Schärfere Verordnungen und Billigfleischindustrie setzen die Landwirte im Kreis Forchheim unter Druck. Mit grünen Kreuzen warnen Bauern vor dieser Entwicklung.
Gut zwei Dutzend Kühe auf der Weide kauen das saftig-grüne Gras. Die landwirtschaftliche Idylle von Julian Engelhards Biobauernhofs "Haselhof" in Pettensiedel entspricht eigentlich genau dem Bild, das die Bürger fordern. Und doch könnten diese Bilder bald der Vergangenheit angehören. "Hier wird ein kompletter Berufsstand an die Wand gefahren. Und das mit Absicht", schimpft Martin Friedrich. Auch er hat einen Milchviehbetrieb in Mitteldorf (Igensdorf), einen konventionellen Betrieb. Die Landwirte sind sich einig, ob Biohof, ob konventionell: Die Landwirtschaft wird abgeschafft. Die Politik fördere dies mit dem neuen Agrarpakt der Regierung. Die Landwirte mahnen, wollen wachrütteln, wollen informieren. Deshalb haben deutschlandweit bereits zwei Drittel aller Landwirte überall im Wald, auf Weiden und in der Flur grüne Kreuze aufgestellt. "Wir gehen davon aus, dass es politisch gewollt ist, dass die Landwirtschaft hier so zurückgefahren wird, dass die Staaten des Mercosur-Freihandelsabkommens importieren und die Autoindustrie zollfrei exportieren kann", erklärt Werner Nützel, Geschäftsführer des Bauernverbands, Kreisstelle Forchheim.
Für heimische Lebensmittel
Die Szenarien der Landwirte und des Bauernverbands sind in den verschärften Auflagen begründet. Die grünen Kreuze stehen deshalb für heimische Lebensmittel statt Fleisch aus Übersee, Tiere auf Bauernhöfen statt in Agrarfabriken, fruchtbare Böden statt Beton, gesunde statt kranke Pflanzen und Düngen nach Bedarf statt nach Frist. Forderungen stellen sie nicht.
Gülleverordnung
Die Gülleverordnung soll weiter verschärft werden. "Eigentlich ist Gülle ein wertvoller Dünger", meint Martin Friedrich. Doch wenn die Düngeverordnung noch weiter ausgedehnt werde, bleibe kaum mehr Zeit. Die Landwirte müssten Lagermöglichkeiten für die Gülle bauen. Firmen, die das umsetzen, gebe es nicht mehr. Oder die Bauern würden die dreifache Menge ausbringen, zu den erlaubten Zeiten. "Kommt dann ein Starkregen, wird das ins Wasser abgeschwemmt", erklärt Johann Engelhard. Eine weitere Folge ist der Griff zu mineralischen Düngern. Das sind die kleinen Kügelchen, die nicht riechen und auf der Wiese oder dem Acker kaum ins Auge fallen und eine vielfach höhere Konzentration haben. Die Firmen werben dafür. Die Landwirte wehren sich, denn in ihre Richtung werde der Zeigefinger wegen zu hoher Nitratwerte im Wasser gehoben. Dass die getroffenen Schutzmaßnahmen noch nicht messbar sind, ist für die Landwirte nachvollziehbar. Es dauert. Trotzdem soll das Verbot ausgedehnt werden. Im Herbst ist den Landwirten bereits verboten, Gülle zu fahren. Da ist der natürliche Dünger aber wichtig. "Für die Jugendentwicklung der Pflanzen. Die Pflanze muss sonst hungrig in den Winter gehen", erläutert Engelhard. Der erste Ausfall ist dann schon programmiert.
Wenn der Boden zu nass ist
Ist der Boden zur erlaubten Zeit zu nass, kann der Landwirt keine Gülle ausfahren. Die Pflanze muss weiter hungern. "Wir möchten mit der Natur gehen und nicht nach einer Planwirtschaft wie im Osten", erklärt Julian Engelhard. In dieselbe Richtung geht das Thema Pflanzenschutz und Fleisch zu Dumpingpreisen. Weniger Erträge bedeutet, dass mehr importiert werden muss. Der Lebensmitteleinzelhandel wirbt dann mit zartem Fleisch aus Übersee. "Da interessiert es niemanden, wie das produziert wird und dass 50.000 Rinder ohne Dach im Mist stehen", schimpft Max Merkl. Er betreibt Ackerbau, ist Energieerzeuger mit Biogas. Er macht das, was die Politik gefordert hatte - vor Jahren. Rinder hat er nur noch wenige und wird sie bald ganz aufgeben. Hingegen schlugen Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ein freiwilliges Tierwohl-Label vor. "Der Bauernverband fordert eine verpflichtende Teilnahme", betonte Werner Nützel.
Flächenverbrauch
Auch dem Flächenverbrauch gilt die Mahnung durch die grünen Kreuze. 90 Hektar Fläche pro Tag in Deutschland werden geschlossen. Auch für Igensdorf finden die Landwirte und der Bauernverband ein Beispiel. Der Standort des Senivita-Altenheims sei ein geschütztes Biotop, wie Nützel sagt. "Die schönsten und besten Flächen werden bebaut, und wir sollen die Hänge bewirtschaften", stimmt Merkl zu. "Wir fühlen uns untergeordnet. Alles wurde über unseren Kopf hinweg bestimmt. Dabei ist es der Landwirt, der jeden Tag sein Tun hinterfragt. Die landwirtschaftliche Nutzung ist immer ein Kompromiss zwischen Mensch und Natur", sagt Merkl. Die Agrarpolitik bewirke derzeit das Gegenteil. Noch mehr Betriebe würden laut Nützel zum Aufgeben gezwungen werden. "Früher gab es in jedem Dorf Bauersfamilien. Nun gibt es nur noch wenige im Landkreis. In fünf Jahren sterben die landwirtschaftlichen Betriebe", prophezeit Gerlinde Engelhard, die Seniorchefin des "Haselhofs". Dafür gebe es billiges Fleisch und Wurst im Supermarkt aus unbekannter Haltung. Die Kreuze mahnen und laden ein, im Internet mit den Landwirten in den Dialog zu treten.
Fahrt zur Kundgebung
Für die Fahrt nach Mainz zur Kundgebung im Rahmen der Agrarministerkonferenz am 26. September sind noch 20 Plätze frei. Anmelden können sich Interessierte beim Bauernverband bis 25. September, 13 Uhr.