Der türkisch-deutsche Autor Habib Bektass las in der Buchhandlung Fränkische Schweiz Gedichte vor. Heimat und Identität waren zentrale Themen.
Manchmal spricht der Mund eines arglosen Kinds Wahrheiten aus, die Erwachsene nicht auszusprechen wagen. Der türkisch-stämmige Autor Habib Bektasş hat in einem Gedichtband aufgeschrieben, was sein kleiner Sohn von ihm wissen wollte. "Die Türkei, Papa, sagst du, ist unsere Heimat. Aber dort sprechen sie doch nicht deutsch wie bei uns hier."
Naive Worte, die zum Nachdenken anregen. Die Botschaft kommt auch bei den zahlreichen Zuhörern an, die am Dienstag zu der Lesung in die Buchhandlung Fränkische Schweiz nach Ebermannstadt gekommen waren. "Da soll einer behaupten, dass Lyrik nicht zieht", freute sich das Inhaber-Ehepaar Peter.
Autor Bektas selbst ş ist überzeugt: Wer sich zeitlebens etwas von dieser kindischen Sichtweise auf die Welt bewahrt, ist ein besserer Mensch. Heute ist der Sohn längst erwachsen und der Vater ein erfolgreicher Literat.
In der Türkei sind seine Romane, Gedichte und Theaterstücke - obwohl die meisten von ihnen in Erlangen entstanden sind - bekannter als in Deutschland. Bektas umfangreiches Werk erscheint in der Türkei und - aus dem Türkischen übersetzt - auf dem deutschsprachigen Markt, in Griechenland und Brasilien.
Die Lebensgeschichte von Bektas, der 1973 nach Deutschland gekommen war und sich in Erlangen niederließ, ist abenteuerlich.
Kulturelle Institution Unter anderem war er in Deutschland als Textil-und Metallarbeiter tätig und betreute als Streetworker Drogenabhängige. Von 1989 bis 2011 betrieb er mit seiner Frau das von ihm gegründete Theatercafé, das in Erlangen über die Jahre zu einer kulturellen Institution geworden ist. Seit zwei Jahren leben er und seine Frau wieder überwiegend in der Türkei.
Erlangen bleibt für den Schriftsteller mit türkischen Wurzeln ein besonderer Ort. "Hier habe ich mehr als die Hälfte meines Lebens verbracht", sagte er über seine langjährige Heimatstadt. Sogar ein Buch "Babel zum Trotz" hat er in Zusammenarbeit mit dem Fotografen Bernd Böhmer der mittelfränkischen Universitätsstadt gewidmet.
Auch die dunklen Kapitel der Stadt werden dort beleuchtet. Auf Wunsch einer Zuhörerin las Bektasş etwas daraus vor. "Deckt mich zu, keiner soll mich sehen", sagt etwa der Erlanger Schlossplatz in einem Gedicht, voller Scham über die Bücherverbrennungen durch die Nationalsozialisten, die dort am 12. Mai 1933 stattgefunden haben.
Im Jahr 2002, zum 69. Jahrestag dieser frevelhaften Tat, war der ganze Schlossplatz in ein großes, schwarzes Tuch gehüllt.
Das Gedicht von Bektasş war dort auf zwei Transparenten zu lesen - einmal in türkischer und einmal in deutscher Sprache. Seine Werke verfasst er zunächst in türkischer Sprache und übersetzt sie dann - oft mit Hilfe seines Sohnes - ins Deutsche. "Meine Poesie hat eine eigene Sprache. Sie ist weder türkisch noch deutsch", antwortet der Schriftsteller auf die Frage, welche Sprache er in seiner Arbeit bevorzugt.
Zweisprachige Lesung Darum ist es ihm auch so wichtig, seine Lesungen zweisprachig abzuhalten. Viele Gedichte, die Bektas an diesem Abend in Ebermannstadt mit seiner sanften, angenehmen Stimme auf Deutsch vortrug, wiederholte er auf Türkisch. Der Autor will Brücken bauen zwischen türkischer und deutscher Kultur.