Metzgerei mit massiven Nachwuchs-Problemen – einziger Azubi verabschiedet sich per WhatsApp

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Erlangen: Metzgerei verliert Azubi - per Whatsapp
Die Metzgereien Güthlein und Seeberger in Erlangen finden partout keinen Nachwuchs.
Erlangen: Metzgerei verliert Azubi - per Whatsapp
Metzgerei Seeberger

Die Metzgerei Güthlein aus Erlangen ist nur einer von vielen Fleischereibetrieben in Franken, der mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hat. Viel Hoffnung setzte die Chefin in einen jungen Mann - der sie dann aber bitter enttäuschte.

  • Metzgereien in Erlangen suchen dringend Auszubildende und Praktikant*innen
  • Junge Menschen haben immer weniger Interesse am Einzelhandel und Lebensmittelverkauf
  • Metzgerei Güthlein freut sich über kurzfristige Bewerbung, verliert Azubi aber nach eineinhalb Wochen
  • Metzgerei Seeberger: "Müssen unserem Personal stark entgegenkommen."

Das Angebot an Ausbildungsplätzen steht in Franken einer immer kleiner werdenden Anzahl von Bewerbungen gegenüber. Vor allem der Einzelhandel und Lebensmittelverkauf wecken derzeit kein großes Interesse bei jungen Frauen und Männern. Metzgerei Seeberger wartete mehrere Jahre auf eine Praktikumsbewerbung und Metzgerei Güthlein hat wieder eine offene Stelle, nachdem ihr einziger Auszubildender nach eineinhalb Wochen das Handtuch geworfen hatte.

Erlanger Metzgerei erlebt Azubi-Enttäuschung: "Ich will nicht mehr kommen"

Metzgerei Güthlein ist die hauseigene Metzgerei des Gasthofs Güthlein. Der Familienbetrieb mit 16 Mitarbeiter*innen hätte für das derzeitige Ausbildungsjahr gerne einen Auszubildenden oder eine Auszubildende eingestellt. Das Jahr hatte schon begonnen, als kurzfristig eine Bewerbung zum Metzgereifachverkäufer eintraf. "Eine sehr schöne förmliche Bewerbung. Der Bewerber hat zwei Tage Probe gearbeitet, ist sehr positiv aufgefallen", berichtet Geschäftsführerin Jana Güthlein. 

"Wir haben ihm sofort einen Ausbildungsplatz angeboten und ihn noch kurzfristig bei der Handwerkskammer nachgemeldet", so die Metzgerei-Chefin. "Er war auch wirklich ein netter, charmanter Herr, aber ist dann nach einer Woche nicht mehr erschienen und war telefonisch nicht mehr erreichbar. Ich habe ihn nur noch über Whatsapp erreicht. Da hieß es, ich gehe nicht mehr. Ich will nicht mehr kommen."

Bewerbungen erhielten sie insgesamt wenige, umso positiver überrascht waren die Güthleins über das Interesse des jungen Mannes. Auf die kurze Erleichterung folgte dann aber die unerwartete Enttäuschung. Auch die Metzgerei Seeberger in Erlangen mit 25 Mitarbeiter*innen ist inzwischen fast überrascht, wenn sich ein junger Mensch für die Arbeit in einer Metzgerei interessiert.

Metzgerei Seeberger muss Partyservice reduzieren - "ganz ganz schwer"

Auf die Frage, ob derzeit eine Stelle offen sei, antwortet Inhaber Andreas Wein gegenüber inFranken.de etwas ernüchtert: "Ja, wir würden schon, aber es gibt quasi keine Bewerber. Jetzt hatten wir mal eine Praktikantin, die ihr zweites Praktikum auch macht, aber das ist seit mehreren Jahren nicht mehr vorgekommen."

 

Dabei sei der Beruf Fleischereifachverkäufer*in so vielseitig und spannend mit der Abwechslung zwischen Beratung, Zubereitung und Partyservice, findet Güthlein. Auch Andreas Wein merkt, wie manche Auszubildenden in ihrer Tätigkeit aufgehen. Doch auch die Corona-Pandemie setzte der Metzgerei Seeberger zu. Den Partyservice und das Küchenpersonal mussten sie reduzieren.

Jetzt wäre zwar langsam wieder mehr möglich, aber "in der Küche kann man niemanden mehr bekommen, das wieder auf den alten Stand zu kriegen ist ganz, ganz schwer." Denn einige ehemalige Mitarbeiter*innen der Gastronomie hätten sich umorientiert. 

Kleine Metzgerei kann weniger bieten als Edeka & Co. - aber Chef sieht entscheidenden Vorteil 

19,5 Prozent weniger Bewerber*innen als im letzten Ausbildungsjahr (1. Oktober 2020 bis zum 30. September 2021) haben sich "im Agenturbezirk Fürth mit seinen Städten Fürth und Erlangen sowie den Landkreisen Fürth, Erlangen-Höchstadt und Neustadt/Aisch–Bad Windsheim" für eine Ausbildung beworben, schreibt die Agentur für Arbeit Fürth. Während die Arbeitssuchende sich für Studienabsolvent*innen oft schwer gestaltet, sind junge Ausbildungssuchende in einer glücklicheren Situation: Rein rechnerisch stehen ihnen laut Arbeitsagentur mehr als 1,23 Lehrstellen gegenüber.

Die Metzgerei Seeberger ist nicht der einzige Betrieb mit Familientradition, der außerdem den Druck des steigenden Altersdurchschnitts des Personals spürt. Um die Lust von jungem Nachwuchs zu wecken, müssen Unternehmen inzwischen mit Anreizen locken: "Man muss dem Personal jetzt ganz stark entgegenkommen. Finanziell oder mit Firmenhandys", erzählt Wein. Einen Umzugskostenzuschuss, wie ihn Edeka anbietet, könne sein Betrieb natürlich nicht leisten. Einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bei der Personalsuche sieht Wein aber  in den angenehmeren Arbeitszeiten im Vergleich zu großen Lebensmittelketten.

Die Metzgerei Walk lockt auf ihrer Webseite mit einer "Azubi Academy" in jungem Design, zu der ein kostenloses ÖPVN-Ticket während der Ausbildungszeit und eine kostenlose Typberatung gehören. Die Mindestvoraussetzung für die Ausbildung ist ein Hauptschulabschluss. Quereinsteiger seien oftmals ebenfalls willkommen. "Wir freuen uns über jeden Bewerber", sagt Güthlein, "Ein bisschen Bewusstsein für Lebensmittel, für ein gutes Stück Fleisch muss dabei sein und Interesse am direkten Kundenkontakt in einer Metzgerei."

Auch interessant: Für positive Schlagzeilen sorgte im Oktober die Fleischhauerei Vider aus Schwarzenbach. Ein junges Paar hauchte einer 70-er Jahre Metzgerei mit viel Leidenschaft und Elan neues Leben ein