Fränkische Pilgerin im schwarzen Herz der Bayern

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"Da läuft mir die Gänsehaut runter", gibt die Forchheimer Stadträtin Mathilde Hartmann zu, während die Bayern-Hymne geschmettert wird. Fotos: Nikolas Pelke
"Da läuft mir die Gänsehaut runter", gibt die Forchheimer Stadträtin Mathilde Hartmann zu, während die Bayern-Hymne geschmettert wird. Fotos: Nikolas Pelke
Passau-Fan: Franz Kupfer aus Heroldsbach ist zum dritten Mal dabei.
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Edmund Stoiber hält seine Rede Nr. 16 in Passau. Nur einer hat diese Zahl getoppt. Natürlich FJS.
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Passau-Premiere für Mathilde Hartmann: Die CSU-Stadträtin ist erst skeptisch, dann begeistert. Ein Wunder?

Ein profaner Bus bringt die fränkische Pilgerin tief ins schwarze Herz der Bayern. Plötzlich taucht er auf und steht da, der Schrein der Schwarzen: die Dreiländerhalle in Passau.

Bierhumpen an Bierhumpen sitzen sie da, beten zu tausenden, dass es endlich losgehen möge - mit der Aschermittwochs-Zeremonie. Wie die Pilgerin aus Forchheim sind die meisten Passau-Wallfahrer schon seit 5 Uhr in der Früh auf den Beinen.

Mathilde Hartmann ist mittendrin, als sich die CSU-Lichtgestalten durch den Jubel zur Bühne tragen lassen. "Ich bin noch ein wenig skeptisch", gibt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CSU im Forchheimer Stadtrat zu, als Seehofer und Stoiber nicht mehr in Hörreichweite sind. Mathilde Hartmann freut sich trotzdem auf das, was jetzt kommt: Passau.



Eine halbe Stunde haben sich die Granden der Partei im Scheinwerferlicht gesonnt, Hände geschüttelt und sich umringt von Männern mit Knopf im Ohr den Weg auf das weiß-blaue-Podium gebahnt. "Auf geht´s", feuert ein kleiner die großen CSUler an. Edmund Stoiber legt los und redet sich nicht in Rage. Giftpfeile schießt der ehemalige Ministerpräsident trotzdem ab. "Ich gehöre mittlerweile zwar zur Generation 70 Plus. Aber ich habe noch mehr politische Fantasie, als dieser müde Haufen der bayerischen Opposition."


Der Saal tobt
Adam Bieger stößt einen Urschrei aus. Das Mitglied des Forchheimer Ortsverbandes haut es vor Begeisterung fast von der Bierbank. Mathilde Hartmann applaudiert. Derweil ließt Stoiber den Papst-Kritikern die Leviten. Die seien päpstlicher als der Papst und würden nicht erkennen, dass der Oberhirte in Rom der "größte Sohn Bayerns" seit tausend Jahren sei. Nun rastet nicht nur Adam Bieger aus. Der Saal tobt. Eine Fernsehkamera unterm Saaldach fegt haarscharf über die Köpfe hinweg. "Ich bin ein guter Katholik", sagt Adam Bieger, stößt aber nicht an. "Ich bin kein Biertrinker, aber dafür Raucher."

In der Halle wird zwar nicht gepafft, aber qualmen tut es trotzdem gewaltig. "Direkt an der Rednerbühne sind es locker 45 Grad", sagt eine Kellnerin. Ganz hinten im Saal, dort wo die fränkischen CSU-Freunde und Mathilde Hartmann sitzen, ist es in dieser Hinsicht etwas angenehmer. Aber an den Lippen hängen, das schaffen von dort nur Argusaugen. Distanzgründe und so. Der Vorteil: In der Pause ist der Pilger viel schneller bei den herrlichen Brezn. Und ja, auch beim Bier.

Aber Pause und Passau passt nicht, deswegen laufen jetzt bewegte Aschermittwoch-Reden über die großen Bildschirme auf der Bühne. "Wo spricht denn der Seehofer?", fragt ein Pilger und versucht den Ministerpräsidenten auch leibhaftig am Saal-Mikrofon zu erhaschen. Und da erscheint er. Jubel zuerst, dann viele geschockte Gesichter. Weil der Seehofer wohl verkältet ist, stimmbandmäßig. Und schon um 12 Uhr und 37 Minuten notiert ein Kollege von der Passauer Presse in seinen Notizblock: "Krächzen, hält die Stimme von Seehofer?"

Die fränkischen Pilger ficht das bisschen Krächzen nicht an. Glänzende Augen allerorten, als Seehofer den Bogen spannt von der Industrialisierung (Franz-Josef Strauß) über High-Tech (Edmund Stoiber) bis zur vollständigen Digitalisierung des Bayernlandes, die Seehofer selber noch schaffen will. Nach der Wahl. Logisch. Aber schließlich versprechen die anderen auch jedes Wunder vom blau-weißen Himmel. Den roten Besserwissern aus Norddeutschland und den grünen Nein-Sagern ruft er zu: "Wir brauchen keine Trauerweide Claudia Roth. Solche Leute können wir nicht brauchen, die gegen Windräder und deutsche Autos sind: Ich warte nur noch drauf, dass sie unsere bayerischen Schnitzel verbieten wollen!"

Darauf trinkt die "Blasmusi" auf der Bühne einen ordentlich Schluck. Kein Wasser, Bier natürlich. Demonstrativ bayerisch eben. Irgendwann muss es auch die Mathilde Hartmann umgehauen haben. Also geistig, weil jetzt gibt sie freudestrahlend dem Bayerischen Rundfunk ein Interview direkt in die Fernsehkamera. "Ich freue mich, dass er so deutlich über den Finanzausgleich gesprochen hat", sagt sie nach der Seehofer-Rede. Und die Reporterin sagt: "Superschön!"


Weniger Staat, keine Vorschriften
Auch als die Kameras weg sind, sagt sie: "Ich muss ganz ehrlich sagen, es hat mir sehr sehr gut gefallen." Vor allen Dingen die Emotionen und die Stimmung. Und Seehofer? "Der hat mir aus der Seele gesprochen." Weniger Staat und keine Leute, die einem Vorschriften machen wollen. "Und für mich als Familienpolitikerin mit vielen Kindern hat er gesagt: die Mütter-Rente muss her. Da liegt mir wirklich sehr viel dran, an die Frauen zu denken."
Dann die Bayern-Hymne. Dann die Nationalhymne. "Da läuft mir die Gänsehaut runter", gibt Mathilde Hartmann zu. Dann rennt sie zum Bus, wo die anderen Pilger schon warten.