Beleidigungen bei WhatsApp "kein Kavaliersdelikt"

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Symbolbild Foto: Silke Katenkamp, dpa
Symbolbild Foto: Silke Katenkamp, dpa

Chatten, fotografieren, surfen, kommentieren: Für Jugendliche sind das Smartphone und die verschiedenen Anwendungen schon längst der wichtigste Tagesbegleiter. Ein rechtsfreier Raum sind WhatsApp und Facebook aber nicht.

Für die Polizeibeamten der Polizeiinspektion Lichtenfels war es sicherlich keine alltägliche Situation: Eine Frau taucht Anfang der Woche mit ihrer Tochter auf, um Anzeige zu erstatten. Die 13-Jährige war über den Nachrichten-Dienst "WhatsApp" beleidigt worden. Laut der Polizeimeldung litt das Mädchen deshalb sogar unter Schlafstörungen.

Die Polizeimeldung provozierte auf den Internet- und Facebookseiten von "infranken.de" zahlreiche Kommentare. Der Tenor zumeist: Die Mutter solle sich nicht so haben, derartige Beleidigungen seien alltäglich. "Wenn die Leute weiter keine Sorgen haben", schrieb ein User.

Dass derartige Beschimpfungen alltäglich aber keineswegs ein "Kavaliersdelikt" sind, bekräftigt Anne Höfer von der Pressestelle des Polizeipräsidiums Oberfranken. "Die sozialen Medien, Apps und das Internet allgemein sind kein rechtsfreier Raum.
Nach Paragraf 185 des Strafgesetzbuchs ist und bleibt dieser Vorfall eine Beleidigung. Egal, ob das Mädchen auf der Straße beleidigt wird, oder über WhatsApp." Der Anzeige werde dementsprechend auch nachgegangen.

Dabei sei es auch nicht relevant, dass die Nutzung von "WhatsApp" erst ab 16 Jahren erlaubt ist. "Das Mädchen ist Opfer einer Straftat. Deshalb wird dem Vorfall bei einer Anzeige nachgegangen", erklärt Höfer, die allgemein festgestellt hat, dass sich die Kommunikation und die Beleidigungen unter Jugendlichen oft "vom Pausenhof auf das Smartphone verschieben".


Internet ist selbstverständlich

Nach einer Studie des Langzeitprojektes JIM (Jugend, Information, Media) besaßen 2013 bereits acht von zehn der zwölf bis 19-Jährigen ein Smartphone, 73 Prozent von ihnen gingen darüber ins Internet. 2006 waren es gerade mal fünf Prozent. "Diese Entwicklung hat in den letzten sieben Jahren Fahrt aufgenommen", sagt der Kommunikationswissenschaftler Carsten Wünsch von der Uni Bamberg. Für die Jugendlichen sei das Internet und die vielen Kommunikationskanäle heutzutage völlig selbstverständlich. "Sie sind damit aufgewachsen und kennen es nicht anders."

Bastian Wimmer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sieht das genauso. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie hat fünf Jahre als Lehrer gearbeitet und dabei erlebt: "Was für uns Erwachsene teilweise noch befremdlich ist, ist für die Kids völlig normal. Meist haben sie schon mit zehn Jahren ein Smartphone." Morgens gehe der Blick immer zuerst auf das Handy: Was ist passiert? Habe ich über Nacht Nachrichten bekommen? Anschließend würden die Facebook-Neuigkeiten begutachtet und eventuell kommentiert. "Das kann man als modernes Tratschen bezeichnen."

Die Smartphone-Kommunikation würde bei den Jugendlichen zur Identitätsfindung beitragen. "Es geht darum, wer im Gespräch ist und wie ich mich profilieren kann." Deshalb teile man sich auf verschiedenen Kanälen mit. Oft sei das "beiläufiger Quatsch", teilweise würden leider auch unschöne Bilder, Videos oder Kommentare verbreitet. "Das passiert oft einfach so, weil man dem Anderen nicht gegenübersteht."

Dass die Mutter in Lichtenfels mit ihrer Tochter zur Polizei gegangen ist, vermag Wimmer aus der Entfernung zwar nicht bewerten. Aber der 36-Jährige kann sich durchaus vorstellen, dass dies nur passiert ist, weil die Tochter über "WhatsApp" beleidigt wurde. "Ich frage mich, ob die Mutter auch Anzeige erstattet hätte, wenn die Tochter auf der Straße beleidigt worden wäre." Viele Erwachsene würden die moderne Kommunikation der Kinder teilweise aus Angst und Unwissenheit verteufeln. "Wenn man nur wenig Erfahrung hat, ist das alles natürlich schwierig zu bewerten."

Deshalb sei es wichtig, sich den Kindern sensibel zu nähern und ihnen klarzumachen, dass sie verantwortlich mit allem umgehen müssen. "Wir reden ja hier meist über pubertierende Teenager. Alles einfach zu verbieten, ist sicherlich der falsche Weg", sagt Wimmer, der erkannt zu haben glaubt, dass die Schere zwischen Alt und Jung bezüglich der Medienkompetenz von Jahr zu Jahr kleiner wird. Dies sei auch wichtig. "Wir Erwachsenen sollten uns den neuen Medien nicht verschließen."

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