Obertrubachs Retter ist gegangen

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Michel Guilguè wie ihn die Obertrubacher in Erinnerung behalten werden. Fotos: privat
Michel Guilguè wie ihn die Obertrubacher in Erinnerung behalten werden. Fotos: privat
 
 
 

Am Ende des Zweiten Weltkrieges hat Michel Guilguè die Gemeinde vor einem amerikanischen Vergeltungsschlag bewahrt. Jetzt ist der französische Pfarrer im Alter von 92 Jahren gestorben. Eine Delegation nahm an der Beerdigung teil.

Die Nachricht vom Ableben ihres 92-jährigen Ehrenbürgers, des Pfarrers Michel Guilguè, erreichte die Gemeinde Obertrubach vor wenigen Tagen. Bürgermeister Markus Grüner (CSU) organisierte spontan eine achtköpfige Delegation, die dem Verstorbenen jetzt in Frankreich die letzte Ehre erwies. Die Beerdigung fand in seiner Heimat Bracieux im Loiretal statt.

Michel, wie ihn alle seine Freunde nannten, hat in Obertrubach eine denkwürdige Geschichte geschrieben. Als Zwangsarbeiter musste der damalige Theologiestudent von 1943 bis 1945 in Nürnberg arbeiten. In den letzten Wochen des Krieges fand er mit seinem Freund Jean Vannier Unterschlupf und Schutz im Pfarrhaus von Obertrubach. Als die Amerikaner bei gehievter weißer Fahne in den Ort einfuhren, erschoss ein einzelner SA-Mann aus einem Kuhstall heraus einen amerikanischen Offizier und flüchtete.


Dem beherzten Verhandlungsgeschick von Michel und seinem Freund war es zu verdanken, dass es keine fatale Strafaktion der Amerikaner gegen Obertrubach gegeben hat. Er galt in der damaligen Situation als glaubwürdig. Michel ging zurück in seine Heimat, doch der Kontakt nach Obertrubach riss nie mehr ab.

Freundschaft überwindet Grenzen

Oft bezeichnete der Franzose das Trubachtal als seine zweite Heimat. Daraus wurde ein Symbol gelebter deutsch-französischer Freundschaft - im kleinen Rahmen, aber intensiv. Die Jugendgruppe und die Kirchengemeinde statteten Michel in seiner Heimat Besuche ab.

Pfarrer Werner Wolf denkt gerne an die abwechslungsreiche Zeit zurück: "Bei jedem runden Geburtstag und Priesterjubiläum nahmen wir in Frankreich daran teil. 28 Jahre war er in meiner Amtszeit jedes Jahr im August meine Urlaubsvertretung und erfüllte treu seine Pflicht."

Bis zu seinem 90. Lebensjahr setzte sich Michel jedes Jahr an das Steuer seines Pkw, um die 1000 Kilometer nach Obertrubach zu fahren. "Wir haben uns seit dem ersten Tag geschätzt und begegneten uns all die Jahre in brüderlicher Verbundenheit", würdigt Wolf das Wirken seines Freundes.

Im Kleinbus nach Frankreich

So war es für die Verantwortlichen von Obertrubach eine Selbstverständlichkeit, bei der traurigen Kunde sofort eine kleine Delegation zusammenzustellen mit Personen, die Michel besonders nahe standen. Bürgermeister Markus Grüner saß ebenso im Kleinbus wie sein Vorgänger Willi Müller. Seitens der Kirchengemeinde nahmen Markus Habermann, Pfarrgemeinderatsvorsitzender Josef Müller und Mesner Erwin Dressel an der Fahrt teil. Maria Schmitt (Obertrubach) und Elisabeth Distler (Schoßaritz) umsorgten über die Jahre Michel bei seinem Aufenthalt in Obertrubach und stellten ihre Unterkunft zur Verfügung. Er gehörte dort zur Familie.

13 Priester, unter ihnen Pfarrer Werner Wolf und der Bischof von Blois, gaben Michel das letzte Geleit. Die deutschen Gäste waren sichtlich überrascht von der großen Anteilnahme der französischen Kirchengemeinde. Wolf dankte vor der versammelten Gemeinde seinem französischen Bruder in nachdenklichen Worten und sprach die Fürbitten.

Grüner spricht am Grab

Bewegend war die Szene, als die französischen Freunde Markus Grüner baten, vier Kerzen am Sarg in der Kirche zu entzünden. Auf Bitten des Bischofs, der über gute Deutsch-Kenntnisse verfügt, sang die kleine deutsche Gruppe zwei Strophen des Liedes "Segne du Maria". Was Michel Guilguè für Obertrubach getan hat, so Grüner am Grab, sei viel mehr als mancher politische Kontakt vermag.

"Wir sind betont herzlich und dankbar aufgenommen worden und sahen viele vertraute Gesichter", erzählt Grüner nach seiner Rückkehr. Die Gastgeber waren sichtlich angetan und dankbar, dass die Obertrubacher so spontan reagiert und die lange Reise auf sich genommen hatten.

Zahlreiche private Kontakte sind über die Jahre gewachsen und werden weiter gepflegt werden. Für den Herbst hat sich bereits Besuch aus Frankreich angesagt. Beide Seiten betonten auch offiziell wiederholt den tiefen Wunsch, die Kontakte aufrecht zu halten und zu pflegen. Das ist auch das große Vermächtnis eines völkerverbindenden Freundes.