Sologesänge in den Andachtsmusiken
In einem lateinischen Text beklagt der gläubige Mensch die Zahl der Feinde, denen er gegenübersteht. Vom ersten Ton an fesselt der Chor durch seine unüberbietbare Präzision und Dynamik. Kleinste Andeutungen des Dirigenten werden umgesetzt. Gott erhört die verzagten Wechselgesänge und befreit die Gläubigen von ihren Feinden in einem Zusammenströmen der Stimmen. Die intensiv gemalten Tonbilder lassen den Inhalt der Texte ahnen, zu denen keine deutschen Übersetzungen greifbar sind. Typisch für Purcells Andachtsmusiken sind Sologesänge. Der Tenor Jakob Pilgram stellt mit schmerzlich bewegter Stimme die Frage "Lord, what is man?" Herr, was ist der Mensch? Er verdient es gar nicht, dass Gott für ihn auf die Erde kommt. Die Antwort erfolgt in einer Dankesarie mit tänzerischen Sequenzen und einem endlosen Alleluja.
Diese oft spontanen Stimmungswechsel sind eine Herausforderung für die Sängerinnen und Sänger, die mit souveräner Gestaltung die Zuhörer in Spannung halten.
Das gelingt auch Agnes Kovacs mit dem "Peaceful is he and most secure" von John Blow, dem Lehrer von Purcell. Mit warmem Sopran gibt sie sich als christlicher Mensch auch bei Notlagen in die Hände Gottes. Sie weiß, dass sie mit einem Lächeln sterben kann. Auch im Unglück auf Erden ist der Himmel sicher. Die Sängerin lächelt unter Tränen.
Ein fröhliches Gegenstück dazu ist Henry Purcells "Now the night is chas'd away". Die dunkle Nacht ist vorbei, ein Tag voller Freude kann beginnen. Dunkle Passagen münden in ausgelassene Rundgesänge des Chors. Mitreißende Heiterkeit, die Purcell auch als volkstümlichen Komponisten zeigt.
Japanische Kurzgedichte
Der in der schwedischen Musikszene hoch angesehen Olof Boman hat seinen Landsmann David Swärd beauftragt, japanische Kurzgedichte zu den Jahreszeiten zu vertonen.
Expressive Tonfolgen, die sich frei von den Gesetzen der Harmonie bewegen, kurz klingt eine Melodie an, die sich in lautmalerische Wortfetzen verliert. Immer wieder tauchen Wortspielereien mit den Begriffen für die Jahreszeiten auf. Dumpf der Winter, im Frühlingswind Stimmen, die wie Porzellanglocken klingen, leises Summen im Herbst, stete Tempowechsel im sich ankündigenden Winter. Für den Chor eine äußerst anspruchsvolle Aufgabe, die brillant gemeistert wurde, für die Hörer eine bereichernde Erfahrung. Der Komponist ist zur Aufführung des Werkes eigens aus Schweden angereist.
Die Rückkehr zur Musik Purcells führte zu wahren Freudenschreien des Tenors Hermann Oswald, der das Vergehen eines langen grausamen Winters triumphierend feierte.
Dagegen ist "The night is come" ein stiller Hymnus an die Vergänglichkeit. Jakob Pilgram und der Bariton Raimonds Spogis stellen mit sanfter Melancholie den Schlaf als des Todes Bruder dar.
Die oft als schwierig bewertete Akustik der Kirche optimal auszuloten, bereitete dem Chor hörbares Vergnügen. Im Gebet "Hear my prayer, o Lord" verteilt sich der Chor an verschiedenen Plätzen im Schiff der Basilika. Der leise flehende Gesang erfüllt den ganzen Kirchenraum. Der wunderbar schwebende Gesang im Zusammenklang mit der vollendeten Architektur wurde zum großen Erlebnis für die Zuhörer.
Schwedisches Volkslied als Abschluss
"O all ye people, clap your hands", das Loblied aus Psalm 47, fasste noch einmal alles zusammen, was die Musik Purcells auszeichnet: Intensität, Schönheit und tiefe Gefühle. Genau dieses hat der Balthasar-Neumann-Chor den begeisterten Hörern überzeugend vermittelt.
Doch ohne ein Volkslied aus seiner Heimat Schweden wollte Olof Boman die Basilika nicht verlassen. Rauschender Beifall. Die Balthasar-Neumann-Musiktage waren für das Initiatoren Team und ihrem Sprecher Toni Eckert ein großartiger Erfolg. Was hat Gößweinstein, was die anfangs genannten Städte nicht haben? Neumanns Basilika.