In Gasseldorf zeigt Michael Altinger, dass Witze auch tiefgängig sein können und der Tiefgang witzig daherkommen kann.
Michael Altinger will endlich ernsthaft werden. Als eine junge Dame ihm kürzlich aus dem Parkett "Schöner Arsch" zugerufen hätte, habe ihn das erst gefreut. Bis er gemerkte habe, dass er gar nicht mit dem Rücken zum Publikum stand. "Seitdem bin ich ernst", behauptet Altinger.
Der ewige Lausbub der Kabarett-Szene hat sich nach dieser schwerwiegenden Erfahrung eine Lesebrille ohne Gläser besorgt, um als "ernsthafter Depp" durchzugehen. Damit rechnet er sich große Chancen aus, denn sechs Stunden vor dem Eisprung stünden Frauen auf Professoren. "Danach dürfen sie immer blöder werden", höhnt er.
Rund 120 Zuschauer waren in das Gemeindehaus nach Gasseldorf zu "Comedy auf dem Dorf" gekommen, um den bayerischen Kabarettisten mit seiner Show "Das Ende vom Ich" zu sehen. Ernst und Spaß liegen an diesem Abend nahe beieinander.
Altinger springt zwischen diesen beiden Polen hin und her und liefert dabei Satire vom Feinsten. Mit auf der Bühne ist Altingers "Ein-Mann-Band" Martin Julius Faber, der die gesanglichen Einlagen des Comedians mit Gitarre und Keyboard untermalt und auch schon mal als Zielscheibe für wütende Schimpftiraden herhalten muss. Die Gesangseinlagen und lyrischen Ergüsse des Komikers vervollständigten die Show und brachten das Publikum immer wieder zum Lachen.
Klageweiber am Grab Dass er älter wird, merkt Altinger vor allem daran, dass er Blutdruckmessen und "Alkoholpausen" einlegen muss. Als Mann, der die Lebensmitte knapp überschritten habe, könne er sein Leben nur noch vom Ende her denken. Darum plant der 42-Jährige schon jetzt seine Beerdigung. Er malt sich aus, wie seine Ex-Freundinnen als Klageweiber am Grab stehen und in die Taschentücher heulen.
Altinger beleuchtet nicht nur die verschiedenen Facetten des Älterwerdens, sondern gibt auch seine gesellschaftlichen Beobachtungen preis. So gebe es heute nur noch zwei Schulabschlüsse: "Abitur oder Depp." Schon vom Kindergarten an würden Kinder zum Abitur getrimmt. Viele Menschen seien aber aus diesem Grund erst recht zu Deppen geworden. Der ein oder andere alkoholkranke Arzt wäre einem als Metzger doch um einiges sympathischer.
Im Schönheitswahn wird so mancher Zeitgenosse schon mal vom "Bettnässer zum Wellnesser". Dazu komme die Schnelllebigkeit. Jeder möchte viel erleben, aber möglichst schnell.
Da verwundert es nicht, wenn die "Super-Model-Mama mit ihrem Projekt-Kind" keine Zeit mehr hat, um am Herd zu stehen.
Stattdessen greift der trendbewusste Genießer von Heute auf exotische Speisen zurück, die alle im Grunde etwas gemeinsam haben: "Es schmeckt grässlich, ist teuer und kommt aus Asien."
Altinger will erst gar nicht wissen, "wie viele chinesische Komposthaufen als Wellness-Getränk auf deutschen Schreibtischen stehen."
Und überhaupt: das Internet. Es sorge dafür, dass die Menschen den richtigen Partner finden und sich von den falschen trennen. Jeder kann in sozialen Netzwerken preisgeben und teilen, was ihn bewegt und seine "Besonderheit hinausposaunen".
Schmeicheleien zum Abschluss Doch wundern brauche es einen nicht, wenn plötzlich alle die gleichen Dinge mögen wie man selbst. "Wir sind nicht mehr besonders", resümiert der Kabarettist. Doch wenn niemand mehr besonders ist, dann ist das das "Ende vom Ich".
Nach zwei Stunden schließt Altinger die Show mit einem Zitat des bekannten deutschen Kabarettisten Werner Finck: "Ein Kabarettist ist immer so gut wie sein Publikum und sie waren hervorragend."