Warum alle auf die Ummerstadter Kühlitze woll(t)en

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Schön, schön: Rainer Malsch und Martina Rohner machen Station am Teich der Zapfenmühle. - Foto: Berthold Köhler
Schön, schön: Rainer Malsch und  Martina Rohner machen Station  am Teich der Zapfenmühle. - Foto: Berthold Köhler
Auch die Initiative Rodachtal macht mal Fehler: Der Lehengrundsee hat ein "n" zu viel bekommen, weiß Rainer Malsch. - Foto: Berthold Köhler
Auch die Initiative Rodachtal macht mal Fehler: Der Lehengrundsee hat ein "n" zu viel bekommen, weiß Rainer Malsch. - Foto: Berthold Köhler
 
Martina Rohner testet Geschmack und Qualität des Kupferbrunnens: "Einfach nur gut."- Foto: Berthold Köhler
Martina Rohner testet Geschmack und Qualität des Kupferbrunnens: "Einfach nur gut."- Foto: Berthold Köhler
 
Ein Schild am Wegesrand.- Foto: Berthold Köhler
Ein Schild am Wegesrand.- Foto: Berthold Köhler
 
Rainer Malsch hoch droben über dem schönen Ummerstadt.- Foto: Berthold Köhler
Rainer Malsch hoch droben über dem schönen Ummerstadt.- Foto: Berthold Köhler
 

Beim "Anwandern" der Initiative Rodachtal erfahren die Teilnehmer am 5. Mai , was die Kühlitze in der Nähe von Ummerstadt besonders macht.

Vom historischen Marktplatz aus sind es nur ein paar Minuten Fußmarsch - und man ist in einer anderen Welt. Idyllisch führt kurz hinter der Erlachsmühle das Tal der Schappach Richtung Osten, wo sich einst die mit Argusaugen von DDR-Seite her bewachte innerdeutsche Grenze befand. "Ohne Antrag kam man nicht hierher", sagt Rainer Malsch über den Weg hinein ins Tal, auf den er am 5. Mai die Besucher des "Anwanderns" der Initiative Rodachtal mitnehmen wird.

Auf die Vorzüge seiner Heimat angesprochen, muss der Wanderführer nicht lange überlegen. "Die Ruhe, der Wald, unberührte Natur auf kompakter Fläche", fallen dem gebürtigen Ummerstadter sofort ein. Passende Fakten und Geschichten liefert er gleich mit. Wie zum Beispiel das Zustandekommen der ungewöhnlichen Geländeformationen, die an Weinberge erinnern, aber "Ummerstadter Striche" heißen. Die terrassenförmig angelegten Wiesen und Äcker sind das Ergebnis historischer Erbregelungen, in deren Folge um "jeden halben Meter", weiß Rainer Malsch, gestritten wurde. "Damals", schränkt er schmunzelnd ein, "heute eher nicht mehr".

Zwischen dem Erzberg samt Steinbruch links und der Kühlitze rechts geht es ins Tal hinein. Die alten Flurnamen musste sich selbst ein Alteingesessener wie Rainer Malsch erst wieder erarbeiten. Lachend, aber auch mit einem Kopfschütteln, berichtet der 74-Jährige: "Von den alten Bezeichnungen haben die jungen Ummerstadter erst wieder erfahren, als wir nach der Wende neue Landkarten an die Hand bekamen." Die DDR-Obrigkeit hatte es schließlich nicht gerne, wenn sich jemand im 500-Meter-Sperrgebiet gut auskannte. An die Zeiten der deutschen Teilung wird man rund um Ummerstadt immer wieder erinnert - hier von der nur fast zugewachsenen Schneise des Grenzzauns, dort vom Kolonnenweg mit seinen charakteristischen Rasengittersteinen. Schön, dass darauf heute Wanderer und keine Militärfahrzeuge unterwegs sind.

Nichts mehr zu sehen ist indessen von den Mühlen, die sich einst im Schappachgrund befanden. Drei Teiche gibt es noch, gleich am ersten hat Rainer Malsch für den 5. Mai einen Halt eingeplant. Martina Rohner, die als Leiterin der Geschäftsstelle der Initiative Rodachtal das "Anwandern" dieses Jahr zusammen mit der Stadt Ummerstadt organisiert, ist zufrieden mit der Auswahl der Wanderroute: "Ja, es ist wirklich romantisch hier." Die Routen beider Strecken, die am 5. Mai angeboten werden, haben Symbolcharakter. Genau 30 Jahre nach der Grenzöffnung geht es immer wieder direkt die Grenze entlang.

Nur die Kirche hat's erwischt

Höhepunkt - geografisch, optisch und geschichtlich - beim "Anwandern" ist die Kühlitze, auf deren Gipfel man dann 125 Höhenmeter in den Beinen hat. Oder 175, bei einem Abstecher zum Erzberg-Steinbruch. Die Aussicht von dort oben reicht bis in den Itzgrund hinab und hinüber an den Obermain. Der Kolonnenweg hoch auf den Berg und die Reste der Fundamente sind Spuren des Kalten Krieges, der wenig überraschend auch von Ummerstadt aus geführt wurde. Erst nutzten die Russen, dann die DDR die exponierte Lage der Kühlitze, um von dort aus Radarüberwachung zu betreiben. Heute hat die Stadt Ummerstadt dort eine Sitzgarnitur stehen. Die zweifelsohne schönere Nutzung für so ein Fleckchen Erde.

Zurück geht es an der Friedhofskirche vorbei. Angeblich soll schon um das Jahr 900 dort ein kirchliches Gebäude gestanden haben. Rainer Malsch ist sich da nicht so sicher, weiß aber um die jüngere Geschichte des Gotteshauses. Dessen 50 Meter hoher, landschaftsprägender, Turm ging gegen Ende des Zweiten Weltkrieges in Flammen auf. Mehr Glück hatten die Bewohner des Stadtkerns, dessen heutiges Aussehen sich wohl schon relativ schnell nach Ende des Dreißigjährigen Krieges entwickelte. Die alten Häuser kamen beim Angriff ungeschoren davon. Und Ummerstadt behielt sein Mittelalterflair, dem auch der Eiserne Vorhang nichts anhaben konnte.

Einfach wanderbar: die Initiative Rodachtal

Anwandern: Seit 2017 eröffnet die Initiative Rodachtal die Wandersaison mit einer zentralen Veranstaltung. Diese findet heuer am Sonntag, 5. Mai, um 10 Uhr statt. Treffpunkt ist am Ummerstadter Rathaus, von dort aus geht es für sportliche Wanderer auf Rundtour zur Kühlitze (Wanderstrecke II). Wer es gemütlicher haben will, wandert vom Rappersgraben Richtung Ummerstadter Kreuz (Wanderstrecke I). Beide Strecken sind rund sechs Kilometer lang. Nach der Rückkehr auf den Marktplatz um etwa 12 Uhr erwartet die Ummerstadter Bürgerstiftung die Vereine die Wanderer mit einer Mahlzeit und Bier aus dem örtlichen Brauhaus. Angebot: Mit seinem gut beschilderten, rund 700 Kilometer langen Wegesystem hat die Initiative Rodachtal eine Vorreiterrolle im Landkreis Coburg inne. Zweiländerweg: Er ist das Kernstück des Wanderwegenetzes der Initiative Rodachtal. Neben der 100 Kilometer langen Hauptroute enthält er auch Rundtouren mit einer Länge zwischen zwischen 2 und 13 Kilometern Länge. Der Zweiländerweg symbolisiert die Zusammengehörigkeit der fränkisch geprägten Kommunen auf Thüringer wie auf Bayerischer Seite. Derzeit wird dieses "analoge" Wegenetz digitalisiert. Ohne den ehrenamtlichen und unentgeltlichen Einsatz der 18 Wegewarte das Digitalisierungsprojekt, wie auch die Überwachung der Routen, nur mit hohen Kosten oder gar nicht realisierbar Infos: In allen Rathäusern und Touristinformationen der Initiative Rodachtal gibt es für fünf Euro ein Wanderkartenset mit 51 Tourenvorschlägen aus der Region. Kontakt: Initiative Rodachtal, Geschäftsstelle Ummerstadt, Martina Rohner, Telefonnummer 036871 / 30317.