Weißer Ring: Mehr zu tun als ihnen lieb ist
Autor: Oliver Schmidt
Coburg, Donnerstag, 04. November 2021
Zuletzt war es in Coburg etwas ruhig geworden um den Weißen Ring. Doch das neue Frauen-Trio weiß: Je schneller einem Opfer geholfen werden kann, desto besser stehen die Chancen auf eine Rückkehr in ein möglichst normales Leben.
Dreimal in der Woche klingelt durchschnittlich das Telefon. Bei der Person, die anruft, handelt es sich dann um ein Opfer von Kriminalität oder von irgendeiner Form von Gewalt. Am anderen Ende der Leitung sitzt entweder Christine Busl als neue Leiterin der Außenstelle Coburg des Weißen Rings (WR) oder eine ihrer Mitarbeiterinnen Lee Liebscher und Corina Trier. Die drei Frauen bilden das neue Trio, das sich in der Stadt und im Landkreis um die Betreuung von Opfern kümmert.
"Wir nehmen Opfer an die Hand", erklärt Christine Busl im Gespräch mit unserer Zeitung. "Wir vermitteln Kontakte, zum Beispiel zu Therapeuten oder Rechtsanwälten - wir übernehmen eine psychotherapeutische Beratung aber niemals selber." Christine Busl ist dieser Hinweis auch deshalb wichtig, weil sie hauptberuflich seit einigen Jahren als selbstständige Schamanin in Lautertal tätig ist. Befürchtungen, Opfer würden vom Weißen Ring spirituell behandelt oder bekehrt, sind somit unbegründet.
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Sehr viel wichtiger sind speziell bei Christine Busl sowieso die Erfahrungen, die sie vor ihrer Zeit als Schamanin sammelte beziehungsweise sammeln musste. "Als Kind bin ich ein Opfer von sexuellem Missbrauch geworden", erzählt sie mit leiser Stimme. Und rückblickend weiß sie: "Ich hätte mir damals gewünscht, frühzeitig Unterstützung zu bekommen." Denn je schneller einem Opfer nach einem bestimmten Vorfall geholfen werden kann, desto besser stehen die Chancen auf eine Rückkehr in ein möglichst normales Leben. Andernfalls besteht die Gefahr, das ein erlittenes Trauma nicht aufgelöst wird, sondern sich im Körper regelrecht festsetzt und dadurch Depressionen oder auch chronische Schmerzen verursachen kann.
"Um Fälle von häuslicher Gewalt kümmert sich meistens das Frauenhaus mit seiner Beratungsstelle für Gewaltbetroffene Frauen und Kinder", erklärt Christine Busl. Ist die Gewalt von Personen außerhalb des eigenen Hausstands ausgegangen, wird Opfern oft der Weiße Ring empfohlen. Ebenso ist der Weiße Ring ein fürsorglicher Betreuer, wenn jemand ein Opfer von Raub oder auch Stalking geworden ist.
Bei zwei der drei Anrufe, die pro Woche eingehen, kann bereits durch das Telefonat geholfen werden. Etwa ein Mal pro Woche reicht es allerdings nicht aus, einfach nur einen weiteren Kontakt zu vermitteln. Denn in jedem dritten Fall, mit dem es der Weiße Ring zu tun bekommt, geht es um eine Körperverletzung oder um sexuellen Missbrauch. Dann führen Christine Busl und ihre Mitarbeiterinnen ein persönliches Gespräch mit der betroffenen Person. Damit das dem Opfer nicht noch zusätzlich schwer fällt, findet der Austausch nicht in irgendeinem anonymen Büro statt, sondern zu Hause beim Opfer oder auf Wunsch auch in einer anderen, möglichst vertrauten Umgebung.
Die WR-Frauen kommen zu solchen Gesprächen fast immer zu zweit. Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass dadurch eine noch bessere Unterstützung für die von einem sexuellen Missbrauch betroffene Person möglich ist.