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Kandidaten kämpfen auf Augenhöhe


Autor: Redaktion

Forchheim, Freitag, 06. März 2020

In acht Tagen wählen die Bürger des Landkreises Forchheim ihren Landrat. Sie haben die Wahl zwischen Hermann Ulm (CSU) und Reiner Büttner (SPD). Im Gespräch mit dem FT beziehen die Kandidaten Stellung.
Trotz Wahlkampf in gelöster Stimmung: Reiner Büttner (links) und Hermann Ulm.  Fotos: Barbara Herbst


Der eine will wiedergewählt werden, der andere will als erster roter Landrat die Geschicke am Forchheimer Streckerplatz 3 lenken: Mit Hermann Ulm (CSU) und Reiner Büttner (SPD) stehen sich zwei Kandidaten gegenüber, deren Markenzeichen ein fairer und sachlicher Wahlkampf ist. Im FT-Interview machen sie deutlich, inwiefern sich ihre Ziele unterscheiden.

Wundert es Sie, dass Sie nur zu zweit sind, vor allem ohne Grünen Landratskandidaten?

Hermann Ulm: Wenn ich es mit anderen Landkreisen vergleiche, schon. Andererseits spricht es dafür, dass wir uns im Kreistag untereinander verstehen und gar nicht so weit auseinander sind.

Reiner Büttner: Gerade Themen wie Klimawandel und Verkehrspolitik sind Landkreisthemen. Da lässt sich gestalten. Alle schreiben es sich auf die Fahnen und dann wundert es schon, dass nur wir zwei dasitzen.

Ist ein Landrat überhaupt ein Politiker, oder ist er damit ausgelastet, Verwaltungsvorgaben abzuarbeiten und Mitarbeiter zu führen?

Ulm: Man ist natürlich Vorgesetzter von Mitarbeitern und hat eine große Behörde zu leiten. Es geht darum, zu moderieren, zu vermitteln und die Zielrichtung vorzugeben. Natürlich ist ein Landrat ein Politiker - aber ein Kommunalpolitiker. Kommunalpolitik ist etwas anderes als Politik in Berlin oder München, wo die Parteipolitik eine wesentlich größere Rolle spielt. Es ist mehr Regionalmanagement.

Herr Büttner, wie sehen Sie die Rolle des Landrats?

Büttner: Als Politiker, der Prioritäten setzen und Richtungen vorgeben sollte. Das sind die zentralen Aufgaben eines Landrats. Er legt die Tagesordnung fest, er legt die Prioritäten fest, in welche Richtung wir laufen und setzt die Schwerpunkte. Das ist das große Gestaltungspotenzial eines Landrates. Das möchte ich erfüllen.

Die Grünen machen die deutlichste Oppositionspolitik. Halten Sie deren Vorwürfe, der Landkreis tue zu wenig für seine Klimaziele, für übertrieben?

Büttner: Die sind zu unterstreichen. Wir tun momentan zu wenig. Wir müssen mehr tun, gerade, was den Verkehr angeht. Wir erreichen dort unsere gesteckten Klimaziele nicht. Die Bundesregierung hat einige Ziele bis 2030 festgelegt. Wenn wir die auch im Landkreis Forchheim erreichen wollen, müssen wir massiv in die Richtung arbeiten, weniger im Verkehrsbereich ausstoßen. Ich schlage vor, dass wir uns mit den Bürgern zusammensetzen und ein Mobilitätskonzept entwerfen. Ähnlich wie es die Stadt Forchheim macht. Wir brauchen das, sonst klappt es nicht. Sonst kommt etwas von oben herab, das sie nicht teilen.

Herr Ulm, Sie nicken. Sie waren in den vergangenen Jahren am deutlichsten konfrontiert mit den Vorwürfen. Sehen Sie es auch so?

Ulm: Es ist die Rolle der Grünen, so etwas anzumahnen. Und das ist auch okay. Das Erreichen von Klimazielen ist eine Frage, wie man die Zahlen interpretiert. Bei den Landkreisimmobilien haben wir unsere Klimaziele weit übertroffen. Bei den privaten Haushalten und Unternehmen im Landkreis wurde die -Reduzierung nicht ganz erreicht, wobei aber das Bevölkerungswachstum der letzten Jahrzehnte von Anfang auch nicht eingepreist war. Pro Kopf gerechnet ist die Bilanz wieder erfreulich. Auch bei den erneuerbaren Energien, vor allem Wärme, liegen wir gut. Die Klimaziele-Bilanz hatte auch eine methodische Schwierigkeit: Sie betrifft die Zahlen von 1990 bis 2015. Das heißt, die gesamte Arbeit der vergangenen fünf Jahre fällt unter den Tisch. Gerade das, was unser Klimaschutzmanagement gearbeitet hat. Man kann die Zahlen also negativ oder positiv interpretieren - das ist dann das politische Spiel. Wir dürfen das Thema auch nicht nur auf den Verkehr reduzieren.

Um was geht es noch?

Ulm: Um erneuerbare Energien, um Energieeinsparung. Klimaschutzmanagement muss auf drei Ebenen funktionieren: Klimaschutzberatung zum einen. Dann, was eigene Liegenschaften angeht. Dort konnten wir den -Ausstoß um 80 Prozent senken. Realistisches Endziel: Neutralität. Dann die Herkulesaufgabe: Die Bürger selbst mitzunehmen. Hinzu kommt der ÖPNV. Wir stecken ja schon jährlich viereinhalb Millionen Euro Kreismittel in den ÖPNV - da sind wir Spitze in der Region. Dann hoffen wir auf die Segnungen des Staates, etwa das 365 Euro-Ticket. Büttner: In puncto Gebäudesanierung und Energiegewinnung sind wir gut unterwegs. Aber im Thema Verkehr haben wir nichts geschafft. Das nutzt auch nichts, wenn wir die letzten fünf Jahre anschauen. Der Verkehr hat zugenommen und wir müssen dringend etwas machen. Da gehört für mich ein Tempolimit dazu. Wir schaffen es nur, wenn wir die Bürger mitnehmen und nicht warten, bis irgendwas von oben nach unten kommt. Weil ich glaube, dass das nicht angenommen wird.

Wie kann man Leute so anbinden, dass sie hier bleiben wollen, vor allem was Wohnraum betrifft?

Büttner: Wir brauchen geförderten Wohnungsbau auch im Landkreis. Daher schlage ich vor, dass wir eine Kreiswohnungsbaugesellschaft gründen. Zusammen mit den Kommunen können wir Flächen weiterentwickeln. Wo alte Häuser leer stehen oder in alten Gehöften bauen wir Mietwohnungen, vielleicht auch geförderte.

Förderquote 60 Prozent aufwärts?

Büttner: Es können auch 100 Prozent sein. Wir haben 100 Prozent geförderten Wohnraum in Forchheim am Wasserstall. Das ist die Idee: Die Kommune hat einen Bedarf an Wohnungen und wir erstellen den. Das funktioniert schon.

Ähnlich optimistisch, Herr Ulm?

Ulm: Das Modell gab es schon. Die Gewog hat bei uns in Kunreuth schon in den 50er Jahren genossenschaftliche Mietshäuser gebaut. Auch in Ebermannstadt gibt es geförderten Wohnungsbau. Ein Modell, das funktionieren könnte wie in Erlangen. Weil es eine kommunale Aufgabe ist. Der Landkreis kann das begleiten. Ich hab es den Forchheimer Wohnungsbaugesellschaften auch schon vorgeschlagen. Man braucht Mietwohnungen, gerade für die Jüngeren, die noch kein Eigenheim haben, aber vor Ort bleiben wollen.

Themenwechsel: Herr Büttner, wie kam Ihre Kandidatur eigentlich zustande? Kam die Partei auf Sie zu? Oder war es Ihr Wunsch?

Büttner: Wir haben in der Partei und in der Fraktion darüber gesprochen und verschiedene Szenarien diskutiert. Eine Option war, ob ich mir vorstellen könnte, Landratskandidat zu werden.

... es war also kein Kindheitswunsch von Ihnen?

Büttner: Als Kind hab ich davon nicht geträumt. (lacht) Aber ich habe gemerkt, dass mir Kommunalpolitik viel Spaß macht. Das Gestaltenwollen liegt mir nahe; daher der Wunsch, dass ich Landrat werde.

Herr Ulm, wie reagieren Ihre Parteifreunde darauf, dass Sie kein Landrat nur für CSU-Wähler, sondern für alle sein wollen?

Ulm: Das war noch nie Thema. Ich könnte mich nicht erinnern, dass mich jemand angesprochen hätte, ich solle doch eine Parteilinie verfolgen.

Wenn Sie auf die letzten sechs Jahre zurückblicken: Sind Sie mit dem Erreichten zufrieden?

Ulm: Mit dem Erreichten bin ich zufrieden, obwohl es teilweise Projekte sind, die in den nächsten Jahren weitere Arbeit brauchen. Das klassische Beispiel ist unsere Klinikfusion. Das Rechtliche und das Politische sind abgeschlossen, aber es gibt viel, was zu tun ist für das Zusammenwachsen.

Herr Büttner, Sie haben Hermann Ulm viele Jahre als Landrat erlebt: Gibt es etwas, das sie unbedingt anders machen wollen?

Büttner: Es wurde gut verwaltet und wir sind ein Stück weit vorangekommen. Aber mir fehlt das Markenzeichen. Etwa beim Thema Pflege sind wir nicht vorangekommen. Seit 2018 wissen wir aus dem Pflegereport, dass uns Kurzzeitplätze fehlen und da wünsche ich mir mehr Elan. Mehr Ideen, als Landrat hat man Gestaltungsmöglichkeiten und kann Prioritäten setzen. Und das heißt für mich, es nicht jedem Recht zu machen, sondern zu sagen: Da liegt der Schwerpunkt.

Wäre Ihrer der Pflegesektor?

Büttner: Unter anderem, ja.

Ulm: Da möchte ich etwas dazu sagen. Zunächst einmal ist es keine unmittelbare Landkreisaufgabe, aber ich will es nicht wegargumentieren. Der Landkreis ist mittelbar zuständig. Er kann im Zweifelsfall Investitionen mitfördern. Wenn ein Bedarf besteht, wird das umgesetzt. Für mich ist wichtig, dass wir in verschiedenen Gemeinden in Vorgesprächen sind, um Tagespflege und betreutes Wohnen zu schaffen. Es ist eine Netzwerkaufgabe, die Träger an einen Tisch zu bringen. Das ist ein Prozess, der seit zwei, drei Jahren läuft.

Büttner: Über den Bedarfsplan haben wir 2018 gesprochen, da wurde gesagt, dass Kurzzeitplätze fehlen. Wir haben jetzt einen Notstand. Und seitdem ist nichts passiert. Das mahne ich einfach an. Es gibt Wege und andere Landkreise machen es vor. Ulm: Der Bedarfsplan ist Teil des Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts. Das wurde vom Kreistag im November 2019 beschlossen und ist in den kommenden Jahren strukturiert umzusetzen.

Herr Büttner. So Sie gewählt würden: Haben Sie keine Angst, das Image der SPD mache die Kreistagsarbeit schwieriger, weil der Rückhalt fehlt?

Büttner: Manchmal streite ich mit Leuten politisch, aber ich kann mit jedem danach ein Bier trinken. Und ich glaube, dass ich die Arbeit gut gestalten könnte, auch wenn ich keine Hausmehrheit hätte. Die ersten sechs Jahre von Reinhardt Glauber (Forchheimer Alt-Landrat der Freien Wähler,Anm. d. Red.) waren auch nicht einfach. Ich habe keine Angst davor, ich bin ein offener Mensch und wichtig ist, dass man auf die Menschen zugeht, sie ins Boot holt und Vorbehalte überwindet.

Herr Ulm, interessieren Sie sich für den Wahlkampf von Reiner Büttner - und wenn ja, wie nehmen Sie ihn wahr?

Ulm: Über die Plakate, ja. Persönlich finde ich ihn sehr nett. Es passt auch sachlich zwischen uns. Ich finde es ein sehr angenehmes Arbeiten. Arbeiten, nicht Kämpfen.

Und Sie, Herr Büttner, Interessieren Sie sich für den Wahlkämpfer Hermann Ulm? Und wenn ja, was kommt da bei Ihnen rüber?

Büttner: Ich nehme ihn schon wahr, er hat mehr Plakate als ich. (lacht) Aber das ist nicht das Thema. Er möchte wiedergewählt, ich möchte gewählt werden - das liegt in der Natur der Sache. Es ist ein fairer Wettstreit, wir gehen fair miteinander um und ich möchte es nicht anders haben. Wir bieten der Bevölkerung eine Auswahl und wir stellen uns zur Verfügung. Den Rest entscheidet der Wähler, dann passt das auch.

Das Gespräch führtenEkkehard Roepert und Stephan Großmann.