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"Aktion T4" in Erlangen: Wer hier einstieg, fand den Tod


Autor: Ralf Welz

Erlangen, Donnerstag, 22. Februar 2024

Bei der "Aktion T4" wurden 905 Menschen aus Erlangen ermordet. Graue Busse brachten sie in Anstalten des Todes.
Auf dem Erlanger Hugenottenplatz wird seit Kurzem an die Patienten erinnert, die seinerzeit im Rahmen der „Aktion T4“ in Tötungsanstalten transportiert wurden.


Auf dem Erlanger Hugenottenplatz steht seit Februar ein Bus aus Beton. Das temporäre Denkmal soll an die Opfer der Krankenmorde in der Zeit des Nationalsozialismus erinnern. Laut Angaben der Stadt wurden allein aus der Heil- und Pflegeanstalt Erlangen 905 Patienten in Tötungsanstalten deportiert und ermordet.

Mit einem Runderlass vom 18. August 1939 begann der systematische Massenmord der Nationalsozialisten an Tausenden Kindern - wenig später unter der sogenannten "Aktion T4" auch an Erwachsenen. Wie aus einem Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung hervorgeht, wurden unter dem NS-Regime insgesamt Hunderttausende kranke und behinderte Menschen ermordet.

"Graue Busse": Erlanger Denkmal erinnert an NS-Krankenmorde - "tragische Geschichte"

"Am 1. November 1940 verließ der erste T4-Transport Erlangen und brachte 119 Patienten nach Pirna-Sonnenstein zur Tötungsanstalt", hielt Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) in einem Facebook-Beitrag fest. Der OB spricht von einer "tragischen Geschichte", auf die die Stadt Erlangen anlässlich der Denkmalübergabe hinweisen wolle. Die mehr als 900 aus Erlangen deportierten Patienten wurden laut Stadt seinerzeit überwiegend mit Zügen weggebracht. Sie wurden demnach in den Tötungsanstalten Pirna-Sonnenstein und Hartheim bei Linz ermordet.

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In der Heil- und Pflegeanstalt Pirna-Sonnenstein in Sachsen ermordeten die Nationalsozialisten zwischen 1940 und 1941 rund 13.720 vorwiegend psychisch kranke und geistig behinderte Menschen, heißt es auf der Webseite der Stiftung Sächsische Gedenkstätte. Die Patienten wurden demzufolge im Rahmen der nationalsozialistischen Krankenmorde in einer Gaskammer im Keller der Anstalt umgebracht. Weiterhin starben im Sommer 1941 vor Ort mehr als tausend Häftlinge aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern. "Erst nach dem Ende der SED-Diktatur 1989 drang der fast vergessene Massenmord allmählich in das öffentliche Bewusstsein", erklärt die Stiftung. 

In Erlangen starben im Zuge der NS-"Euthanasie"-Programme zwischen 1939 und 1945 nach Stadtangaben über 1900 Menschen. Hunderte davon wohl an den direkten und indirekten Folgen mangelhafter Ernährung und dauerhafter Unterlassung fürsorglichen Handelns. "Wir gehen derzeit davon aus, dass mindestens weitere 700 Patientinnen und Patienten an den Folgen von 'Hungerkost' und struktureller Vernachlässigung starben", erklärte Oberbürgermeister Janik. 

Oberbürgermeister Janik"Denkmal reflektiert auch die Taten und Täter dieser dunklen Ära"

Infolge des Hungerkost-Erlasses des Bayerischen Innenministeriums vom 30. November 1942 wurden in psychiatrischen Anstalten Bayerns spezielle Stationen und Abteilungen eingerichtet. Laut dem Historischen Lexikon Bayerns wurden dort ausgewählte Bewohner absichtlich durch Hungerkost, sprich mangelnde Ernährung, und häufig durch zusätzliche Medikamentengabe getötet. Dieses Vorgehen war demnach Teil der nationalsozialistischen Vernichtungsaktionen von psychisch kranken Menschen, denen in Bayern mindestens 15.000 Menschen zum Opfer fielen.

Um die NS-"Euthanasie"-Verbrechen in Erinnerung zu bringen, haben die Künstler Hoheisel und Knitz die Busse nachgebildet, mit denen die Patienten im Rahmen der "Aktion T4" in die Tötungsanstalten gebracht wurden. "Das Denkmal ist nicht nur eine Erinnerung an die Opfer, sondern reflektiert auch die Taten und Täter dieser dunklen Ära", hielt der OB fest. Das Denkmal soll bis zum Jahresende in der Stadt stehen. Wie die Stadt berichtet, werde die Kunstaktion von weiteren Veranstaltungen zum Thema begleitet. Dazu zähle unter anderem die Wanderausstellung zum "Denkmal der Grauen Busse", die in verschiedenen Teilen Erlangens zu sehen sein werde. Die erste Station bildete demnach die Neustädter Kirche.

"Ein herzlicher Dank geht an alle Beteiligten und Unterstützer dieses wichtigen Projekts", erklärte Janik. "Gemeinsam erinnern wir und setzen uns für unsere Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein." Wie in vielen anderen fränkischen Städten hatte im Januar auch in Erlangen eine Großdemonstration stattgefunden. Auf dem Hugenottenplatz sprachen sich die Versammlungsteilnehmer teils für ein Verbot der AfD aus. "So eine Demo hat Erlangen lange nicht gesehen", hielt Erlangens Oberbürgermeister Florian Janik (SPD) fest. Weitere Nachrichten aus Erlangen-Höchstadt findest du in unserem Lokalressort.