Facebook: "Forchheim ist noch immer geschockt vom tödlichen Verkehrsunfall kurz nach dem Jahreswechsel. Uns in der Redaktion geht es nicht anders. Mit unseren Gedanken sind wir vor allem bei den Angehörigen des verstorbenen 19-Jährigen." Viele Facebook-Freunde des Fränkischen Tags diskutieren, wie pietätvoll das Internet im Trauerfall ist.


Der Verschränkung der Welt
"Die Qualität von Öffentlichkeit hat sich durch das Internet schon extrem gewandelt", sagt Florian L. Mayer von der Universität Bamberg. Der Wissenschaftler untersucht seit Jahren, wie Menschen im Internet kommunizieren. Eine Unterscheidung zwischen realen und virtuellen Räumen sei heute kaum möglich und führe vielmehr in die Irre, sagt der Kommunikationsexperte. "Das sind keine zwei verschiedenen Sachen mehr."

Mayer erklärt dies anhand eines einfachen Beispiels: "Wenn man ein paar hunderte Freunde bei Facebook hat, dann sind das nicht alle ,beste Freunde'. Aber die meisten dieser Freunde - 70 bis 80 Prozent - kennt man auch wirklich." Das sei wie beim guten alten Adressbuch. "Dort stand auch der Mechaniker drin, obwohl man den nicht persönlich kannte."


Der Online-Stammtisch merkt sich jedes Wort
Diese neue Öffentlichkeit im Internet vergleicht Mayer mit einem Stammtisch. Mit einem gravierenden Unterschied: Das Stammtisch-Gerede ist schnell vergessen. Das Internet vergisst nicht so schnell. Das hat auch Auswirkungen auf die Privatsphäre. "Über mich persönlich gibt es viele Informationen im Internet. Auch private Fotos! Aber diese Informationen sind nicht für alle gedacht."

Mayer erwartet deswegen auch Höflichkeitsregeln im World Wide Web: Spielregeln der digitalen Privatsphäre. "Wenn ich in Badehose an den Strand gehe, erwartet man doch auch, dass niemand einen auslacht und fotografiert." Spielregeln für den Strandurlaub eben. Ein bisschen müsse das Netz den Holländern nacheifern, die nicht durch die großen Fenster in die Häuser ihrer Nachbarn spähen.

Solche Spielregeln im Cyberspace sind allerdings neu und wenig eingeübt, und noch weit davon entfernt, wie die Zehn Gebote in Stein gemeißelt zu werden. Mit ganz realer Trauerarbeit beschäftigt sich Cornelia von und zu Aufseß und engagiert sich im Trauernetzwerk Consolare. "Die Trauer kommt bestimmt", sagt sie.

Nur das Wann und Wie sei bei jedem mitfühlenden Menschen unterschiedlich. Oft habe Cornelia von und zu Aufseß erlebt, dass der Schockzustand bei Trauernden ein halbes Jahr gedauert habe. "Man muss lernen zu begreifen: Dieser Mensch ist nicht mehr da." Dabei sei es ganz gleich, ob die Menschen jung oder alt gestorben sind.

Besonders tragisch sei es freilich, wenn der Tod aus heiterem Himmel eintritt. Das Unerwartete sei ganz problematisch. Ein zweischneidiges Schwert zudem, wenn die Öffentlichkeit - angemessen oder nicht - großen Anteil nimmt. "Im Trauerfall scheiden sich oft die Geister", hat Cornelia von und zu Aufseß schon oft erlebt. Wer hilft, wer ist da, wer unterstützt in der harten Trauerarbeit. Eine Frage bleibe oft dennoch: "Wie kann Gott das zulassen?"

Darauf weiß selbst Johannes Waedt nicht immer eine Antwort. Der evangelische Pfarrer aus Unterleinleiter antwortet mit dem Worten des Herrn: "Jesus sagt in der Bergpredigt bei Matthäus: ,Alles, was ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch!'" Diese Worte Gottes gelten wohl in beiden Welten: im digitalen Netz genauso wie in der realen Welt.

Diskutieren Sie mit!

Sollte der Tod auf Facebook tabu sein? Oder helfen die vielen Freunde beim Trauern? Am Freitag von 15 bis 17 Uhr können Sie auf unserer Facebook-Seite diskutieren.