Die Heimat des in Damaskus geborenen Autors Rafik Schami ist die Literatur. Wie sich Wirklichkeit in Poesie verwandelt, erleben zahlreiche Zuhörer bei einer ausverkauften Lesung in Coburg.
Rafik Schami lächelt fast den ganzen Abend, während er erzählt. Ein stilles Lächeln, ein Lächeln, das manchmal fast ein wenig melancholisch wirkt. Denn die Geschichte, die er im ausverkauften großen Pfarrsaal von St. Augustin erzählt, ist eine rührende, eine traurige Geschichte - wenn auch eine mit einem Happyend, das der blutigen Wirklichkeit in Syrien abgetrotzt ist.
Eine Liebe, die Leben retter
"Ein Mord in Damaskus und eine Liebe, die Leben rettet" verspricht der Untertitel seines neuen, fast 500 Seiten dicken Romans "Sophia oder Der Anfang aller Geschichten". Er spielt, wie viele seiner Bücher, in der fernen, verlorenen Heimatstadt Damaskus.
Denn Schami ist 1970 aus Syrien geflohen, lebt seitdem in Deutschland im Exil, wo er es längst zum Etikett Bestseller-Autor gebracht hat.
Wunde im Herzen
"Ein Exilant trägt immer eine Wunde im Herzen", sagt Schami: "Es bleibt nur die Rückkehr." Doch die Rückkehr ist eine Illusion, ein gefährlicher Irrtum. Schami weiß das, doch Schamis Held Salman, ein Exilant auch er, will das nicht wahrhaben. Er kehrt zurück nach Damaskus und wird prompt festgenommen unter dem Vorwand, einen Mord begangen zu haben, den er gar nicht begangen hat.
Eine Lesung mit einem Schriftsteller aus Syrien, der in Deutschland im Exil lebt - das klingt in Zeiten, in denen Hundertausende, ja Millionen vor Krieg und Terror flüchten, nach einem Abend mit unausweichlich politischer Botschaft.
Auf die Formel politischer Autor freilich lässt sich der Geschichtenerzähler Rafik Schami nicht reduzieren. Sein Blick auf sein Heimatland ist illusionslos und wird dennoch nicht zur literarischen Agitation. Eine Liebe, die Leben rettet - im Falle Rafik Schamis ist dies die Liebe zur Sprache, zur Literatur.
Faszinierender Erzähler
Wer eine Lesung mit Rafik Schami besucht, weiß natürlich, dass er alles andere als eine Lesung erwarten darf - auch an diesem Abend auf Einladung der Buchhandlung Riemann. Denn Schamis neuer Roman bleibt den ganzen Abend unaufgeschlagen auf dem Tischchen auf der Bühne liegen. Schami ist ein Autor, der im besten, im ganz ursprünglichen Sinne des Wortes ein Erzähler ist - einer, der das geschriebene Wort zurück holt in die Welt der mündlichen Überlieferung.
Ein Autor, der ganz genau weiß, wie er sein Publikum bei Laune hält, indem er immer wieder Spannungsbögen baut und die vielen Fäden seiner Erzählung klug zu verknüpfen weiß.
Unbestechlicher Blick auf die Wirklichkeit
Dichtung oder Autobiografie - das ist bei Rafik Schami nie ganz genau auseinander zu halten. Der Dichter Rafik Schami ver-dichtet das Leben zur Poesie. Wer bei Schami plakative Botschaften sucht, ist an der falschen Adresse. Mit seinem unbestechlichen Blick auf die Wirklichkeit aber schärft Schami die Sinne und entlarvt die Lügen des Despoten.
Dritter Besuch in Coburg
Der Abend in St. Augustin ist Rafik Schamis dritter Coburg-Besuch. An den ersten Abend im November 1987 hat Buchhändlerin Martina Riegert übrigens nach eigenem Bekunden ganz besondere Erinnerungen. Schließlich hatte die heutige Inhaberin der Buchhandlung Riemann damals gerade erst ihre Ausbildung begonnen, als die das Coburg-Debüt Schamis live erlebte.