Wenn der Chat zur Waffe wird

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Beleidigungen via Facebook, Whatsapp und Co. können Jugendliche tief verletzen. Foto: Oliver Berg, dpa
Beleidigungen via Facebook, Whatsapp und Co. können Jugendliche tief verletzen.  Foto: Oliver Berg, dpa

Lästereien im Internet gehören heutzutage unter Jugendlichen dazu. Manchmal artet das aus. Experten warnen trotzdem davor, die neuen Medien zu verteufeln.

Anfangs ist Nina etwas überrascht und aufgeregt. Irgendwann beginnt der Teenager die Veränderung an ihrem Körper dann aber mit dem Handy festzuhalten. Sie knipst Fotos von sich, auch Nacktbilder. Nur für sich selber, kein anderer soll sie sehen. Die 14-Jährige will ihre Pubertät festhalten. Der Ordner im Handy ist ihr privates Fotoalbum.

Mit Leon aus der Parallelklasse kommt Nina kurze Zeit später zusammen. Nach ein paar Wochen schicken sich die Teenager intime Bilder. "Sexting" lautet der Fachbegriff, das Aufnehmen und Verschicken von Nacktfotos über das Handy. Nina und Leon machen das, was heutzutage viele Kinder in ihrem Alter tun.

Das Drama beginnt, als Nina mit Leon Schluss macht. Der Junge ist enttäuscht und verletzt. Er veröffentlicht ein Bild von Nina im sozialen Netzwerk. Kurz darauf ist die 14-Jährige das Gespött der Schule.



Der verlängerte Arm

Nina und Leon existieren nicht. Ihre Geschichte hätte aber überall in Deutschland genau so passieren können. "Das ist ein klassischer Fall. Einer ist enttäuscht und veröffentlicht Texte oder Bilder über und von dem anderen. Und in kürzester Zeit weiß es das ganze Umfeld", sagt Moritz Becker von "smiley", einem Verein zur Förderung der Medienkompetenz. Was meist eine Kurzschlussreaktion ist, kann zu fiesen Mobbing-Attacken im Internet führen, dem sogenannten Cybermobbing oder Cyberbul-lying.

Laut Beatrix Benz, Referentin für Jugendmedienschutz und Medienpädagogik in München, ist Cybermobbing "der verlängerte Arm" des Mobbings. Beleidigungen und Demütigungen habe es schon immer gegeben, auf der Straße, auf dem Pausenhof. Durch das Internet sei ein Verbreitungsweg hinzugekommen, um das, was man von dem anderen hält, öffentlich zu machen. Schnell und ohne persönlichen Kontakt. "Ich sehe nicht, wie mein Gegenüber reagiert. Dann mache ich mir auch vorher nicht so viele Gedanken", sagt Benz.

Für die Betroffenen können die Folgen dramatisch sein. Vor allem, wenn eine größere Gruppe beteiligt ist und man alleine dasteht. "Sie machen eine schlimme Zeit durch, fühlen sich verlassen", so Benz. Zumal die Jugendlichen häufig mit dem Problem alleine sein wollen und die Eltern nicht mit einbeziehen, weil es ihnen peinlich ist.
Für die Erziehungsberechtigten ist deshalb wichtig: Vertrauen gewinnen, im Zwiegespräch bleiben und keinesfalls ein Internetverbot aussprechen. "Abschottung oder Verteufelung bringt nichts. Es geht um Aufklärung", meint Melanie Rubenbauer vom Kreisjugendring Erlangen-Höchstadt. Das sieht auch Beatrix Benz so. "Die Jugendlichen sollen natürlich die neuen Medien nutzen. Aber eben bewusst."

Esther Christmann ist regelmäßig an Regensburger Schulen unterwegs, um Jugendliche über Cybermobbing zu informieren. "Bei Problemen in der virtuellen Welt steckt immer ein reales Problem dahinter. Man sollte als Lehrer oder Elternteil keine Angst vor den neuen Medien haben, sondern sich fragen: Was ist die Ursache?" In diesem Zusammenhang sei auch wichtig, die Lehrer zu schulen. "Hier hinkt das Kultusministerium noch hinterher. Ich finde, digitale Medien müssten ein Schulfach werden."

Das Problem bei der schnelllebigen Kommunikation auf Facebook oder Whatsapp sei, dass viele Jugendliche die Folgen nicht abschätzen würden. "Häufig beginnt alles mit einem Spaß. Es geht deshalb darum, zu sensibilisieren", sagt Christmann, die trotzdem auch betont, dass Jugendliche die Online-Scharmützel oft weit weniger dramatisch einordnen als Erwachsene.

Und bei allen gefährlichen Aspekten des Cybermobbings dürfe man laut Christmann eines nicht vergessen: "80 bis 90 Prozent der Jugendlichen gehen verantwortlich mit den neuen Medien um."