Christiane Kolbet erzählt bei einem Spaziergang durch Adelsdorf die Geschichte von 13 jüdischen Familien, die bis 1933 oder noch länger in der Gemeinde wohnten.
Soll's Karpfen blau oder in brauner Soße geben? Diese Frage stellte an jedem Freitagnachmittag die Mutter von Berthold Rindsberg ihrem Mann und ihren Kindern. Denn in dieser jüdischen Familie in Adelsdorf wurde als Festessen am Schabat Fisch zubereitet. Berthold, der heute in Israel lebt und seinen Namen in Baruch Ron hebräisiert hat, feierte kürzlich seinen 90. Geburtstag im Kreise seiner Familie.
Ron ist einer der wenigen gebürtigen Adelsdorfer jüdischen Glaubens, die die Shoah überlebt haben. Von Baruch Rons Geschwistern erreichten noch der Bruder Siegfried - später Shlomo - und die jüngere Schwester Rosi Länder, die ihnen vor der Verfolgung Schutz boten. Siegfreid und Rosi kamen 1939 durch einen Kindertransport nach England. Berthold machte eine unter dem Namen Hachscharah bekannte landwirtschaftliche Ausbildung in Dänemark, um nach Israel einwandern zu können.
Nach der deutschen Besetzung Dänemarks von Dänen nach Schweden gebracht, kam er nach 1945 auf abenteuerlichen Wegen nach Israel.
Christiane Kolbet steht seit vielen Jahren mit ihm und den anderen noch lebenden Angehörigen der weitläufigen Familie in Kontakt. In ihrem Besitz befindet sich neben zahlreichen anderen eine Fotografie der Familie Rindsberg. In der Mitte sitzt die Großmutter, eine geborene Katz, also ein Abkömmling einer der ältesten Adelsdorfer jüdischen Familien. Ihre Spuren als Schutzjuden der Familie von Bibra führen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Kolbet hatte sich mit dem Kreis um den verstorbenen Johann Fleischmann in den Jahren vor der 875-Jahr-Feier Adelsdorfs 1996 an Recherchen zur Geschichte der Adelsdorfer Juden gemacht. Die Ergebnisse wurden im Buch "Spuren jüdischer Vergangenheit in Adelsdorf" publiziert.
Zu der Jubiläumsveranstaltung lud der damalige Bürgermeister Armin Goß (CSU) die noch lebenden Juden ein. "Ohne Internet war es sehr schwierig, solche Personen ausfindig zu machen", erinnert sich Kolbet.
Unter den Gäste waren die Brüder Rindsberg. Ein Anliegen war ihnen der Besuch des Zeckerner Judenfriedhofs, der seit Jahrhunderten die Begräbnisstätte von Juden im weiten Umkreis war. Sicherlich sind sie auch vor ihrem früheren Wohnhaus in der Hauptstraße stehengeblieben.
Immer weniger Zeitzeugen Seither sind fast 20 Jahre ins Land gegangen, und die Menschen sind alt geworden. "Es sind jetzt nicht mehr viele", sagt Christiane Kolbet, "die sich noch an die Stühler-Schneiderin erinnern." Lina Stühler betrieb ihr Handwerk in dem Haus beim Rathaus, in dem heute ein Blumengeschäft ist. 1942 wurde sie nach Izbica transportiert.
Von dort aus schrieb sie ihrem Sohn Bernhard, der nach Dänemark in Sicherheit gebracht worden war, noch Briefe. Ihre letzten Lebenszeichen.
"Bei meinem Rundgang durch Adelsdorf werde ich bei diesen Anwesen als Symbole für die Schicksale Station machen", erklärt Kolbet ihr Vorhaben, durch öffentliche Führungen die besondere Geschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Zehn bis zwölf Stationen werden es sein, vom Schloss als Wohnsitz des Adeligen, der den Juden Schutzbriefe zum Ansiedeln ausstellte, bis hin zum ehemaligen Standort der Synagoge aus dem 17. Jahrhundert, die zuletzt die Feuerwehr beherbergte, ehe sie um 1980 abgerissen wurde.
Rabbiner und Reformer Schwerpunkt des Rundgangs bleiben die 13 Familien (rund 60 Personen), die bis nach 1933 im Ort wohnten: die Viehhändlersfamilien Fleischhauer und Strauß oder die Fellhändlerfamilie Loewi.
Aus ihr stammt der Rabbiner Isaak Loewi, der sich im frühen 19. Jahrhundert um die Emanzipation der Juden in Bayern dank seiner Kontakte zum Königshaus verdient gemacht hat. Loewi war Rabbiner in Fürth und setzte sich für eine Reformierung des Gottesdienstes ein. Ein Bild zeigt ihn in einem Ornat, der sich stark an die Kleidung evangelischer Geistlicher anlehnt.
"Der Akzent meines Rundgangs heißt: Wie haben sie gelebt? Denn es genügt nicht, nur daran zu erinnern, wie sie gestorben sind", stellt begründet Christiane Kolbet klar.
Der Rundgang