Ein Japaner züchtet in der Fränkischen Schweiz einen Leckerbissen aus Nippon: Kobe-Rinder. Die legendäre Fleischqualität hat nichts mit Musik und Bier zu tun. Mozart finden die Tiere trotzdem toll.
Die Kuh in Japan sagt Moo und nicht Muh. "Mozart wäre nicht schlecht", sagt Naomi Goi und dehnt dabei das "o" so lange bis er laut lachen muss. Dann streichelt er zärtlich Motoko, die Mutterkuh seiner kleinen Kobe-Rinderzucht, die gerade ein Junges bekommt hat. "Schon gewachsen! Ganz klein war Sabu bei der Geburt", sagt der Gourmet-Rinderzüchter und tätschelt Motoko die Hörner. Sabu ist gerade einen Monat alt und schaut aus wie ein schwarzes Lämmchen mit großen Kulleraugen.
Dass Rinder aus Nippon so teuer und lecker sind, weil sie auf Klassik, Massagen und Bier stehen, sei natürlich Quatsch. "Das ist ein Klischee", sagt Herr Goi, der die Hintergründe der legendären Fleischqualität aus seinem Heimatland kennt. "Früher hatte eine Familie in Japan fünf Wagyus." Rind heißt auf japanisch Wagyu. Die Kuh als Teil der Familie also.
Dadurch hätten die Huftiere, die ein bisschen kleiner sind als ihre deutschen Artgenossen, viel Liebe, Streicheleinheiten und Zuneigung erfahren. Und woher kommt die Vorliebe für Gerstensaft? "Im Sommer ist es in Japan sehr heiß, und die Wagyus haben keinen Hunger."
Als Aperitif habe man den Kühen deshalb Bier zum Saufen gegeben. Bier als Appetitanreger quasi. Heute gibt es in Japan dieses Zusammenleben kaum noch. Genauso wie in Deutschland sei auch dort Massentierhaltung angesagt, und Klassik, Bier und Massagen meist nur noch ein cleverer Marketing-Gag.
Einen trifft es jedes Jahr
Anders in Zoggendorf. "Unsere Tiere können noch leben. Jedes Tier hat einen eigenen Namen." Eine Stereo-Anlage und eine Kiste Bier gibt es aber nicht. "Ja, euch ist langweilig im Stall. Ich weiß", sagt Herr Goi. Ab April dürfen die zwölf Tiere endlich wieder auf der Wiese grasen. "Wenn wir rufen, kommen die sofort." Zu Filet verarbeitet werden die Rinder natürlich auch einmal. Bis zum Töten würden die Tiere aber zur Familie gehören. Einmal im Jahr ist eine oder einer an der Reihe. Pünktlich zum Fest der Liebe kommen die Kunden aus Nah und Fern, um sich die begehrten Fleischstücke zu sichern. 130 Euro kostet ein Kilo vom feinsten Filet. Mit den Augen des Soziologen kann er dabei das Essverhalten seiner deutschen Kunden studieren. Mindestens vier Zentimeter dick und 500 Gramm schwer, schwören manche, müsse ein Steak schon sein. Das Lachen - erst leise, dann immer lauter - kann sich der Japaner bei der Vorstellung deutscher Super-Mägen nicht verkneifen. Hauchdünn tunken die Japaner stattdessen Fleischstreifen mit Stäbchen in die Soße. Shabu-Shabu heißt die Spezialität. "Das ist das Beste."
Ein richtiger Japaner ist Naomi Goi mittlerweile nicht mehr. "Ich bin ein Kosmopolit." Nach dem Studium in Tokio lebte er mit seiner späteren Frau in Israel in einem Kibbuz. Mit dem Auto sind die Zwei bis nach Indien gefahren. Nach der Hochzeit im Schwarzwald hat er für eine japanische Handelsfirma in Ostberlin gearbeitet und sie Tiermedizin in Westberlin studiert.
In Japan wären die Zwei beinahe auch hängen geblieben. Aber in der fernen Heimat müssen sich alle am Riemen reißen in Beruf und Familie, sagt Herr Goi. Sonst würde eine Mega-Metropole wie Tokio gar nicht funktionieren. Das war den beiden dann doch zu viel. Nach einer Weltreise und 67 Ländern später ist das Paar in Zoggendorf gelandet und lebt mit einer dreibeinigen Katze und einem gebrechlichen Hirtenhund.
Wie die Jungfrau zum Kind sind die beiden zu ihren Rindern gekommen. Aus der Tierarzt-Praxis habe seine Frau eines Tages ein krankes Kälbchen mitgebracht. "Das schlief am Anfang im Hühnerstall. Meine Frau Friedhild hat ein großes Herz, und bringt jedes kranke Tier mit nach Hause", erzählt Naomi Goi. Groß einsteigen in das Geschäft mit dem marmorierten Edel-Fleisch will er nicht. Dafür haben beide die Tiere viel zu gern. Stattdessen schwärmt Naomi von einer verträumten Insel* in Nippon. Und von seinem Lieblingspianisten. Der heißt Nobuyuki Tsujii. Spielt Mozart wie ein Gott, obwohl er blind ist. Und kommt natürlich. Genau. Aus Japan.
*Dort auf der Insel sei es immer warm und menschenleer. Den Namen verrät er nicht. Wahrscheinlich würde ein Deutscher das versteckte Archipel in der Japanischen See sowieso niemals finden.