Die einen brauchen das Geld, die anderen machen ihn aus Spaß: den 450-Euro-Job. Wie lange die geringfügig Beschäftigten für den Lohn schuften müssen, ist allerdings sehr unterschiedlich. Die SPD ruft auch hier nach dem Mindestlohn.
Günter Siuda ist einer von über 7000 "450-Euro-Jobbern" im Landkreis Forchheim. Der 79-Jährige packt regelmäßig mit an, wenn bei der Brauerei Neder eine helfende Hand gebraucht wird. "Das ist mein persönlicher Weg, jung zu bleiben. Mir macht es einfach Spaß, weil ich mit Leuten zusammen komme", erzählt Günter Siuda und wischt sich die Hände an der Arbeitsschürze ab. Dann muss er wieder los. Das Bier ruft.
Der rüstige Rentner ist nur alle zwei Wochen in der Brauerei. Oder wenn Not am Mann ist. "Das Geld ist nicht meine Hauptmotivation, hier gelegentlich mit anzupacken. Ich könnte von meiner Rente gut leben", sagt Siuda, und erzählt nur halb im Scherz, dass alle Rentner mit der Höhe ihrer Rente nicht ganz einverstanden seien.
Laut Statistik ist die "65-Plus"-Fraktion bei den Mini-Jobs freilich in der Minderheit (siehe Grafik). Die meisten Menschen im Landkreis, die mindestens einer geringfügigen Beschäftigung nachgehen, sind zwischen 25 und 64 Jahren alt.
Damit kein Missverständnis aufkommt. Das Verhältnis von Arbeit und Geld, sprich der Stundenlohn, müsse schon stimmen. Auch für Herrn Siuda. Wichtiger sei ihm aber die "Freude an der Arbeit".
Darauf setzt beispielsweise auch der Sozialdienst Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) in Forchheim. Spitzenlöhne bezahle der ASB nicht, räumt Geschäftsführer Wolfgang Caps sofort ein. Dafür handle es sich um eine sinnvolle Arbeit im sozialen Bereich, die für die Gesellschaft wichtig sei.
Stundenlohn von 6,40 Euro Auch wenn beim ASB kein Vermögen zu verdienen ist: Beim ASB in Forchheim seien derzeit rund 100 Menschen auf 450 Euro-Basis beschäftigt. Wie hoch der Stundenlohn genau ist? Dazu will Caps nichts sagen. "Wir würden gerne mehr geben, können aber nicht mehr geben. Aber wir gehören nicht zu denen, die die niedrigsten Stundenlöhne bezahlen", sagt Caps.
Wer sich telefonisch auf die ASB-Stellenanzeige "Fahrer gesucht" in Forchheim meldet, erfährt, dass man für 450 Euro genau 70 Stunden am Steuer sitzen müsse. Nach Adam Riese ergibt das einen Stundenlohn von 6, 40 Euro. Insbesondere beim Fahrdienst setzt der ASB hauptsächlich auf 450-Euro-Kräfte.
Anders, so Caps, könne der Sozialdienst diesen Mobilitäts-Service für Behinderte, Schüler und Kranke kaum anbieten.
Zumal der ASB auch hier im Wettbewerb mit anderen Sozial-Diensten und Privatunternehmen stünde. "Würden wir von den Kostenträgern mehr bekommen, könnten wir auch höhere Stundenlöhne bezahlen", sagt Caps. Auftraggeber seien der Bezirk (für den Behinderten-Fahrdienst), der Landkreis (für die Schüler-Fahrdienst) und die Krankenkassen (für den Kranken-Fahrdienst).
Urlaub und Überstunden Wolfgang Caps betont, der ASB halte sich in puncto 450-Euro-Jobs an die gesetzlichen Vorgaben. "Egal ob Überstunden, Urlaubsanspruch oder Sozialabgaben - unsere 450-Euro-Kräfte werden korrekt angemeldet und entlohnt."
Trotzdem will die SPD-Bundestagsabgeordnete Anette Kramme die Mini-Jobs gründlich reformieren.
"Wir werden den Missbrauch von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen zu Lohndumping und zur Verdrängung regulärer Beschäftigung stoppen und dafür sorgen, dass ihre soziale Absicherung verbessert wird", kündigt Kramme für den Fall eines SPD-Wahlerfolges an. Denn oft könnten problemlos mehrere Mini-Jobs zu einer Vollzeitstelle zusammengelegt werden.
Beispielsweise sollten geringfügig Beschäftigte ihre Ansprüche auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder Urlaubsgeld geltend machen können. "Außerdem wollen wir Mini-Jobber dabei unterstützen, ihre auf dem Papier bestehenden, aber in der Praxis oft verweigerten Arbeitsrechte wirklich wahrzunehmen. Unbezahlte Überstunden oder die Verweigerung von Urlaubsansprüchen können nur durch verstärkte Kontrolle bekämpft werden", sagt Kramme. Deshalb müsse etwa das Nachweisgesetz überarbeitet werden.
Arbeitgeber sollten demnach verpflichtet werden, einen schriftlichen Arbeitsvertrag auszufertigen, in dem alle Vertragsbedingungen formuliert sind. Zugleich fordert Kramme höhere Geldbußen bei Verstößen.
Freilich beklagt auch Caps das gesellschaftliche Dilemma, das Arbeit unterschiedlich viel wert sei. "Offensichtlich ist es mehr Wert, eine Waschmaschine zu reparieren, als einen Menschen zu pflegen."
Und was sagt Wolfgang Caps zum Mindestlohn? Immerhin ist ein Mann der "Mindestlohn-Partei", der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD), der Vorsitzender des ASB in Bayern.
Caps: Nicht nur Geld ist wichtig "Es ist deutlich zu kurz gedacht, Arbeitsbedingungen nur im Zusammenhang mit Stundenlohn zu diskutieren", sagt Caps. Neben der Entlohnung sei auch ein gerechtes und soziales Umfeld, wie das Arbeitsklima, die Sicherheit und Weiterbildungsangebot wichtig.
"Wir wollen die Mini-Jobs nicht abschaffen", sagt der Landesvorsitzende des ASB in Bayern, Hans-Ulrich Pfaffmann, der gleichzeitig für die SPD im Landtag sitzt. Freilich dürften nicht Dumping-Stunden-Löhne bezahlt werden Die Löhne, die der ASB bezahle, würden sich aber grundsätzlich an dem von der SPD geforderten Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro orientieren. Mit der Einführung des Mindestlohns würden sich freilich die Personalkosten auch für Sozialverbände wie den ASB erhöhen, räumt Pfaffmann ein. Diese höheren Personalkosten müssten über die staatlichen Sozialkassen ausgeglichen werden.
Ein weiteres Problem sei Europa. Um den flächendeckenden Mindestlohn in Deutschland nicht zu untergraben, müsste das Europaparlament auch Mindestlöhne in Europa beschließen, meint Pfaffmann. Aber Europa hin oder her: Die SPD fordert den Mindestlohn.
Mit Blick auf die Mini-Job-Statistik im Landkreis Forchheim sagt Anette Kramme: "Die Zahlen belegen einmal mehr, dass vor allem Frauen Mini-Jobs haben." Was kurzfristig gut sei, sei auf Dauer ein Problem. Mini-Job gleich Altersarmut. Und Kramme weist auf einen weiteren Nachteil hin: "Arbeitslosengeld gibt es nicht, wenn der Mini-Job wegfällt."
Darüber macht sich Günter Siuda keine Gedanken. "Die Millionäre jammern auch", sagt Siuda und hält es mit der Bibel: "Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen."