Harald Kutscher hat die Geschichte seines Heimatortes Neuensorg (Landkreis Coburg) aufgearbeitet - und er weiß, warum die "Sorger" so sind wie sie sind.
Harald Kutscher ist ein Mann, der aus der Verwaltung kommt. Deshalb gilt für ihn: "Ich will Fakten, keine Vermutungen." Und wenn er sich die Fakten b um seinen Heimatort so anschaut, dann gibt es für ihn eine Erkenntnis: So alt, wie manch stolze "Sorger" denken, ist ihr Ort nicht - das ist nachzulesen in Kutschers Chronik, die er für Neuensorg zusammengetragen hat. "Die Geschichte von Neuensorg beginnt 1541", sagt der Chronist, der in mehrjähriger Arbeit die Geschichte des Ortes aufbereitet hat.
Und was ist dem Jahr 1195, wo auf einer Urkunde von "forca" zu lesen ist? Harald Kutscher hat das Schriftstück sogar im Bamberger Staatsarchiv sichten lassen und von dort die Unterstützung für seine These bekommen: Beim Eintrag "forca" (nicht "sorca", wie man auf den ersten Blick auch denken könnte) auf einer alten Urkunde handelt es sich um einen Vorläufer von Frohnlach, erst 350 Jahre später taucht Neuensorg als eigene Siedlung in den Unterlagen des Forst- und Kastenamtes Lichtenfels auf.
Niemals im Herzogtum
Wobei die Lage des "Neuen Ortes am Waldrand" strategisch gut war. Neuensorg lag an viel genutzten Handelswegen von Coburg nach Kulmbach sowie von Lichtenfels nach Kronach. Deshalb gab es auch eine Zollschranke sowie ein Forsthaus. Seit jeher zeichnet die "Sorger" aus, dass sie ein verschworenes Völkchen sind. So ist Harald Kutscher die Feststellung wichtig, dass der Ort nie zum Herzogtum Sachsen-Gotha gehört hat. Wohl aber zum Verwaltungsbereich der Hildburghäuser Grafen, aber das ist auch schon 120 Jahre her. Eine gewisse Eigenständigkeit hat die Neuensorger schon immer ausgezeichnet. Auch heute noch, erzählt Harald Kutscher, ist es im Ort guter Brauch, dass sich die Vereine bei Veranstaltungen wie selbstverständlich gegenseitig unterstützen. "Da sind manch größere Orte gewaltig neidisch darauf", sagt der Chronist, der sich aber lachend und standhaft weigert, die Namen jener neidischen Orte zu nennen.
Ein herausragendes Jahr in der Geschichte des Ortes ist 1952. Da wurde Neuensorg zu einer eigenständigen Gemeinde, was natürlich kräftigst gefeiert wurde. Dass es damals einen ausdrücklichen "Herrenabend" im Festprogramm gab, erheitert Nina Kutscher (Tochter, Lektorin und Layout-Beraterin in Personalunion) noch heute gewaltig. Vom offiziellen Wettsaufen, organisiert vom damaligen zweiten Bürgermeister Hans Popp, erzählen Ur-Neuensorger noch heute. Für den Sieger gab es übrigens eine Dose Bratheringe...
Bei seinen Recherchen zur Feier der Eigenständigkeit profitierte Harald Kutscher davon, dass damals mit Peter Haller ein Mann in Neuensorg lebte, der jede Menge hochwertige Fotos machte - viele davon sind in der Chronik zu sehen. Insgesamt ist das 400 Seiten starke Schriftstück mit 500 Bildern versehen. Die Zeit der Eigenständigkeit für Neuensorg währte - "leider", wie Kutscher betont - aber nicht lange: gerade einmal gut 25 Jahre. Dann kam erneut eine Gebietsreform, in deren Vorfeld sich die "Sorger" zwar mit überwältigender Mehrheit für einen Anschluss nach Michelau und den Landkreis Lichtenfels aussprachen, aber am Ende in Weidhausen landeten.
Mit der Erstellung der Chronik wird für Harald Kutscher ein lange geplantes Langzeitprojekt Wirklichkeit. Zugute kam ihm dabei, dass er vor einigen Jahren die Federführung bei der Erstellung der Chronik zur 750-Jahr-Feier in Ebersdorf inne hatte. Spätestens da war für Kutscher, dessen Vater einst Bürgermeister von Neuensorg war, klar, dass er so etwas auch mal für Neuensorg machen werde. Einfach war die Suche nach historischen Unterlagen keinesfalls, aber das überraschte ihn nach den Erfahrungen aus Ebersdorf nicht: "Archivpflege in unseren Rathäusern ist nichts Halbes und nichts Ganzes." Wobei Kutscher diese Feststellung auf keinen Fall als Kritik an seinen ehemaligen Kollegen aus den Verwaltungen verstanden wissen will - die hätten eben ganz andere Aufgaben, die Geschichte stehe da in der Dringlichkeit eher an hinterer Stelle.
Was übrig bleibt, wird gespendet
45 Euro wird eine Chronik kosten. "Das ist der unterste Preis, der möglich war", sagt der Chronist und verweist auf die Tatsache, dass das Buch - Harald Kutscher traf diese Entscheidung ganz bewusst - völlig ohne Sponsoren und Werbung entstanden ist. Aber klar: je höher die Auflage, desto geringer wirken sich die Fixkosten pro Exemplar aus. Sollten ihm seine "Sorger" (und die Weidhäuser natürlich auch) das Buch quasi aus den Händen reißen, könnte am Ende ein bisschen Geld übrig bleiben. Aber nicht für Kutscher: "Den Erlös aus dem Verkauf der Chronik, wenn es ihn geben sollte, werde ich auf jeden Fall spenden."
Tochter Nina mag es gruselig
Den Kutschers scheint das Schreiben im Blut zu liegen. Denn neben der Ortschronik ist in diesem Tagen ein weiteres Buch aus dem Haus der Familie erschienen: "Liebe ist ewig, Rache ist tödlich - der zweite Fall für Meredith Young" von Nina Kutscher ist ab sofort als Taschenbuch über Amazon erhältlich.
Der neue Roman ist bereits das vierte Buch, das Nina Kutscher über die Internet-Plattform veröffentlicht. "Des einen Freud, des anderen Leid" spielt wie ihr aktueller Roman in den USA, dazu kommen zwei Werke mit einem regionalen Bezug. "Von Kindesbeinen an" ist ein klassischer Heimatkrimi, während sich "Muttermord" mit einem realen Kriminalfall in Weidhausen befasst. Gerade die USA-Krimis von Nina Kutscher sind nichts für zartbesaitete Gemüter. "Ein bisschen blutrünstig darf es bei mir schon sein", sagt die Autorin mit einem leicht diabolischen Grinsen.
Grusel aus der Heimat
Dass sie dazu auch noch zwei regionale Bücher geschrieben hat, wundert Kutscher (die im Landratsamt arbeitet) manchmal selbst: "Eigentlich bin ich kein Fan solcher Geschichten." Aber gerade der Mord an der Mutter einer Weidhäuser Lehrerin habe ja regelrecht nach einem Roman dazu geschrien. Heraus kam nach aufwändigen Recherchen das Buch "Muttermord."
Hier gibt es die Chronik
Mitwirkende: Unterstützung bekam Harald Kutscher von seiner Tochter Nina sowie "von allen Seiten" - insbesondere jedoch von Jürgen Friedrich, Christa Scheler, Dieter Fischer und Steffen Wöhner.
Vorbestellung: Wer ein Exemplar der Chronik möchte, kann es sich über eine Vorstellung im Weidhäuser Rathaus sichern. Bestellungen sind bis zum kommenden Donnerstag zum Preis von 45 Euro in der Gemeindekasse möglich. "Nachzügler" können sich bis kommenden Sonntag direkt an Harald Kutscher wenden. Nach diesem Termin gibt es keine Bestellmöglichkeit mehr.