Karl der Große ist die zentrale Gestalt beim historischen Festzug im Juli. Die Schneiderinnen Helga und Heike Baumann aus Pettensiedel nehmen gerade Maß für den Herrscher. Aber auch die Frauen im Festzug werden neu gewandet.
Wenn Karl der Große am 25. Juli durch Forchheim reitet, wird er Kleider tragen, die ihm Helga und Heike Baumann auf den Leib geschneidert haben: graue Hose, bordeauxrotes Unterkleid aus Brokatstoff, orangefarbener Mantel.
"Ich hab in vielen Broschüren geblättert, jedes Mal hat er was anderes an", erzählt die 74-jährige Schneidermeisterin aus Pettensiedel. Der Heimatverein Forchheim hat sie beauftragt, neue Kostüme für den Annafestzug zu schneidern.
Im Januar 2014 machte sich Helga Baumann auf die wochenlange Suche nach passenden Stoffen - begleitet von ihrer Tochter Heike. Die 48-Jährige ist ebenfalls gelernte Schneiderin. "Aber ich bin eher die Schnitt-Technikerin."
Um der Ausstaffierung der edlen Damen im Fest-Zug gerecht zu werden, hat Heike Baumann ihre historischen Schnitt-Bücher gewälzt. Und hat mit ihrer Mutter die zerschlissenen Festzug-Kleider aus dem Fundus geholt und verwendbare Teile abgetrennt. "Die alten Borden gibt es heute nicht mehr", bedauert Helga Baumann.
Karls Knochen als Maßstab Drei Kleider sind fertig. Vier müssen noch genäht, mit Spitzen und Rüschen besetzt, mit Haken und Ösen versehen werden. Auf dem Zuschneide-Tisch in Helga Baumanns Werkstatt liegen jetzt sämtliche Teile für Karls Gewand bereit. Den Stoff für die Bordüre und das auf Tüll genähte Perlen-Ornament Karls hat die Schneidermeisterin in einem afrikanischen Stoff-Laden aufgespürt, als sie vor einigen Monaten ihren Sohn an der Elfenbeinküste besuchte.
Die beiden Schneiderinnen haben sich einige Gedanken gemacht über die Figur des Kaisers. Einen entscheidenden Hinweis gibt Dieter George, der Kulturbeauftragte der Stadt Forchheim, der als Vorsitzender des Heimatvereins den Großen Annafestzug organisiert: "Es gibt einen Oberschenkelknochen von Karl dem Großen, der liegt in Aachen", erzählt George. Der Knochen lasse ziemlich präzise Rückschlüsse auf des Kaisers Körpergröße zu: Der sei "nicht nur politisch groß gewesen"; sondern war mit etwa 1,80 Meter "für die damalige Zeit eine ganz schöne Latte", meint Dieter George. Zwar stehe der Karl-Darsteller für den Festzug noch nicht fest. Doch der Kulturbeauftragte verspricht: "Wir werden einen Herren in diesem Zuschnitt finden."
60 Arbeitsstunden pro Kostüm Noch bis Juli ist für Helga und Heike Baumann Zeit, um zu messen, abzustecken, zuzuschneiden, zu nähen und zu unterfüttern. An einem Kostüm hängen 60 Stunden Arbeit. "Die Suche nach dem Stoff nicht eingerechnet", betont Heike Baumann.
Erst eine Woche vor dem Festzug wird sich zeigen, wie die Kleider sitzen. Dann nämlich lädt Walburga Heger, die beim Heimatverein den Fundus verwaltet, zum Einkleide-Termin. Helga Baumann sagt, dass sie heuer erstmals einen Großen Festzug sehen wird.
Für ihre Tochter, die in Forchheim zur Schule ging, ist diese Veranstaltung zwar nichts Neues; aber auch sie hat am 25. Juli eine Premiere vor sich: "Ich will auf alle Fälle im Festzug mitlaufen."