Die Angst habe ich nicht um mich, sondern um jedes einzelne Individuum: Ein Mensch springt über die Bordkante und ist weg. Oder verletzt sich selbst. Jeder unkontrollierte Sprung von der Bordkante ist etwas Gefährliches.
Welchen Schicksalen begegnen Sie an Bord?
Die Geschichten sind sehr ähnlich. Es geht um Folter, Gefangenschaft, sexuelle Gewalt. Den Satz, den ich am häufigsten in den verschiedenen Sprachen gehört habe ist: "Libyen ist die Hölle."
Die Menschen, die wir an Bord haben, haben Hoffnung auf große Menschenrechtsthemen. Es ist beeindruckend, wie sie Hoffnung auf ein besseres Leben haben. Außerdem bin ich gerührt von dem Vertrauen, dass sie mir ihre Geschichten erzählen.
Wie sieht der Alltag auf dem Schiff aus, wenn gerade keine Seenotrettung läuft?
Allgemeine Schiffsarbeit: Es ist ein permanenter Kampf gegen Korrosion und Salzwasser. Wenn wir in der "Search and Rescue-Zone" sind, sind vier Crewmitglieder im Ausguck. Sie suchen den Horizont mit Ferngläsern ab, beobachten den Schiffsradar. Das ist eine sehr ermüdende Tätigkeit. Gleichzeitig wissen wir: Das rettet Leben.
Wie reagieren Ihre Mitmenschen auf ihr Engagement?
Mein Umfeld ist sehr solidarisch. Ich nutze Unterstützungsangebote, um zu reden. Auch meine Familie ist solidarisch. Bei meinen Eltern ist natürlich auch Sorge dabei.
Haben Sie schon einmal an Ihrer Arbeit gezweifelt?
Nein. Es gibt Momente, in denen bin ich sehr frustriert. Wenn ich merke, es gäbe eine politische Lösung. Beispielsweise bei der Mission mit Carola Rackete. Da hätte die EU sagen müssen: Das ist mit den Menschenrechten nicht vereinbar, erst einmal dürfen alle Leute an Land und dann versuchen wir das politisch zu regeln. So etwas frustriert, aber nicht die Arbeit mit unseren Gästen. Das Gespräch führte Franziska Rieger.
Veranstaltung
Termin Der Forchheimer Lorenz Schramm berichtet am Freitag, 15. November, um 19 Uhr im Pfarrsaal St. Anna (Forchheim) über die Seenotrettung im Mittelmeer.
Initiator Der gebürtige Forchheimer berichtet auf Einladung des Netzwerkes Asyl, der GEW und von Bündnis 90/Die Grünen über die Rettungsaktionen. Der Eintritt ist frei. red