Im Frühjahr 2008 hatte Richter zu ermitteln begonnen, weil die beiden Kinder und die Ex-Frau von Werner Weiß zur Polizei gegangen waren. Üblicherweise hatte sich Weiß zu Weihnachten und an den Geburtstagen gemeldet. "Sein Schweigen beunruhigte die Familie, sie befürchteten etwas", erzählt Rolf Richter. Die Überprüfungen bei der Führerscheinstelle, bei der Krankenkasse und beim Einwohnermeldeamt ergaben eindeutig: Ausgewandert war Werner Weiß keinesfalls. "Da hätte es eine Rückmeldung der Behörden aus dem jeweiligen Land gegeben", sagt Rolf Richter. Der folgte dann dem Hinweis der Kinder von Werner Weiß: Ihr Vater habe Kontakt zu einem Erlanger Anwalt gehabt. Dem befreundeten Anwalt hatte Weiß seine Schwierigkeiten anvertraut, auch die Geschichte vom Verkauf seines Institutes an Wolf. Nach dem Gespräch mit dem Anwalt schöpfte Rolf Richter erstmals den Verdacht, dass Werner Weiß "um die Ecke gebracht" worden sein könnte.
Fortan beschäftigte sich der Kommissar mit der Frage: Wie kann ein Bestatter unbemerkt eine Leiche beseitigen? Da in Bayern die Särge vor dem Verbrennen nicht nochmals geöffnet werden, hätte es sein können, dass Werner Weiß mit einer anderen Leiche verbrannt worden war.
Rolf Richter verhörte Klaus Wolf in der Justizvollzugsanstalt Nürnberg, wo er 2008 erneut wegen Betrügereien einsaß. Wolf versteifte sich auf die Auswanderungsgeschichte - "er stritt alles ab".
Es war ein Zufall und eine beiläufige Frage im Hinausgehen, die den Ermittler schließlich auf die entscheidende Spur brachte. Wo er denn seine Leichen verbrennen lasse, hatte Rolf Richter gefragt. Und als Klaus Wolf "in Aalen und in Passau" antwortete, machte sich Rolf Richter sofort auf den Weg.
Verstorbenen missbraucht, um Leiche zu beseitigen
In den Unterlagen des Krematoriums Aalen stieß er auf den Namen Albert Schmidt. Diesen Namen (von der Redaktion geändert) hatte Rolf Richter schon mal gelesen - bei seinen Recherchen am Friedhofsamt Erlangen. Daher schwante ihm, dass Klaus Wolf diesen eines natürlichen Todes Verstorbenen missbraucht hatte, um die Leiche verschwinden zu lassen. So war es: Einmal ließ Wolf Albert Schmidt in Aalen verbrennen und nahm die Urne gleich wieder mit. Und im bayerischen Passau, wo der Sarg vor dem Kremieren nicht mehr geöffnet wird, ließ Wolf die sterblichen Überreste des ermordeten Werner Weiß unter dem Namen von Albert Schmidt verbrennen. Anschließend wurde die offizielle Urne von Schmidt mit der Asche von Weiß zum Erlanger Friedhofsamt geschickt.
Da diese Mordgeschichte wahrscheinlich, aber durch keinerlei Spuren belegbar war, brauchte Ermittler Rolf Richter ein Geständnis. Und das erhielt er auf verblüffende Weise von Heinrich Schreber, dem Geschäftspartner von Wolf. Schreber wurde zu diesem Zeitpunkt ebenfalls wegen Betrugs gesucht. Als ihn die Polizei im Juli 2008 in Kassel verhaftete, holte ihn Rolf Richter dort persönlich ab. Im Mittelpunkt des Verhörs stand die Frage: "Wo ist Werner Weiß? Was habt ihr mit ihm gemacht?"
Den Schädel gespalten
Werner Weiß war seit Ostern 2007 tot. Nachdem er misstrauisch und gegen Klaus Wolf rebellisch geworden war, weil er endlich das versprochene Geld wollte, hatte Wolf den Mordplan geschmiedet. Und Schreber überredet, die Tat auszuführen. Das Mord-Duo forderte Werner Weiß auf, am Ostersamstag 2007 ins Beerdigungsinstitut zu kommen. Nach eineinhalb Stunden Streit gab Klaus Wolf das entscheidende Zeichen. Ein Kopfnicken. Heinrich Schreber griff zum bereit gestellten Kantholz und spaltete Werner Weiß den Schädel.
"Jetzt sag halt, was los ist". Diese Aufforderung von Rolf Richter nach drei Stunden Verhör, brachte die Wende. Richter hatte bemerkt, dass Schreber weich geworden war. "Die Ohren waren rot, die Hände nervös, er schluckte immer wieder. Ich hab nicht geglaubt, dass er der Mörder ist, ich dachte aber, er weiß es." Es war wohl der Drang, sein Gewissen zu erleichtern, der Heinrich Schreber überwältigte: "Den ham wir erschlagen", platzte es aus ihm heraus. "Der Satz kam wie aus heiterem Himmel", schildert Rolf Richter diese entscheidende Szene. Sofort bestellte der Ermittler seine Kollegen vom Film-Team und ließ noch in derselben Nacht das Mordgeschehen am Tatort minuziös nachstellen.
Der Film wurde dann auch 2009 bei der Verhandlung am Landgericht gezeigt. "Da war im Saal komplette Stille", erinnert sich Richter. Es sei wohl auch den Prozessbeobachtern unheimlich gewesen, mit welcher Klarheit Heinrich Schreber den Mord schilderte. Für Rolf Richter war es der letzte Fall seiner Karriere. Üblicherweise dauert es im Schnitt eineinhalb Jahre, bis ein Tötungsdelikt aufgeklärt wird. Beim Bestatter-Mord dauerte es von April bis Oktober. Zehn Akten hatten sich angesammelt. Einfühlungsvermögen und Kombinationsgabe seien wichtige Eigenschaften seines Ermittlers, weiß Richter. "Aber auch Geduld und Beharrlichkeit." Bei den tatsächlichen Ermittlungen gehe es eben "nicht so komprimiert zu wie im Fernsehkrimi". Zudem stehe die Figur des Kommissars nicht so im Mittelpunkt, sagt Rolf Richter: "Es ist immer ein gegenseitiger Austausch." Beim Bestatter-Mord hätten in der heißen Phase etwa zehn Leute kooperiert. Rolf Richter: "Einer allein wird so einen Fall nie auflösen."