Nachdem er Gästen, die über ein behindertes Kind am Nebentisch gelästert hatten, Hausverbot erteilte, bekommt Wirt Marcus Müller viel Zustimmung.
Der mediale Ansturm war riesig. "Der größte Teil der Meldungen war positiv, aber es gab auch negative", fasst Marcus Müller, Küchenchef im Landgasthof Lahner in Veilbronn, zusammen. In seinem Lokal war am Tag der deutschen Einheit eine Familie mit behindertem Kind angepöbelt worden. "Ich kenne diese Familie. Das Kind ist vom Hals abwärts gelähmt. Aber es ist total nett und gut angezogen; sitzt aber halt im Rollstuhl", sagt Müller und war deshalb besonders bestürzt, weil Gäste am Nebentisch laut über Behinderte lästerten. Behinderte Menschen sollten sich nach Aussage des Gastes nur in Heimen aufhalten.
Nachdem diese Leute ihm auch noch ein Mail geschrieben hatten und sich negativ über behinderte Gäste geäußert hatten, erteilte er den Lästerern Hausverbot und postete einen emotionalen Text auf Facebook. "Wir haben ausländische Servicekräfte, lesbische und schwule Freunde und meine Halbschwester Marianne ist behindert. Für uns sind alle Menschen gleich und herzlich willkommen", sagt Müller und möchte keine intoleranten Menschen als Gäste haben.
Von Interview-Anfragen förmlich überrannt
"Danach ging es los. Zeitungen, Radio- und Fernsehsender baten um Interviews. Und wir bekommen täglich hunderte von Nachrichten", erzählt der Küchenchef. Die meisten seien Zustimmung. Ein Pfarrer schrieb zum Beispiel: "Mich drängt es, Ihnen mein ausdrückliches Kompliment und meine Hochachtung zu Ihrer Haltensweise gegenüber des menschenverachtenden Vorfalls seitens eines Ihrer Gäste zum Ausdruck zu bringen. Ich finde es toll, wie engagiert Sie da reagiert haben."
Andere bewunderten, dass er so deutlich Stellung bezogen hatte. "Ich war auch stolz, dass mich der Forchheimer Landrat kontaktierte und mich für mein Engagement lobte", berichtet Müller und gibt zu, dass er sein Verhalten eigentlich gar nicht als so besonders sieht: "Ich war einfach von diesem Verhalten geschockt. Das darf es in einer zivilisierten Gesellschaft und in der heutigen Zeit einfach nicht geben."
Vorwurf: Gastwirt wollte sich nur wichtig machen
Andere werfen ihm vor, er wolle sich nur wichtigmachen. Ein Facebook-Nutzer warf ihm vor, ein Gut-Mensch zu sein. Der Schreiber gab an, schlechte Erfahrungen mit solchen als Arbeitgeber gehabt zu haben. Außerdem schrieb er: "Ich frage mich, ob Sie wissen, wie viel Einwohner Afrika, Afghanistan, Irak, Iran, Türkei und Syrien hat. Glauben Sie wirklich, ein Land mit derzeit 83 Millionen Einwohnern kann zirka 800 Millionen Menschen aufnehmen?"
Richtig so, Hirn einschalten, jeder sollte froh sein, dass er/sie gesund ist
Wer ist hier eigentlich behindert?
Als ehemaliger Leiter einer Behindertenwohngruppe, kann ich von meinen Erfahrungen berichten. Wenn wir mit unseren Bewohnern eine Gaststätte aufgesucht haben, habe ich zuvor immer gefragt, ob wir dort willkommen sind. Ich habe nie von seiten der Gaststättenbetreiber eine ablehnende Antwort erhalten. Auch haben sich andere Gäste nicht über unsere Anwesenheit beschwert. Natürlich haben Menschen mit Behinderungen ihre Eigenheiten, ("normale" übrigens auch), dies kann zu Verunsicherung und Hilflosigkeit führen. Das liegt vor allem oft daran, dass eben Behinderte trotz (vermeintlicher) Inklusion im Alltag vieler Menschen nicht vorkommen und sie nicht wissen, wie sie mit ihnen umgehen sollen. Was sich die Gäste in Herrn Müllers Landgasthof geleistet haben als sie über Behinderte hergezogen haben, geht gar nicht und zeigt deren moralische Armseligkeit. Vielleicht sollten sie sich einmal bewusst machen, dass wir alle z.B. bei der Geburt oder durch Unfälle, Schlaganfälle etc. eine Behinderung erleiden könnten. Zusätzlich dazu noch Ausgrenzung und Ablehnung erleben zu müssen schmerzt gewaltig. Wer sich so gegenüber Menschen verhält, die in irgendeiner Weise "anders" sind, zeigt, dass er ebenfalls eine "Behinderung" hat und zwar im sozial-emotionalen Bereich.