63 Jahre lenkte der Gerhard N. aus dem Landkreis Forchheim sein Auto unfallfrei. Nach einer Unachtsamkeit muss er seinen Schein für drei Monate abgeben.
Seit April sitzt Gerhard N. (Namen von der Redaktion geändert) in seinem Haus in einem Weiler der Fränkischen Schweiz und grübelt. "Das läuft mir richtig nach", sagt der 79-Jährige. "Man fühlt sich ausgestoßen von der Öffentlichkeit." Noch steht sein Auto angemeldet in der Garage, aber Gerhard N. kann es seit Ende März nicht mehr nutzen.
Die Geschichte begann im August letzten Jahres. Gerhard N. hatte beim Linksabbiegen einen Rollerfahrer übersehen. Der touchierte die hintere Stoßstange, stürzte und verletzte sich dabei leicht (Abschürfungen und Prellungen). Weil Gerhard N. den Vorfall nicht registrierte und weiterfuhr, wurde er wegen Fahrerflucht angeklagt.
Anstandslos akzeptierte er den Strafbefehl, zahlte 1200 Euro und gab für drei Monate seinen Führerschein ab.
Unangenehme Aufforderung
Die große Überraschung ereilte den 79-Jährigen, als er den Schein wieder in Händen hatte und längst wieder hinter dem Lenkrad saß: Im Januar dieses Jahres ließ die Führerscheinstelle des Forchheimer Landratsamtes Gerhard N. wissen, dass "Zweifel an Ihrer Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen" bestünden. Die Verkehrsbehörde forderte ihn auf, innerhalb von zwei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten (eine sogenannte MPU) vorzulegen. Das Gutachten sollte laut Behörde sicherstellen, dass Gerhard N. "künftig nicht gegen verkehrsrechtliche Bestimmungen verstoßen wird".
Gerhard N. und seine Frau fielen aus allen Wolken.
Wie konnte es sein, dass die Fahrtüchtigkeit des 79-Jährigen in Frage gestellt wurde, nachdem er den Strafbefehl erfüllt hatte und er nach dem Unfall schon wieder monatelang Autofahren durfte? "Das ist doch nicht logisch", kritisiert Gerhard N. Außerdem wundert sich seine Frau darüber, wie schnell sich der Tonfall verschärfte "und wie kurz die Fristen waren". Am 5. April teilte die Führerscheinstelle des Landratsamtes Gerhard N. mit, es werde ein "Verfahren zur Entziehung Ihrer Fahrerlaubnis eingeleitet". In der Anlage wurde auch gleich eine Verzichtserklärung beigelegt, die dem 79-Jährigen nahe legte, auf immer seinen Führerschein abzugeben. "Bevor wir die Fahrerlaubnis endgültig entziehen, geben wir Ihnen hiermit die Gelegenheit zur Äußerung bis zum 20.
April 2016".
Separates Verfahren
Die enge Frist und das Gefühl der Ungewissheit, die Fahrerlaubnis jemals wiederzubekommen, habe ihn derart unter Druck gesetzt, dass er entnervt aufgab: Gerhard N. fuhr an den Forchheimer Streckerplatz und unterschrieb bei der Führerscheinstelle die Verzichtserklärung. Doch dass er nach dem ersten Führerscheinentzug nun mit einem zweiten endgültigen Fahrverbot bestraft werde, das empfinde er als Ungerechtigkeit, sagt Gerhard N.: "Daher erzähle ich die Geschichte, als Warnung für andere."
Das dreimonatige Fahrverbot sei zu unterscheiden von dem "separaten Verfahren", das zur Vorlage einer MPU auffordere, erklärt Maximilian Sebald, Pressesprecher am Landratsamt Forchheim. "Für das Fahrverbot ist das Gericht zuständig.
Erst später schickt die Staatsanwaltschaft die Akten an das Landratsamt." Ob eine MPU angeordnet werde, sei zwar ein Stück weit Ermessenssache; doch im Falle von Gerhard N. sei es "eigentlich nicht möglich gewesen, drum herum zu kommen", erläutert Sebald. Gerhard N. habe Fahrerflucht begangen - und eine fahrlässige Körperverletzung. "Bei einem Vergehen dieser Schwere ist ein medizinisch-psychologisches Gutachten fast schon zwingend."
Gerhard N. bleibt die bittere Erkenntnis, dass er zwar 63 Jahre unfallfrei Auto gefahren ist und nie auch nur einen Punkt in Flensburg gesammelt hat; dass er aber nach seiner Unachtsamkeit vom 3. August 2015 nie mehr ein Auto lenken wird. Er habe sein Fahrzeug noch nicht abgemeldet, in der Hoffnung, "jemand zu finden, der mich gelegentlich zum Arzt oder zum Einkaufen fährt".
Doch besonders aussichtsreich sei das Leben auf dem Land in dieser Situation nicht mehr, beklagen die Eheleute N. Sie hätten sogar schon darüber nachgedacht, Haus und Hof hinter sich zu lassen und in die Stadt zu ziehen.
Und warum hat er nicht einfach die MPU hinter sich gebracht? Das soll sogar funktionieren, wie man hört.