Manipulation in der Pflege ist auf dem Land selten

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Renate Nausch muss alle ihre Schritte dokumentieren. Foto: Petra Malbrich
Renate Nausch muss alle ihre Schritte dokumentieren. Foto: Petra Malbrich
Foto: Petra Malbrich
Foto: Petra Malbrich
 

Die Betrugsfälle betreffen alle Wohlfahrtsverbände - wohl auch fränkische. Ein Vorteil könnte Pflege auf dem Land sein.

Renate Nausch schüttelt den Kopf. Der Pflegedienstleiterin des ambulanten Igensdorfer Pflegedienstes ist es unverständlich, wie es zu diesem immensen Betrug kommen konnte. "Wir müssen alles dokumentieren, werden vom medizinischen Dienst der Krankenkassen überprüft und zusätzlich jeder Handgriff von den Angehörigen", erklärt sie.

"Selbst wenn die Angehörigen eines dementen Patienten wollen, dass der Pflegedienst dem Patienten die Tabletten gibt, müssen die Angehörigen einen Widerspruch schreiben, also rechtfertigen, dass sie keine Zeit dafür haben", erklärt Nausch, wenn zusätzliche Arbeiten, nach Prüfung der Krankenkasse, von den Pflegekräften ausgeführt werden dürfen.

Von der Diakonie, der Caritas und vielen anderen Wohlfahrtsverbänden seien früher die Pflegebedürftigen in der Marktgemeinde betreut worden.
"Das können wir doch selbst", fand der damals amtierende Bürgermeister Erwin Zeiß und gründete den ambulanten Igensdorfer Pflegedienst unter Trägerschaft des Roten Kreuz.
Doch 2005 wurde den Igensdorfern gekündigt. Wohl wenig rentabel sei diese Trägerschaft gewesen, deshalb hat der Förderverein die Trägerschaft übernommen, um den Pflegedienst erhalten zu können. 45 Patienten werden betreut. Jeder kennt jeden. Der Skandal, dass gerade private Pflegedienste die Krankenkassen betrogen haben, erschüttert alle. Auch die Tatsache, dass es sich bei dem jüngsten Skandal um Pflegedienste aus dem Ausland handelt, lässt den faden Beigeschmack nicht beiseite wischen.

Trotzdem sind es nicht nur diese bandenmäßigen Betrugsfälle, wie nun aufgedeckt worden ist. "Betrug gibt es bei allen Pflegediensten. Alleine in Bayern gab es in den vergangenen fünf Jahren 1700 Betrugsfälle", informiert Dominik Schirmer, Pressesprecher der AOK. Da war alles dabei: Nicht erbrachte Leistungen wurden ebenso abgerechnet, wie die Fahrkosten manipuliert. "Das sind Vergehen von Einzelpersonen. Niemand gibt die Anweisung bewusst zu fälschen", sagt Schirmer. Aktuell werde bei einem deutschen Wohlfahrtsverband in Oberfranken ermittelt, weil Hinweise eingegangen seien.

Genau auf solche Meldungen seien die Kassen angewiesen. Von den Angehörigen oder anderen, die einen Verdachtsfall haben. Möglichkeiten, Leistungen ungerechtfertigt zu erschleichen, gebe es viele. Da gibt es den Deal zwischen Arzt, Patient und Pflegedienst. Die Pflegenden sind also nicht erfunden, aber der Arzt verordnet Pflege, die nicht benötigt wird. Jeder erhält einen finanziellen Teil, wie es bei den Pflegediensten nun passiert war. Diese Manipulation funktioniere mit anderen Kulturkreisen leichter.

Erst diese Woche sei eine Razzia in einem Haus durchgeführt worden, in dem es angeblich Pflegebedürftige gegeben haben soll. "Es gibt Pflegebedürftige, die für eine höhere Einstufung simulieren, um mehr Geld zu erhalten", erklärt Schirmer.

Zudem gebe es Pflegedienste, die Tipps geben, was die Pflegebedürftigen vorspielen müssen, um höher eingestuft zu werden. Natürlich profitieren davon auch die Pflegedienste, die mehr Leistungen abrechnen können, ausgeführt von "Fachkräften", die oftmals nur Hilfskräfte seien. Auch diese Täuschung gehöre zu den Manipulationen.

Oder es werden Personen als Ersatzpfleger bei der Verhinderungspflege angegeben, die nie da waren oder die Dienste rechnen Leistungen ab, obwohl der Patient im Krankenhaus ist. Oft werden Leistungen angegeben, die der Pflegedienst gar nicht übernimmt. Beliebtes Beispiel: Anziehen der Kompressionsstrümpfe. Das übernehme oft der Angehörige, wenn er den Pflegebedürftigen bettfertig macht.
"Die Angehörigen überprüfen uns doch. Sie sehen, was wir tun und was wir angeben und abrechnen", erklärt Nausch. Genau so soll es sein, findet Schirmer. Mit mehr Transparenz, der gemeinsamen Aufzeichnung der Tätigkeiten mit dem Patienten oder dem Angehörigen zusammen, können die Pflegedienste gegensteuern.
Sicher bedauert Schirmer, dass einige schwarze Schafe eine ganze Branche, ins schlechte Licht setzen. Auch er sieht bei der Pflege in ländlichen Gegenden den Vorteil, dass jeder jeden kennt. Würden diese betrügen und der Betrug auffliegen, gingen kleine Pflegedienste schnell insolvent, denn das Geld muss ja zurückbezahlt werden.