Gewalt gegen Bild-Reporter - sechs Monate Bewährungsstrafe

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Die Kollegen der Bildzeitung sind nicht immer willkommen. Doch Gewaltanwendung ist auch bei einer anderen Meinung ausgeschlossen. Foto: Michael Busch
Die Kollegen der Bildzeitung sind nicht immer willkommen. Doch Gewaltanwendung ist auch bei einer anderen Meinung ausgeschlossen.  Foto: Michael Busch

Egal ob der Mann an der Tür ein Reporter, ein Zeitungsdrücker oder ein Bettler ist, rohe Gewalt ist kein Weg, um den im Zweifel ungebetenen Gast aus dem Haus zu bekommen. Im Zweifel wird dieses Vorgehen mit Gefängnis bestraft.

Es ist ein besseres Wohnviertel in Erlangen. Dort, wo Bürgermeister wohnen, dort wo viele Grundstücke ein wenig größer sind, als in anderen Vierteln der Stadt. Friedliche Welt - sollte der Außenstehende annehmen. Eine regelrechte Idylle, die im November 2014 allerdings massiv gestört wurde.

Ein 52-Jähriger hatte in einem Erlanger Mehrfamilienhaus eine Frau mit einer Armbrust bedroht. Auf die herbeieilende Polizei hatte der Mann sogar geschossen. Grund genug für einen Reporter der Nürnberger Redaktion der Bildzeitung die Recherche aufzunehmen, um herauszufinden, was dort in dem guten Viertel vorgefallen war.

Ein ehrenwertes Haus

Schnell hatte der Journalist zusammen mit einer Praktikantin und einem Fotografen das Haus ausgemacht, indem sich der Angriff ereignet hatte. Keine Villa, kein Bungalow, ein siebenstöckiges Haus, das vorwiegend von Studenten und Hartz IV-Empfängern bewohnt wird. In diesem Haus sollte die Frau wohnen, die bedroht worden war.

Die drei Redaktionsmitglieder teilten sich die sieben Flure auf, um von Wohnung zu Wohnung zu gehen, dort zu klingeln, um eventuell weitere Informationen zu bekommen. "Guten Tag, mein Name ist... und ich komme von der Bildzeitung", sei der Spruch gewesen, den der Reporter beim Öffnen immer wieder geäußert habe.

So erzählte er es gestern dem Richter Wolfgang Pelzl am Erlanger Amtsgericht. Dorthin ist der Fall nämlich gewandert, weil bei einer Wohnungstür dann doch nicht mehr alles im Rahmen der üblichen Recherche ablief. "Ich weiß, dass manche mit uns nicht sprechen wollen oder die Tür vor der Nase zuschlagen" - Berufsrisiko erläuterte der als Zeuge auftretende Reporter.

Im siebten Stock sah auch alles nach einer unfreundlichen, aber durchaus typischeren Reaktion aus. "Ein Mann öffnete die Tür, ich sagte, wer ich bin und dann warf er mir Schimpfworte an den Kopf." Nicht so dramatisch, auch wenn die Schimpfworte nicht unbedingt auf eine gute Kinderstube hinwiesen. Doch nach der Schimpftirade flog die Tür auch wieder ins Schloss. "Damit war für mich alles erledigt."

Doch gut eineinhalb Minuten ging diese Tür wieder auf, obwohl der Reporter bereits an einer anderen Tür sein Glück versuchte. Der zuvor lediglich unfreundliche Mann habe ihn wieder beschimpft und darauf hingewiesen, dass er dem ungebetenen Gast nun ein Hausverbot erteile. Ein Recht, wie Richter Pelzl in der Begründung zu seinem Urteil erklärte, "das dem Mieter sogar zugestanden hätte".

Wenn der nämlich, wie er bei seiner Befragung vor Gericht erklärte, davon ausgegangen sei, dass der Reporter kein Reporter, sondern ein Hausierer sei, könne er im Interesse der Hausgemeinschaft sich klar dazu äußern. Zumal es im Eingangsbereich ein Schild gegeben habe, das genau diese beiden Tätigkeiten, Betteln und Hausieren, untersagte.

Was aber gar nicht gehe, sei die dann folgende Aktion gewesen, die eine angemessene Reaktion deutlich überstiegen habe. "Urplötzlich fing dieser schimpfende Mann, auf mich einzuschlagen", rekapitulierte der Zeuge das Geschehen vor Gericht weiter. Schläge auf die Brust, die zu einer schweren Prellung führten, Tritte ins Gesäß und gegen die Beine führten zu weiteren Verletzungen.

"Ich dacht nur, nichts wie weg und versuchte noch Hilfe von den Kollegen zu erhalten." Im Bewusstsein, dass die Praktikantin eher zierlich und dem Berserker nicht gewachsen sei, forderte er die beiden dann letztlich aber zur Flucht auf. Er selber sei die Treppen regelrecht hinuntergestürzt. Die linke Hand am Geländer, um nicht zu stürzen, im Nacken den wildgewordenen Mieter, der die Flucht mit Tritten und Schimpfworten beschleunigen wollte. Erst an der Eingangstüre ließ der Verfolger von dem traktierten Journalisten ab.

Berufsrisiko ist vorhanden

"Die Beleidigungen hätte ich ja noch weggesteckt", erklärte der Bildmitarbeiter nach der Sitzung. "Die körperlichen Angriffe allerdings nicht." Zumal er lange Zeit mit dem Angriff nicht habe umgehen können. "Das hat zur Schlaflosigkeit geführt."

Pelzl führte aus, dass man sich in dem Job des Journalisten, ebenso wie in der Rolle des Richters, einiges gefallen lassen müsse. Daher sei dieser Part für das gesprochene Urteil eher unwichtig gewesen. Von der Fehlbeurteilung ausgehend, dass es sich um eine Drückerbande handelt, wäre der Angeklagte sicher auch besser beurteilt worden, wenn er angemessen reagiert hätte. "Doch nicht nur die Überreaktion spielte eine Rolle", sagte Pelzl. Ebenso entscheidend seien die kriminelle Geschichte des Angeklagten gewesen.

Im Alter von 46 Jahren fanden sich im Bundeszentralregister 23 Eintragungen zu Körperverletzungen, Nötigungen, Diebstahl, Urkundenfälschung, Fahren ohne Führerschein und einiges mehr. Einen Teil der Strafe hatte der "leicht erregbare Angeklagte" - wie er selber zugab - bereits hinter Gefängnismauern verbracht. Die letzte Tat, ein Verkehrsdelikt, liegt zwei Jahre zurück, aber auch in diesem Fall mit einer offenen Bewährungszeit.

Sechs Monate Bewährung

Die Staatsanwältin forderte in ihrem Plädoyer drei Monate ohne Bewährung. Der Urteilsspruch war dann allerdings leicht verändert. Sechs Monate, allerdings zur Bewährung ausgesetzt. Vier Jahre darf sich der Verurteilte, der ohne Anwalt erschienen war und das Urteil noch im Gerichtssaal annahm, nichts mehr zu Schulde kommen lassen. Weiterhin muss er soziale Dienste ableisten, die er in einer Jugendeinrichtung zu entrichten hat, in der er bereits jetzt ehrenamtlich tätig ist.

Ob dem Mann die Tat im Nachhinein wirklich Leid getan hat, war für die Prozessbeobachter ebenso schwer zu erkennen wie für den Richter. Bereits bei seinem Eingangsstatement hatte er auf die Vorhaltung, dass der Reporter sich als Mitarbeiter der Bildzeitung vorgestellt hatte, mit den Sätzen geantwortet: "Was? Der war von der Bildzeitung? Das ist ja noch Schlimmer!" Einsichtigkeit ist sicher etwas anderes.


Kommentar von Redakteur Michael Busch:

Es steht einem Reporter sicher nicht zu, über ein Gerichtsurteil zu urteilen. Dafür sind die Richter da und die haben sicher keinen einfachen Job, über etwas zu urteilen, das sie letztlich nur durch verschiedene Erzählungen vermittelt bekommen.

Es gab aber einen Nebenaspekt bei dieser Verhandlung, der nicht uninteressant, wenn nicht sogar erschreckend war. Der Verurteilte, so gab er an, arbeitet seit einiger Zeit ehrenamtlich in einer Einrichtung, die Kinder und Jugendliche betreut. Bereits 2009 hatte der Bundestag Änderungen im Bundeszentralregistergesetz (BZRG) beschlossen.

Mit der Änderung ist ein sogenanntes erweitertes Führungszeugnis für kinder- und jugendnahe Tätigkeiten eingeführt worden. Sinn ist es zu eruieren, ob Stellenbewerber bzw. Mitarbeiter wegen bestimmter Sexualdelikte an Kindern und Jugendlichen vorbestraft sind.

Ja, es liegt in diesem Fall kein Sexualdelikt bei dem Verurteilten vor, auch gegenüber Kindern und Jugendlichen gab es offensichtlich noch keine Auffälligkeiten. Dennoch bleibt ein schaler Geschmack, dass ein Mensch, der bereits 23 zum Teil einschlägige Eintragungen in seiner Strafakte hat, ein Mann, der von sich selbst behauptet "leicht erregbar" - im Sinne einer Gewaltreaktion - zu sein, dass solch eine Person im Umgang mit dem Nachwuchs ehrenamtlich weiter arbeiten darf.

Ich weiß, die Frage der Resozialisierung, die Unschuldsvermutung, all das spielt eine Rolle. Ein Mensch verwirkt durch seine Taten, ja nicht grundsätzlich seine ihm grundgesetzlich zugestandenen Rechte. Doch es bleibt ein schaler Geschmack und die Hoffnung, dass die kriminelle Karriere einen Abschluss gefunden hat.