Ulf Wunderlich: Vor der Wahl wird geheiratet

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Ulf Wunderlich im Café M, das bei ihm gleich um die Ecke liegt.Foto: Ulrike Nauer
Ulf Wunderlich im Café M, das bei ihm gleich um die Ecke liegt.Foto: Ulrike Nauer

Ulf Wunderlich kandidiert für Die Linke im Wahlkreis Coburg/Kronach. Warum dem 23-Jährigen politisches Engagement so wichtig ist.

Mit seinen 23 Jahren gehört Ulf Wunderlich zweifellos zu den jüngsten Kandidaten, die bislang bei Bundestagswahlen für den Wahlkreis Coburg/Kronach angetreten sind. Illusionen, dass das klappen könnte, mit dem Einzug in den Berliner Reichstag, macht sich der junge Mann aber nicht. "Wenn ein Kandidat der Linken in Bayern ein Direktmandat holt, dann ist die CSU schon kurz vorm Sturz", sagt er lachend, während er ganz entspannt unter einem Sonnenschirm des Café M in der Judengasse seinen Kaffee trinkt.

Ein Wahlsieg mag zwar aussichtslos erscheinen, für Ulf Wunderlich ist es jedoch in erster Linie wichtig, sich überhaupt politisch zu engagieren und seine Generation zu vertreten. "Ich muss Verantwortung übernehmen, weil ich die Konsequenzen meiner politischen Entscheidungen noch selbst erleben werde", erklärt der 23-Jährige - im Gegensatz zu den älteren Politikern wie etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel. Schon bei den letzten Kommunalwahlen im März 2020 hat Ulf Wunderlich sein Glück versucht. Er kandidierte auf der Stadtratsliste und erhielt am Ende rund 800 Stimmen. Zu wenig für einen Sitz im Stadtrat, aber "dafür, dass ich damals erst zwei Jahre in Coburg war, war ich mit dem Ergebnis sehr zufrieden".

Oma war SPD-Mitglied

Politisches Engagement liegt bei Ulf Wunderlich in der Familie. "Mein Vater entspringt der 68er-Bewegung, meine Oma war SPD-Mitglied", erzählt er. Wenn man so will, sei er "links-grün" aufgewachsen. Deshalb habe sich sein Vater auch "tierisch gefreut", dass der Sohn für die Linken zur Bundestagswahl antritt.

Geboren und aufgewachsen ist Ulf Wunderlich in Hallstadt bei Bamberg. Seine Jugend sei durch seine Familie schon "medizinisch geprägt" gewesen. So engagierte er sich schon als Teenager vier Jahre lang aktiv bei der Bamberger Wasserwacht und im Katastrophenschutz. Dann erfüllte er sich seinen "Jugendtraum" und absolvierte die einjährige Ausbildung zum Rettungssanitäter in Garmisch-Partenkirchen.

Zum Studium nach Coburg

Doch Ulf Wunderlich merkte schnell, dass das noch nicht ganz das war, was er sich erträumt hat. "Ich will langfristig mit Menschen arbeiten, und nicht immer nur eine halbe Stunde im Rettungswagen", erklärt er. An mehreren Hochschulen bewirbt er sich für den Studiengang "Soziale Arbeit". Der Numerus Clausus und seine Freundin führen Ulf Wunderlich schließlich nach Coburg - die Hochschule Coburg, weil sie die erste war, die ihm eine Zusage schickte, und seine Freundin, weil sie das Gleiche studieren wollte und ebenfalls die Zusage aus Coburg erhalten hatte.

Apropos Freundin, ein großes Ereignis steht Ulf Wunderlich noch vor der Bundestagswahl bevor: Anfang September wird er seine Freundin heiraten - standesamtlich in Coburg, kirchlich in seiner alten Heimat. "Das war aber schon lange geplant, bevor ich mich für die Kandidatur entschieden habe", verrät der 23-Jährige lachend. Als die Linke Anfang Juni ihren Kandidaten nominierte, "habe ich gleich gesagt, ich mach's", sagt Ulf Wunderlich. Diese Entscheidung habe er natürlich gemeinsam mit seiner Verlobten getroffen.

Coburg, so findet der Hallstadter, sei eine schöne Stadt, die voller Überraschungen stecke und in manchen Dingen auch "speziell" sei. Dass die Coburger die Semmeln für die Bratwurst von oben einschneiden, werde er wohl nie verstehen.

In der Schule gehörte Wunderlich durchaus zu denjenigen, die den Mund aufmachten. Wenn er Entscheidungen nicht nachvollziehen konnte, habe er auch mal "gegen die Schulpolitik rebelliert". Dabei merkte er schnell, dass es gerade in solchen Bereichen wie Schule oder auch im Gesundheitssystem um soziale Gerechtigkeit und Fairness gehe. Für Ulf Wunderlich ist es mit seinem Demokratieverständnis zum Beispiel nicht vereinbar, dass die Krankenversicherung in privat und gesetzlich aufgeteilt sei. "Diejenigen, die Geld haben, bestimmen den Markt, das sollte in solchen Bereichen nicht der Maßstab sein", findet Wunderlich. "Da muss die Gesellschaft mehr Macht übernehmen."

Nach einem Semesterpraktikum im Amt für Jugend und Familie betreut Ulf Wunderlich nun ehrenamtlich eine Coburger Familie. An diesem Beispiel sehe er, wie weit die Spaltung der Gesellschaft schon fortgeschritten sei. "Das macht mir Angst! Irgendwann wird das die Gesellschaft sprengen."

Beruflich will Ulf Wunderlich im Bereich Soziale Arbeit bleiben, sich in Richtung Jugendhilfe orientieren. Die Finanzierung der Jugendhilfe in West-Oberfranken ist auch Thema seiner Bachelor-Arbeit, die er noch abliefern muss. Dabei ist er unter anderem zum Schluss gekommen, dass Coburg mit seinem Geld eine "sehr gute Jugendarbeit" betreibe und sein Potenzial nutze. In Puncto Umwelt- und Klimaschutz müsse aber mehr getan werden. "Man kann das nur zu einhundert Prozent machen, weniger geht nicht."

Sein Wunsch für die Bundestagswahl: "Nicht wieder eine große Koalition!"

Steckbrief

Name:

Ulf Wunderlich (Die Linke)

Geburtsdatum:

16. August 1998

Wohnort:

Coburg

Familienstand:

Verlobt, Hochzeit im September 2021

erlernter Beruf:

Rettungssanitäter, aktuell: Student der Sozialen Arbeit

Hobbies: Bergsteigen, Wandern, Fahrradfahren

Bezahlte Posten außerhalb der Politik:

keine

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Sind Sie für oder gegen die Impfpflicht? Ich bin aufgrund des damit verbundenen Grundrechtseingriffs gegen die Einführung einer Impfpflicht. Allerdings sollten Geimpfte ernsthafte Vorteile bekommen, denn diese haben mit ihrer Impfung einen Beitrag zur Herdenimmunität und zur Gesundheit unserer Gesellschaft geleistet.

Sind Sie für oder gegen das Tempolimit auf Autobahnen? Ich als Rettungssanitäter befürworte ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Denn Rasen gefährdet massiv das Wohl der anderen Verkehrsteilnehmer:innen und ist aufgrund des gesteigerten Diesel-/Benzinverbrauchs auch schädlich für unsere Umwelt.

Sprache: gendern oder nicht? Ich persönlich habe mich für das Gendern entschieden. Allerdings bedeutet dies nicht, dass andere sich für das Gendern entscheiden müssen. Dies sollte im privaten Bereich eine individuelle Entscheidung sein. In öffentlichen Institutionen finde ich ein generelles Gendern wichtig.

Würden Sie privat Migranten aufnehmen? Natürlich. Zum einen fühle ich mich als Christ der Nächstenliebe verpflichtet, zum anderen sehe ich es als selbstverständlich an, Menschen in Not zu unterstützen. Ich würde mir ebenfalls wünschen, dass mir im Notfall jemand hilft.

Was darf ein Kilo Schweinefleisch kosten? Meiner Meinung nach essen wir mit mehr als 60 Kilogramm pro Kopf und Jahr viel zu viel Fleisch. Dies ist weder gut für unsere Gesundheit noch für unsere Umwelt. Zusätzlich ruinieren die niedrigen Preise die Landwirtschaft. Eine Erhöhung des Preises um das Doppelte finde ich mehr als vertretbar.

Haben Sie jemals abgeschrieben? Bis auf die Fächer Mathe und Physik, in welchen ich in meiner Schulzeit wirklich lausig war, habe ich noch nie abgeschrieben.

Wie hoch muss die monatliche Rente mind. sein, um davon leben zu können? Wir brauchen in unserem Land eine Mindestrente von 1200 Euro damit jede/r nach Jahrzehnten des Arbeitens in Würde leben kann und die finanzielle Möglichkeit besitzt, sich in einem angemessenen Rahmen selbst zu verwirklichen.

Was darf ein Liter Benzin kosten? In Zeiten des fortschreitenden Klimawandels können wir uns den CO 2 -Ausstoß des klassischen Verbrennungsmotors auf Dauer nicht mehr leisten. Die Zukunft gehört alternativen Antriebstoffen und dem ÖPNV. Auch ohne den Klimaschutz wird der Benzinpreis in den nächsten Jahren steigen.

Sind Sie für oder gegen den Einsatz von Glyphosat? Ich bin gegen den Einsatz von Glyphosat. Es schädigt unsere Gesundheit und vergiftet die Natur. Meiner Meinung nach ist es eine Schande, dass die Bundesregierung Glyphosat noch nicht verboten hat. Scheinbar ist der Regierung die Gesundheit ihrer Bürger:innen nicht wichtig genug.

Welches Auto fahren Sie privat? Ich besitze kein Auto. In meinem Alltag nutze ich mein Fahrrad und den ÖPNV.