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Kommentar: Braucht es das Kunstwerk auf dem Kersbacher Kreisverkehr? Ein Streitgespräch


Autor: Franziska Rieger, Jennifer Opel, Ekkehard Roepert, Stephan Großmann

Kersbach, Montag, 09. November 2020

Viel wurde in Forchheim und weit über die Landkreisgrenzen hinaus über das neue Kunstwerk am Kersbacher Kreisel diskutiert. Vier Redakteure des FT Forchheim legen in einem Streitgespräch ihre Argumente dar: Braucht es das Kunstwerk auf dem Kersbacher Kreisverkehr?
Vier Redakteure und Redakteurinnen des Fränkischen Tags Forchheim diskutieren im Streitgespräch miteinander: Braucht es das Kunstwerk auf dem Kersbacher Kreisverkehr? Fotos: privat/Grafik: Jessica Zapf


Die FT-Redakteure und Redakteurinnen Jennifer Opel, Ekkehard Roepert, Stephan Großmann und Franziska Rieger legen in einem Streitgespräch ihre Argumente dar, welche für und welche gegen das Kunstwerk auf dem Kersbacher Kreisel sprechen:

Ekkehard Roepert: Kunst ist, etwas sichtbar und bewusst zu machen, was bislang noch nicht so recht ins Bewusstsein gedrungen war. Etwa: Dass wir Teil dieser spektakulären Landschaft und ihrer Geschichte sind. Winters im wahrsten Sinne glänzendes Kunstwerk erinnert daran, dass die Romantiker die hiesige Landschaft nicht nur entdeckt, sondern auch ein Lebensgefühl mit ihr verknüpft und an uns weitergegeben haben.

Wackenroder und Tieck haben sich in die Landschaft eingeschrieben - und damit der ganzen Region weltweit Bedeutung verschafft: Davon handelt das Kunstwerk Winters am Kersbacher Kreisel. Man kann gar nicht oft genug darauf zufahren, um zu verstehen, welche Chance darin liegt: sich selbst besser zu verstehen - große Kunst!

Franziska Rieger: Keine Frage, Kunst im öffentlichen Raum ist immens wichtig. Und ob das Tieck-Zitat nun gefällt oder nicht, ist wie immer in der Kunst Geschmackssache. Was für mich aber einen ganz faden Beigeschmack hat: Ein Kunstwerk auf einem viel befahrenen Kreisverkehr ist sicherlich nicht der richtige Ort, um Passanten zum Nachdenken anregen zu wollen.

Wenn ein Bahnhof oder ein anderer belebter Platz mit einem Kunstwerk ausgestattet werden - gerne. Aber bitte im Straßenverkehr nur auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren: Sicherheitsabstand oder Blinker setzen. Mit dem Geld, das die EU mit ihrem Förderprogramm und der Landkreis aus seinem Haushaltsbudget finanziert haben, hätten die Verantwortlichen lieber in eine Bildungseinrichtung investiert.

Jennifer Opel: Kunst gehört in den öffentlichen Raum. In Forchheim ist ohnehin nicht viel Kunst zu finden. Ein häufig verstopfter Zeit-Brunnen, ein stark umstrittenes Kunstwerk vor der Sparkasse, ein in den 80er Jahren aufgestellter Karpfen am Marktplatz und eine Porta Vorchheimensis bilden da eine willkommene Abwechslung im Stadtbild.

Natürlich kostet Kunst auch Geld. Aber sie erfüllt neben der schlichten Schönheit auch einen Zweck: Kunst bildet. "Kultur für alle" bietet daher auch in Zeiten von verschlossenen Museen und geschlossenen Theatern nicht nur eine ästhetische Komponente im Stadtbild, sondern auch die Möglichkeit sich zu bilden und nicht zuletzt sich auch über die Kunst auszutauschen. Mag sie gefallen, oder nicht...

Stephan Großmann: 15 Fußballfelder am Tag. So viel Fläche wurde in Bayern 2019 pro Tag für Siedlungen oder Verkehr verbaut (Quelle: Bayerisches Umweltministerium). Menschen brauchen Wohnraum, Wohnende müssen von A nach B gelangen können.Das ist gesetzt. Umso energischer müssen wir all jene Flecken verteidigen, die dem alltäglichen, asphaltgrauen Flächenfraß entgehen.

Neben der Straße ist ein Planquadrat frei? Pflanzt Blühstreifen! Auf dem Kreisverkehr sind ein paar Quadratmeter übrig? Legt lieber Rabatte an! Es geht nicht darum, Künstlern ihre Leinwände zu entreißen. Aber wir sollten sie zuerst an jenen Orten mitdenken, wo die Natur sowieso keine Chance mehr hat. Auf der ehemals "grünen Wiese" muss selbst die schönste Kunst immer zur Nebensache werden.