Druckartikel: Stoschek hofft auf Beschluss des Coburger Stadtrats

Stoschek hofft auf Beschluss des Coburger Stadtrats


Autor: Simone Bastian

Coburg, Mittwoch, 25. März 2015

Der Enkel wünscht sich eine Rehabilitierung von seinem Großvater Max Brose am Donnerstag durch den Stadtrat - und "danach" eine Umbenennung der Von-Schultes-Straße. Denn dort liegen die meisten Coburger Brose-Betriebsstätten.
Michael Stoschek, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung von Brose Fahrzeugteile und Enkel von Max Brose, bei einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag.  Foto: Simone Bastian


Um 14 Uhr beginnt am Donnerstag im Rathaus die mit Spannung erwartete Sitzung des Stadtrats. Wegen des Tagesordnungspunkts 15, einer "Rehabilitierung von Max Brose", werden auch viele Zuschauer erwartet. Wer allerdings nicht kommen wird, ist Brose-Enkel Michael Stoschek. Warum, das erklärt er in einem Gespräch mit dem Tageblatt.

Herr Schuster sagt, Max Brose sei wegen seines Verhaltens und als Profiteur kein Vorbild für einen Straßennamen, aber man dürfe ihm die Ehre nicht abschneiden. Ist das für Sie eine Gesprächsbasis?
Michael Stoschek: Herr Dr. Schuster hat gesagt, man solle Max Brose die "Ehre" einer Rehabilitierung "nicht abschneiden". Das war und ist natürlich eine Gesprächsbasis. Überhaupt fand unser Gespräch in einer offenen und sachlichen Atmosphäre statt.

Die Stadt Coburg hat - bis auf einzelne Initiativen von privater oder kirchlicher/Vereinsseite - nie den Versuch unternommen, die eigene Geschichte seit dem Anschluss an Bayern gründlich aufzuarbeiten. Erweist sich das nun als Problem?
Tatsache ist: Wir haben die Geschichte unserer Familie und unserer Firma anlässlich des einhundertjährigen Jubiläums von unabhängigen Historikern aufarbeiten lassen. Die Stadt Coburg hat das bislang nicht getan. Aber ich kann nicht erkennen, dass dieses Versäumnis bei den ungerechtfertigten Angriffen auf meinen Großvater eine Rolle gespielt hat.

Die Diskussion konzentriert sich auf die Jahre 1933 bis 1945. Greift das nicht ein wenig zu kurz, angesichts des langen Lebens Ihres Großvaters (1884 bis 1968)?
Das ist sicher so. Keine Biographie lässt sich nur über eine Etappe eines langen Lebens erklären. Es gibt ein Vorher und es gibt ein Nachher. Andererseits halte ich es gerade vor der problematischen Situation in Coburg für richtig, sich intensiv mit dem Verhalten meines Großvaters in dieser Zeit auseinanderzusetzen.

Mit welchen Gefühlen sehen Sie der Stadtratssitzung am Donnerstag entgegen? Werden Sie als Zuhörer teilnehmen?
Nein, ich werde nicht teilnehmen. Ich will nicht durch meine Anwesenheit den Eindruck erwecken, das gewählte Gremium in irgendeiner Weise daran zu hindern, frei zu entscheiden. Meine Familie und ich würden sich darüber freuen, wenn sich der Coburger Stadtrat von dem Beschluss des Jahres 2004 distanzieren und sich danach zu einer Umwidmung der Von-Schultes-Straße entschließen könnte. Wann das geschieht, ist natürlich OB Tessmer und dem Stadtrat überlassen.

Die Fragen stellte Simone Bastian.


Hintergrund
Ausgangslage Das Thema wird seit Wochen diskutiert: Hat der Stadtrat 2004 den Unternehmensgründer Max Brose in ein schlechtes Licht gesetzt, als er die Umbenennung der Von-Schultes- in Max-Brose-Straße mit knapper Mehrheit ablehnte? Max Brose war von 1933 bis 1945 Mitglied der NSDAP, die Nazis hatten den langjährigen IHK-Präsidenten (1933 bis 1943) zum Wehrwirtschaftsführer ernannt, das Brose-Werk erhielt Rüstungsaufträge und beschäftigte wegen der Kriegsbewirtschaftung auch Zwangsarbeiter, meist Kriegsgefangene. Vor diesem geschichtlichen Hintergrund dürfe keine Straße nach Max Brose benannt werden, erklärte jüngst der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. Michael Stoschek, Enkel von Max Brose und Vorsitzender der Brose-Gesellschafterversammlung, bemüht sich um die Rehabilitierung seines Großvaters. Er und Coburgs OB Norbert Tessmer (SPD) trafen sich deshalb mit Josef Schuster zum Gespräch.

Gegenwart Der Coburger Stadtrat soll heute eine kurze Erklärung beschließen, dass Max Brose als Unternehmer und IHK-Präsident im Dritten Reich kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Es ist zu erwarten, dass es im Stadtrat eine klare Mehrheit für diesen Beschluss geben wird.
Kritik Als größter Gegner einer möglichen Rehabilitierung gilt der engagierte Bürger und Leserbriefschreiber Edmund Frey. Darüber, dass es im Stadtrat wohl eine klare Mehrheit für eine Rehabilitierung geben wird, ist er entsetzt. Und nachdem er schon vor wenigen Tagen an alle Stadtratsmitglieder appelliert hat, Max Brose nicht zu rehabilitieren, hat er sich gestern erneut zu Wort gemeldet. Er wirft darin den Stadträten vor, sich "mehrheitlich dem ökonomischen Druck des Unternehmers Michael Stoschek" zu unterwerfen". Seine Erklärungendet mit dem Satz: "Ich schäme mich für Coburg."