Seit etwa einem Monat gibt es die Markttransparenzstelle: Autofahrer können verschiedene Tankstellenpreise online gegenüberstellen. Eines der Vergleichsportale ist clever-tanken.de. Es hat seinen Sitz in Nürnberg und gehört Steffen Bock. Er sieht den staatlichen Eingriff kritisch.
Mit ihrem teuren BMW stehen sie an der Zapfsäule, freuen sich wie Bolle: Fünf Cent gespart! Schnäppchenjäger aus sportlichem Ehrgeiz. "Ich war selbst so einer", sagt Steffen Bock. Fast 15 Jahre ist es her, dass er sich über die undurchsichtigen Schwankungen beim Benzinpreis ärgerte. Darüber, dass sich nicht herausfinden ließ, welche Tanke in der Nähe gerade am günstigsten ist.
"Ich hatte da schon ein Auto mit Navigationsgerät und dachte: Es kann doch nicht so schwer sein, damit die Daten zu vergleichen." War es auch nicht. Bock ließ die entsprechende Software programmieren, befand sie für gut und stellte sie der Öffentlichkeit zur Verfügung: 1999 ging das Internet-Preisvergleichsportal
clever-tanken.de online - deutlich früher als die amerikanische Benzinpreis-Seite
GasBuddy, und vielleicht weltweit als erstes Portal dieser Art. Auf jeden Fall aber lange, bevor in Deutschland beschlossen wurde, dass die Spritpreise in transparent gemacht werden müssen.
Vor einem Monat startete die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe des Bundeskartellamtes. Seit 12. September melden gut 90 Prozent der rund 14500 deutschen Tankstellen ihre Preisänderungen dorthin. Die Daten gehen binnen fünf Minuten zu zugelassenen Verbraucher-Informationsdiensten: dem
ADAC, den Internetseiten
mehr-tanken.de,
spritpreismonitor.de und der Nürnberger Seite clever-tanken.de.
Wie viele andere Verbraucherportale das Kartellamt nach der Probephase bis 1. Dezember noch zulassen wird, weiß Bock nicht. Überhaupt: So richtig gefällt ihm die Neuerung nicht. "Meiner Branche wird da reingeredet." Da es die Spritsparseite aus Nürnberg schon so lange gibt, ist sie langsam gewachsen. Nun müssen die Strukturen an die Markttransparenzstelle angepasst werden. "Wir müssen alles neu bauen: Datenbanken, Website, App. Das waren die chaotischsten Wochen in meinem bisherigen Berufsleben", sagt der 50-Jährige.
Schnäppchensportler und andere
Sein Projekt - aus "Jux und Dollerei" entstanden - hatte schnell soviel Arbeit gemacht, dass der Diplomkaufmann sich entscheiden musste. Mitte des Jahres 2000 hatte er seinen Job hingeschmissen und Geldgeber gefunden, die ihn als Risikokapitalgeber unterstützten. Er machte sich selbstständig. Und das Portal wuchs genauso schnell wie der Benzinpreis stieg.
"Früher haben wir uns an die Schnäppchenjäger gewandt. Die gehören natürlich immer noch dazu, aber inzwischen ist es ein viel weiterer Kreis." Die Nutzer rufen nicht nur Daten ab, sondern melden sie auch als "Benzinpreispiloten". Etwa 50 Millionen Preisänderungen wurden vergangenes Jahr so erfasst. Dadurch bietet das Portal neben den Daten der Markttransparenzstelle zu den gängigen Kraftstoffen E5, E10 und Diesel auch Informationen über Erdgas, Autogas und Superplus.
Geld verdient das Unternehmen vor allem durch Werbung und durch Lizenzen an Unternehmen, die beispielsweise Navis mit den Preisdaten füttern: "Nokia-Navteq, Garmin, Medion, Bosch, VW, die kriegen alle von uns Daten."
Heute beschäftigt Clever-tanken vier Festangestellte, außerdem zehn Freiberufler und eine Gruppe Programmierer. Das Nürnberger Unternehmen ist Marktführer für Spritpreisinformationen. "Ich habe mich gewundert, dass die Politik sich bemüßigt sieht, einzugreifen." Schließlich gebe es viele Bereiche, wo die Preise nicht transparent sind: "Der Staat verrät dem Verbraucher ja auch nicht, wo es den günstigsten Farbfernseher gibt oder wo gerade die Milch am wenigsten kostet. Die Transparenzstelle hätte es nicht gebraucht. Sie bringt nichts richtig Neues. Außer dass die Zahlen jetzt amtlich sind. Und ein bisschen aktueller."
300 Euro jährlich sparen
Mit dem Start der staatlichen Stelle wurden allerdings viele Verbraucher auf das Portal aufmerksam: "So einen Run wie am 12. September haben wir noch nie erlebt - an diesem Tag hatten wir etwa eine Million Zugriffe auf der Seite, teilweise pro Sekunde mehr als 2000." Normalerweise nutzen etwa drei bis vier Millionen Menschen im Monat das Portal und etwa genausoviele die App fürs Handy. Jeder könne durch Preisvergleich beim Tanken jährlich 300 Euro sparen - und das bereit s bevor es die Transparenzstelle gab, sagt Bock.
"Es gibt Mordsschwankungen: An derselben Tankstelle sind 14 Cent Unterschied pro Liter innerhalb weniger Stunden normal. Man muss nicht zehn Kilometer über Land fahren, um den besten Preis zu finden. Man muss nur den richtigen Zeitpunkt abpassen." Tendenziell beobachtet der Spritpreis-Experte ein "Preisloch" am frühen Nachmittag. "Bevor der Berufsverkehr wieder losgeht. Die Konzerne wissen, wann die Leute tanken müssen. Wenn die Pendlerströme kommen, werden Preise hochgehalten."
Transparenz - auch für Konzerne
Aber können die Verbraucher ihr Wissen nicht auch nutzen - und mit ihrer Nachfrage beeinflussen, dass Benzin billiger wird? "Eher das Gegenteil wird passieren", vermutet Bock. Für eine statistische Aussage gebe es die Markttransparenzstelle noch nicht lange genug, dennoch geht der Nürnberger davon aus, dass sie auf die Preisgestaltung Einfluss haben wird. "Die Frage ist nur, in welcher Richtung. In einem Oligopol, wo das Produkt austauschbar, die Anbieterzahl überschaubar und die Preise absolut transparent sind - nehme ich an, dass die Preise mittelfristig eher steigen."
Denn wenn der Sprit an einer Tankstelle teurer wird, können die anderen in der Umgebung ganz schnell nachziehen. Von der Transparenz profitieren auch die Konzerne.