Susanne Wicht peppelt verletzte Wildtiere wieder auf

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Ein Siebenschläfer. Foto: Elke Spillman-Preuß
Ein Siebenschläfer. Foto: Elke Spillman-Preuß
Blässhuhn Fifi planscht. Foto: Elke Spillman-Preuß
Blässhuhn Fifi planscht. Foto: Elke Spillman-Preuß
 
Kaninchenpflegling im Büro. Foto: Elke Spillman-Preuß
Kaninchenpflegling im Büro. Foto: Elke Spillman-Preuß
 
Winterfütterung der Stare. Foto: Elke Spillman-Preuß
Winterfütterung der Stare. Foto: Elke Spillman-Preuß
 

Susanne Wicht kümmert sich um verletzte Wildtiere. Vom Blässhuhn bis zum Siebenschläfer ist in ihrer Menagerie alles dabei.

Es ist noch keine vier Wochen her, da wurde der Tierschutzverein Bamberg nach Sassanfahrt gerufen: Ein Schaf und sein Lamm standen bei strömendem Regen verlassen und hilflos herum. Nur mit sehr viel Mühe ließ sich das Muttertier mit Hilfe einer langen Fangstange und viel Muskelkraft einfangen. "Das Lämmchen war am Schwanz verletzt. Eindeutig eine Bisswunde. Von einem Hund, einer Katze oder einem Fuchs?", erzählt Susanne Wicht.

Sie war bei der Rettungsaktion dabei, obwohl Nutztiere nicht ihr Spezialgebiet sind. Seit 20 Jahren ist die Beamtin aktiv im Tierschutz und hat sich seit langem der Pflege von verletzten Wildtieren verschrieben. Die beiden Schafe sind nun auf einem Gnadenhof untergebracht. In ihren Volieren in einem großen Garten bei Bamberg hätte Wicht auch für Tiere dieser Größe gar keinen Platz. Dafür leben dort zurzeit rund 30 Kaninchen und 60 Tauben.
600 und mehr Tiere, so schätzt sie, hat sie im Laufe eines Jahres als Pfleglinge. Manche nur ganz kurz, bis sie wieder fit sind; manche bleiben für ihr weiteres Leben. Das sind Tiere, die aufgrund bleibender Schäden in der freien Wildbahn keine Chancen hätten. Mit Genehmigung der Naturschutzbehörde dürfen sie "in Gefangenschaft" bleiben.

So hatte sie auch das Wildhasenbaby eingeschätzt, dem sie den Namen Schnuppe gab. Man brachte ihr das zwei Tage alte Tier und sie musste feststellen, dass es an einer Lähmung litt. Fachleute rieten ihr zum Einschläfern, doch sie wollte dem Winzling noch eine Gnadenfrist geben. Und tatsächlich: Schnuppe fraß gut und nach dreieinhalb Wochen konnte es seine Beine bewegen. Sie setzte es in eine Außenvo-
liere um und als es immer wieder gegen das Gitter lief, machte sie für Schnuppe die Tür auf und Schnuppe hoppelte davon.

Der Anfang der Geschichte sei typisch, sagt Wicht. Das Tier wurde von Menschen angefasst, nahm den Geruch an und würde dann vom Muttertier abgelehnt. Da bleibe nur die Aufzucht durch den Menschen, bis das Tier sich selber versorgen kann. "Das heißt aber nicht, Tür auf und weg!", erklärt die engagierte Tierschützerin, die mit ihren Aktionen etwas von dem wiedergutmachen will, was menschliche Eingriffe in der Natur anrichten. "Das sind wir unseren Mitgeschöpfen schuldig", sagt Wicht darüber, dass sie an medizinischer Hilfe gibt, was möglich ist. Inklusive Tierarztbesuch, Impfung und Medikamenten.

Am Übergang zur Freiheit steht die Auswilderungsvoliere - mit mehreren Tieren. Deshalb hat Wicht auch einen kranken Raben an eine Kollegin von der Wildvogelhilfe abgeben. "Er wäre ein bisschen unverträglich bei meinen Tauben gewesen." In der Gemeinschaft bilden sich Gruppenstrukturen heraus, die berüchtigte - aber für die Tiere notwendige - Hackordnung eben. Denn nur so lernen in Gruppen oder Schwärmen lebende Vögel den eigenständigen Nahrungserwerb. Erst wenn man sicher sei, dass sie sich vom Menschen abgenabelt hätten und abhauen wollten, dürfe man die Tür öffnen. Und eventuell noch 14 Tage lang Futter in der Nähe anbieten.

Ein Problemkind ganz eigener Art war Fifi, ein Blässhuhn. Als Flaumküken hatte es eine Familie aus Coburg gefunden. Sie zog es liebevoll mit der Hand auf. Das Töchterchen trug es mit sich herum und knuddelte es wie ein Haustier. Wicht kann das kleine Mädchen gut verstehen, begann bei ihr selbst doch auch die Tierpflege mit einem Knuddeltier, einem weißen Kaninchen, das sie mit fünf Jahren geschenkt bekam. Aus dem liebevollen Streicheln wurde im Laufe der vielen Jahre sehr viel Sachkenntnis über die Bedürfnisse einzelner Tierarten und ein Umgang, der ihnen den Weg zurück ermöglicht.

Doch das Blässhuhn Fifi wurde größer und sollte an einem Weiher leben. Mit seiner starken Prägung auf den Menschen? "Fifi war ein witziges Tier", erinnert sich Wicht an die Badeaktionen in der Hühnervogelvoliere mit viel Gespritze und Geplansche. Es dauerte seine Zeit, bis es sich von den Menschen abnabelte.

Ganz so "gemütlich" konnte Wicht es dem beinverletzten Schwan nicht machen. "Aber er hat sich gerne helfen lassen. Er war richtig kooperativ, wenn ich sein Bein mit einem Medikament eincremte." Entdeckt worden war der gewichtige Altvogel auf einem Weiher bei Mühlhausen in Mittelfranken. Mit Erlaubnis des Jagdpächters fingen ihn Helfer vom Tierschutzverein ein, indem sie ihm mit einer Art Fischkescher an einer für ihn eingerichteten Futterstelle auflauerten.

Gefangen war auch ein Siebenschläfer. Gefangen in einem Eimer, der ihm zur Falle geworden war. Krank, unterernährt und mit Durchfall landete das possierliche Wesen bei der Wildtierpflegerin. Das erste, was sie tat, war sich einlesen. Vor allem, was die richtige Nahrung war für den nachtaktiven Bilch, einen entfernten Verwandten der Eichhörnchen. Der Tierarzt verschrieb "Moonlight", ein Antibiotikum. Da es schon spät im Jahr war, blieb der Siebenschläfer als Wintergast.

Und hielt keinen Winterschlaf. "Er litt dadurch nicht an Schlafmangel. Solange er genug Wärme und Nahrung hat, braucht er seinen Stoffwechsel nicht extrem herunterfahren wie im Winterschlaf. Das beweisen verwandte Arten in wärmeren Klimaten", klärt Wicht auf. Im Frühjahr brachte sie den geselligen Kerl dann auch wieder zu seinen Artgenossen. Eine Bitte hat sie nach dieser Erfahrung mit Moonlight an Gartenbesitzer: Decken Sie vor allem Ihre Regentonnen ab! Sie werden als Wasserquellen sonst oft zu tödlichen Fallen.

Tauben, das sind doch die Ratten der Lüfte, muss Wicht öfters hören. Aber gerade sie - gleich ob verletzte Wildtauben, verwilderte Haustauben oder hängengebliebene Brieftauben - sind ihr besonders wichtig. Weil die Ursache ihrer Erkrankungen oft falsche Ernährung ist. "Dem Körnerfressermagen bekommt auf Dauer der Dönerrest und der Nahrungsmittelabfall auf der Straße nicht."

Dass man sie in Massen nicht mag, weil sie mit ihrem Kot Gebäude massiv verschmutzen, dafür hat sie durchaus Verständnis. Und eine Lösung: städtische Taubenschläge. Das sei in anderen Städten schon erprobt. Dort erhalten die Tauben artgerechtes Futter, die Eier in den Nestern werden aber durch Kunsteier ersetzt. So sinkt die Population langsam.

Susanne Wicht ist unter Telefon 0171/2708989 und über Wildvogelhilfe im Verzeichnis für die Postleitzahl von Bamberg erreichbar.