Martin Kießling aus Forchheim träumt nicht nur von Hollywood

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Hat Hollywood fest im Blick: der junge Filmemacher Martin Kießling aus Forchheim vor dem berühmten Schriftzug in Los Angeles. Fotos: Privat
Hat Hollywood fest im Blick: der junge Filmemacher Martin Kießling aus Forchheim vor dem berühmten Schriftzug in Los Angeles. Fotos: Privat
Regisseur Kießling (re.) am Set von "Hinter rotem Samt".
Regisseur Kießling (re.) am Set von "Hinter rotem Samt".
 
"Hinter rotem Samt" ist ein Thriller. Noch kein ganzer Spielfilm. Aber die 20 Minuten haben es in sich.
"Hinter rotem Samt" ist ein Thriller. Noch kein ganzer Spielfilm. Aber die 20 Minuten haben es in sich.
 
Kießling hinter der kamera.
Kießling hinter der kamera.
 
 

Der 27-jährige Martin Kießling lebt für seinen Traum vom großen Kino. Sein neuester Kurzfilm - ein Thriller - läuft derzeit erfolgreich auf Festivals. Sicher gelandet auf dem roten Teppich ist er damit noch nicht. Der Weg nach Hollywood ist hart.

Er schwingt kein Megafon und sitzt auch nicht im typischen Klappstuhl. "Solche Regisseure gibt es überhaupt nicht mehr", sagt Martin Kießling und schlägt die Beine übereinander. "Ich muss mich als junger Filmregisseure von der Finanzierung bis zur Vermarktung um alles selbst kümmern", erzählt der Filmemacher aus Forchheim in einer Lounge in Nürnberg.

Kurzfilm "Hinter rotem Samt" - TRAILER! from Martin Kießling on Vimeo.

Nur im Regie-Stuhl sitzen, läuft nicht mehr in der modernen Kino-Welt. Die Story, die Technik, die Crew, das Geld - eine launische Diva hat heute keine Chance mehr auf Erfolg im Filmgeschäft.

Commercial Spot "Club Mate" (student project) from Martin Kießling on Vimeo.

Erfolgreich ist Martin Kießling derzeit mit seinem neuestem Film. "Hinter rotem Samt" ist ein Thriller. Noch kein ganzer Spielfilm. Aber die 20 Minuten haben es in sich. Zwei Mädchen und ein Verbrechen. Dazwischen - wie könnte es anders sein - ein Mann mit einer Kamera.
"Die Idee zu dieser Story hatte ich im letzten Sommer, als ich abends in der Dunkelkammer meine Negative entwickelt habe. Im Foto-Labor war es stockdunkel. Das leise Blubbern der Apparate. Das war die gruselige Basis für die Geschichte, die wir dann gestrickt haben."

The Audience - We belong to boys from Martin Kießling on Vimeo.


Film fliegt alleine nach Toronto
Das Ergebnis schaut nicht nur nach großem Kino aus. Es erinnert auch frappant an Antonionis Meisterwerk "Blow up". Auf einem Filmfestival in Toronto hat Kießling für seinen Streifen schon einen Preis bekommen.
In den Privatjet hocken, um in Toronto die Trophäe persönlich entgegen zu nehmen, kann er nicht. Wie auch? Die Kohle fehlt. "Erst hast du kein Geld, einen Film zu machen. Dann bekommst du kein Geld, wenn er fertig ist."

Kurzfilm "Kalte Asche" from Martin Kießling on Vimeo.


Für eine Handvoll Dollar
Eine Hand voll Preisgeld-Dollar hat Kießling für seinen neuesten Film schon eingesackt. "Mein bislang größter Erfolg", sagt Kießling und lässt sich fallen in den weißen Lounge-Sessel. Über ihm der Himmel, vor ihm der Traum, in der großen Welt des Kinos mitzumischen.

Ein Leben unter Palmen ist das nicht. Filmemacher tüfteln nicht in Villen an Drehbüchern. "Ich hocke oft tagelang in der Küche und entwerfe Storyboards, während andere im Biergarten sitzen." Kino gleich harte Arbeit. Aber er wolle es ja nicht anders. Verstehen könnten andere diese Besessenheit nicht immer.

Alles für den großen Moment, wenn die Gefühle über die Leinwand in die Herzen der Zuschauer hüpfen. "Leute fangen an zu heulen, nur weil sie deinen Film sehen." Magische Kino-Momente. Einfach sei das nicht zu schaffen. "Ein guter Film ist immer ein kleines Wunder." Ein riesiges Uhrwerk, indem viele kleine und große Zahnräder ineinander greifen müssten. Der Lohn? "Mein Film auf der Leinwand. Meine Gedanken berühren hunderte Menschen in ihren Kinosesseln. Das ist unbezahlbar." Solche Augenblicke stellen sich nicht von alleine ein. Dazwischen liegt ein langer Atem. Viele geben mittendrin auf. Niederlagen und Selbstzweifel sind zum Überwinden da. "Man darf niemals locker lassen."

Der eigene Kopf als Kompass
Mit viel Idealismus das Ziel im Blick haben, ohne den genauen Weg zu kennen. Nur der eigene Kopf und die Bilderwelten darin als Kompass. Im Gepäck die ersten cineastischen Gehversuche. Mit der Kamera unterwegs in der Heimatstadt Forchheim. "Da bin ich zur Schule gegangen, auf´s Ehrenbürg Gymnasium." Dort entsteht "Am seidenen Faden". Kießlings erster Film. So kann man sich auch die Karriere im Filmgeschäft vorstellen, am seidenen Faden. Dem Talent gehorchen, alles auf eine Karte setzen. Wer träumt nicht davon? Machen tun es trotzdem die wenigsten. Alles ist möglich, sicher ist nichts. Dann macht er den Schritt nach München zum Fernsehen. Dort lernt er das Handwerk des Drehens und Schneidens.

Rückschläge zum Wegstecken
Die Filmhochschule in München nimmt ihn nach der Ausbildung trotzdem nicht. "Ich habe es schwarz auf weiß, dass ich ungeeignet bin", sagt er und lächelt. Weitergemacht hat er trotzdem. Ist locker geblieben, ohne den Faden zu verlieren. "Es war ein Rückschlag, den ich weggesteckt habe."
Kießling geht nach Nürnberg, schreibt sich an der Design-Hochschule ein, um kreative und verrückte Gleichgesinnte zu treffen. Endstation ist die Stadt unter der Kaiserburg nicht. "Immer in Bewegung sein, weiterbewegen, das finde ich wichtig. Sich für alles interessieren."

Was zur Hölle macht ein Filmemacher genau? Schwierige Frage. Ein Filmemacher macht fast alles. Wandelt das Leben in Bilder, macht Geschichten aus Gefühlen. Kurzum bringt Menschen zum Träumen. Deshalb tut er sich das alles an. Die Arbeit ohne Unterlass. Die durchdrehten Nächte wie bei "Hinter rotem Samt". Totaler Irrsinn sei das manchmal. "Es gab auch Zeiten, wo es richtig weh getan hat, das Filmemachen." Leidensfähig müsse man eben sein. Und Kritik ernten und daraus lernen wie bei seinem Werbe-Clip für eine Erfrischungsbrause, die ihm den Vorwurf des Sexismus eingebracht und eine Protest-Lawine im Internet ausgelöst hat. Diesen "Shitstorm" musste er ausgehalten.

Was ihn davon abhielt, die Flinte ins Korn zu werfen? Der Wille, seinem Traum weiter zu folgen. "Den einen Weg zum Ziel, dem ich folge, gibt es nicht für mich. Mein Weg entsteht im Gehen." Irgendwann wird er sich umdrehen, und einen Pfad erkennen. Und vielleicht einen Film daraus machen, der genauso spannend ist wie sein Kurzfilm-Thriller "Hinter rotem Samt".

Ohne Kohle in Hollywood
Ein Garantie für den großen Durchbruch ist das noch nicht. Dafür sei die Konkurrenz einfach zu groß. Kießling schreckt das nicht ab. Filmend will er die Welt entdecken. In Hollywood war er schon. Natürlich zum Filmemachen. Mit welcher Kohle? Seine Filme haben ihm ein Stipendium für die USA verschafft. Erfahrung sammeln statt Millionen.

Aber Kießling will mehr. Immer größere Filme machen. "Sollte ich es jemals schaffen, dass das mein Beruf ist. Dann ist das hart erarbeitet und einer der tollsten Sachen der Welt, die ich mir vorstellen kann."