Nach dem Bau des Lidl Logistikzentrums wurden im Naturschutzgebiet Ausgleichsflächen geschaffen. Dabei war die Gemeinde möglicherweise von der Regierung falsch beraten. Jetzt hat sich die EU-Kommission eingeschaltet.
Zu einer "Dringlichkeitssitzung" lud Bürgermeister Claus Schwarzmann (BB/OEB/AS) die Gemeinderäte am Dienstag ein. Es ging um eine Erweiterung des Naturschutzgebietes sowie des sogenannten FFH- und des Vogelschutzgebietes in der Büg.
Auf den ersten Blick war die Dringlichkeit dieses Anliegens schwer nachvollziehbar. Denn drei Jahre lang hat die Gemeinde gemeinsam mit der Naturschutzbehörde der Regierung von Oberfranken an der Ausweisung des Schutzgebietes gearbeitet. Im März 2013 hatte der Gemeinderat dann einen einstimmigen Beschluss gefasst. Und nun spricht die Regierung davon, dass mit diesem Beschluss möglicherweise "rechtswidrige Zustände" geschaffen worden seien.
Jahrelang habe ein "hochdotiertes Gremium" zusammengesessen, erinnerte Gemeinderat Peter Eismann (CSU). Habe denn niemand von einer drohenden Vertragsverletzung gewusst? "Hat in drei Jahren Arbeit niemand darauf hingewiesen? Da hat die Regierung wohl was vergessen. Das kann ja wohl nicht sein."
Claus Schwarzmann erwiderte, dass der "zwei Hektar große Eingriff" in das Naturschutzgebiet (durch den Bau des Lidl Logistikzentrums) "sehr gut kompensiert" worden sei: Davon sei nicht nur die oberfränkische Regierung überzeugt, sondern auch die Naturschutzverbände.
"Paradiesische Zustände sind in der Büg hergerichtet worden", meint Schwarzmann. "Die Ausgleichsgeschichte haben alle als beispielhaft angeschaut." Dass jetzt Zweifel aufkommen, das schreibt der Eggolsheimer Bürgermeister "einem Einzelnen" zu, "der eben das Haar in der Suppe finden wollte".
Gemeint ist der Eggolsheimer Natur-Aktivist Heinz Marquart. Der betont seit Jahren, dass das Vorgehen in der Büg gegen das Naturschutzrecht verstoße. Weil er auf lokaler Ebene nicht gehört worden war, schilderte Marquart sein Anliegen der EU-Umwelt-Kommission. Einer seiner zentralen Vorwürfe lautet: Bevor in FFH-Gebiete eingegriffen werden könne, müssten Alternativen geprüft werden. "Diese fehlen nachweislich, ebenso eine Beteiligung der EU Kommission im Bebauungsplanverfahren."
Mit dem Hinweis auf die fehlende EU-Beteiligung könnte Marquart den wunden Punkt getroffen haben. Denn nachdem er seine Beschwerde im Februar 2014 Paul Speight vorgetragen hatte, forderte der EU-Kommissar die deutschen Behörden zu Stellungnahmen auf.
Die Zusammenkunft des Eggolsheimer Gemeinderates vom Dienstag hat genau damit zu tun. Denn die EU-Kommission hat ein sogenanntes Pilot-Verfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitet. Dieses Verfahren stelle die "Vorstufe zu einem drohenden EU-Vertragsverletzungsverfahren dar", lässt die Regierung von Oberfranken wissen.
Wo ist der Mehrwert? Am morgigen Freitag müssen das Bayerische und das Bundesumweltministerium zum Thema Büg gegenüber der EU-Kommission Stellung nehmen. Um ein Vertragsverletzungsverfahren abzuwenden, braucht die Regierung jetzt eine überzeugende Darstellung, die aufzeigt: Wie wurde in Eggolsheim agiert, um den Eingriff in das Natura- 2000 Gebietes zu kompensieren? Welcher ökologische Mehrwert wurde geschaffen?
Mit anderen Worten: Indem die Regierung in Bayreuth die Gemeinde Eggolsheim auffordert, das Naturschutzgebiet zu erweitern, legt sie selbst nahe, etwas versäumt zu haben. Der Text der Beschlussfassung vom Dienstag wurde von der Regierung formuliert, wie Claus Schwarzmann betont. Darin heißt es: "Der Beschluss über die Unterschutzstellung als Natur- 2000 Gebiet ist nachzuholen."
Dieses Nachholen beschloss der Gemeinderat einstimmig. Die Rede ist von einer Fläche, die 317 927 Quadratmeter umfasst. Sie soll jetzt als Natura 2000-Gebiet ausgewiesen werden. Uwe Rziha (Freie Wähler) meinte, dass der Versuch, das Verfahren zu heilen, mit dem Sandabbau in der nördlichen Büg kollidieren könnte. Bis 2022 hat die Firma Roth dort das Recht, Sand und Kies abzubauen. "Droht ein Entzug des Abbau-Vertrages?"
"Man muss warten, was rauskommt", sagte Claus Schwarzmann im Hinblick auf die morgigen Stellungnahme vor der EU-Kommission. Schlimmstenfalls werde Deutschland, Bayern oder die Regierung von Oberfranken "eins auf den Deckel kriegen".
Plötzlicher Zugriff Trotz des einstimmigen Ratsbeschlusses blieb bei Hans-Jürgen Dittmann (CSU) am Dienstag ein fader Nachgeschmack: "Der plötzliche Zugriff auf das Naturschutzgebiet ist überraschend und ich frag mich, warum. Das ist formal unbefriedigend, wenn ich als Gemeinderat nicht weiß, was ich entscheide."
Zufrieden war gestern zumindest der Beschwerdeführer Heinz Marquart: "Ich bin auf jeden Fall froh, dass die EU Kommission die Sache aufklären möchte." Marquart ist überzeugt, dass die EU ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten wird: "Man kann nicht 2007 ein Gebiet ausweisen und 2015 mache ich dann eine Naturschutzgebiet daraus." Vor allem werde die EU-Kommission "kein Verständnis dafür haben, dass sie an dem Verfahren in der Büg nicht beteiligt wurde", ist Marquart überzeugt.