Die Aussicht, acht minderjährige Flüchtlinge als Nachbarn zu bekommen, ängstigt einige Anlieger der Weiherstraße. Sie befürchten, dass die jungen Männer gewalttätig werden oder Mädchen belästigen.
Der Landkreis richtet in einem Wohnhaus in der Röttenbacher Weiherstraße eine Wohngruppe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge ein. Die Leiterin des Kreisjugendamts, Heike Krahmer, und Martin Leimert vom Trägerverein "Puckenhof" stellten in der jüngsten Gemeinderatssitzung dem Gremium und vielen Besuchern, insbesondere den Anliegern, das Projekt vor.
Acht männliche Jugendliche sollen dort mit insgesamt sechs Betreuern wohnen, die Übergangsklassen der Berufsschule besuchen und so durch Spracherwerb und Organisation der Wohngemeinschaft in ihre neue Lebenswelt integriert werden. "Die Wirtschaft sieht die Chancen dieser positiven Zuwanderung; sieht künftige Fachkräfte in ihnen", betonte Heike Krahmer. Vom "unheimlichen Lerneifer der jungen Leute" sei ihr von den sechs Kooperationspartnern, die unbegleitete Minderjährige betreuen, berichtet worden.
Die Meinungen der Nachbarn waren geteilt. Eine Gruppe versucht, sich mit allen Mitteln zu wehren, weil sie Angst um ihre Sicherheit hat. Dies hatten sie schon vorgebracht, als die Rede davon war, der Landkreis miete das Anwesen für erwachsene männliche Flüchtlinge an. "Der Begriff Minderjährige stört mich dermaßen; dann haben wir bald das, was wir abwehren wollten", reagierte eine ältere Nachbarin auf die Darstellung der Behördenleiterin, dass es sich um Jugendliche im Alter zwischen 16 und 18 handle, die nach deutschem Recht einem Vormund unterstellt sind.
Immer wieder wurden Begriffe wie "die Bedürfnisse der Männer" ins Gespräch gebracht und auf hübsche Mädchen in der Nachbarschaft verwiesen. Offenbar sieht deren Mutter das Problem allerdings nicht so; die Familie habe gute Erfahrungen mit Austauschschülern gemacht und glaubt, auch die Flüchtlinge würden sich schnell an deutsche Gepflogenheiten anpassen, trug sie in der Sitzung vor.
Nachts nur ein Betreuer Leimert verwies auf die Erfahrungen des Puckenhof, der zum Diakonischen Werk gehört. Am Stammsitz in Buckenhof unterhalte man seit langem Wohngruppen mit Jugendlichen im ganz normalen Wohngebiet, ohne Beanstandungen. Das gleiche gelte für die Gruppe Juleb in Höchstadt mit psychisch kranken Jugendlichen mit problematischen Lebenslauf.
Röttenbachs Jugendpfleger Frank Schulte sagte aus seiner beruflichen Erfahrung - auch mit der in Röttenbach existierenden betreuten Jugendwohngemeinschaft - heraus: "Dieses Alter ist generell eine Herausforderung; Jugendliche aus Wohngruppen sind keine besondere Belastung."
Das mochte ein jüngere Frau, deren Mutter alleine gegenüber von dem angemieteten Haus wohnt, nicht glauben. Sie befürchtet, dass bei den Jugendlichen auch "faule Eier " dabei sein könnten. Gewalttätigkeit in der U-Bahn nannte ein Nachbar als Beispiel. Martin Burda, der künftige Leiter der Wohngruppe, verwies auf die Erfahrungen des Hauses: "Uns ist immer gelungen, sowas zu regulieren." Den Nachbarn macht besonders große Sorgen, dass nachts nur ein Betreuer anwesend sei und die Jugendlichen gemäß dem Jugendschutzgesetz außer Haus dürften.
Burda schilderte den geplanten Tagesablauf und hob den Schulbesuch am Vormittag heraus. Prompt kam der Einwand, die Jugendlichen könnten doch kein Deutsch. Sie sollen es durch intensiven Deutschunterricht lernen, hatte schon vorher Krahmer erklärt. "Sie fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Schule." Ein erschrecktes Aufstöhnen in der Gruppe der ängstlichen Nachbarn.
"Lassen Sie es doch mal anlaufen; es gibt schon Angebote aus Röttenbach, sich um die jungen Leute zu kümmern", versuchte Bürgermeister Ludwig Wahl (FW) die Bürger zu besänftigen. Doch das fruchtete wenig. Die schon mehrfach zu Wort gekommene ältere Nachbarin konterte: "Wir haben gegen dieses Experiment gar keine Chance." Und als sie erfuhr, dass der Aufenthalt und ein monatliches Taschengeld von maximal 50 Euro vom Jugendamt gezahlt werden - wie bei deutschen stationär untergebrachten Jugendlichen, reagierte sie: "Das zahlt der Steuerzahler und darf nichts sagen." Ein jüngerer Mann aus der Weiherstraße hob noch hervor: "Ich spreche für alle: Die Sicherheit ist das erste. Wir waren angepisst, als von den erwachsenen Männern die Rede war. Woher weiß man, dass diese Jugendlichen keine potenzielle Gefährdung sind?" Eckart Reinl-Mehl von Puckenhof fragte dann zurück: "Woher wissen Sie das bei deutschen Jugendlichen?" Der Nachbar konterte: "Es ist eine Riesenschweinerei, dass die Sache hintenrum lief."
Damit war die Diskussion wieder an dem Punkt angelangt, dass anstelle von erwachsenen nun unbegleitete junge Männer kämen. Wahl bat, die Nachbarn möchten einen Ansprechpartner benennen; er, das Jugendamt und die Mitarbeiter von Puckenhof stünden für vertrauliche Gespräche zur Verfügung.